Dorothea Nennstiel-Deilmann in der Deutschen Nationalbibliothek







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Ihre Dorothea Nennstiel-Deilmann








 


E I N E  R H Ö N E R 
F A M I L I E N G E S C H I C H T E
D E S   2 O. J A H R H U N D E R T S

T E I L  III                  196O – 199O

D I E  D O K T E R S C H  V O N 
U N T E R B R E I Z B A C H

Nach den Erinnerungen von Dorothea Nennstiel-Deilmann

Illustrarionen  von  Horst Saar


EINE RHÖNER FAMILIENGESCHICHTE IN DREI TEILEN
I N H A L T S V E R Z E I C H N I S  T E I L  I I I


D I E   D O K T E R S C H  V O N 
U N T E R B R E I Z B A C H
1. Kapitel   Zurück in die Rhön
2. Kapitel   Kali – Dok und Doktersche
3. Kapitel   Weichenstellung
4. Kapitel   PH !  Machenses uns doch vor !
5. Kapitel   Matthäuspassion in der
                    Kornbergstraße
6. Kapitel   Christiane und die Pest
7. Kapitel   Aktion Kornblume
8. Kapitel   Abschied von Arka
9. Kapitel   Urlaub in Bulgarien
10. Kapitel Unerwartete Verletzung
11. Kapitel Diesmal ein kleines Negerlein
12. Kapitel Friedels Hochzeit im Hotel Adlon
13. Kapitel Fahrradunfall am „Freien Sonntag“
14.   Kapitel             Dr. Hanf ,  der neue Chefarzt in  Vacha
15.   Kapitel             1965 – aller guten Dinge sind drei!
                    Antonia


1. Kapitel             ZURÜCK  IN  DIE  RHÖN

Kurz vor Weihnachten  fuhren  Arno und Dada nun mit Kind und Hund zu den Eltern nach Merkers, um  nach den Feiertagen  Christiane zu ihrer
Patentante nach Bad Salzungen zu bringen, die ihnen jederzeit hilfreich zur Seite stand,  und  Arka  bei den Eltern zu lassen,  um dann in Ranis  den
Umzug vorzubereiten, und freuten sich schon auf die unbeschwerten und fröhlichen Weihnachtstage .  

Doch die übliche erwartungsfrohe Stimmung
war dieses Jahr recht gedämpft,  denn inzwischen hatte  sich auch Friedel
aus der Bundesrepublik gemeldet.  Sie hatte im Juli 1958  trotz mehrerer
langwieriger Krankenhausaufenthalte  an der Bad Salzunger Oberschule
ihr Abitur zwar recht gut geschafft, wurde aber indirekt schon  darauf
hingewiesen,  daß sie sich  mit Oppositionsgeist und ohne Mitglied
der  FDJ  zu sein,  nicht um einen Studienplatz zu bewerben brauche.
Daher machte sie ein Praktkum im Labor des ihr als ehemaliger Patientin
gut bekannten  Städtischen Krankenhauses  in Jena , und da es ihr dort sehr
gut gefiel und Chefarzt Dr.Rümmler ihr die Ausbildung als  MTA
(Medizinsch-Technische-Assistentin)  anbot,  beantragte  sie diese .  Doch
auch  das wurde ihr verwehrt .  Da packte sie ihre Koffer und konnte
inzwischen  in Göttingen sogar ihr Wunschfach Psychologie studieren .
In Ranis wurde nun gleich  nach  Neujahr der Möbelwagen beladen ,  mit
dem  auch das junge Ehepaar bis nach Merkers mitfuhr, denn von hier aus
sollte sie ein Werkswagen abholen, um dann gemeinsam zur neuen
Wohnung nach Unterbreizbach zu fahren.  Ohne großen Abschieds-
schmerz, da sie ja in Ranis kaum Wurzeln geschlagen hatten,  überfiel
sie aber,  als sie an den  „Drei Gleichen“ vorbei fuhren, eine  innige
Willkommensfreude :  Jetzt kamen  sie wieder in ihre alte Heimat !
In Merkers wurden sie schon von dem Cheffahrer des Kalibetriebes ,
Erich Thimm,  erwartet,  der sie vor eventuellen Schwierigkeiten bei ihrer
ersten Einfahrt ins Grenzgebiet bewahren sollte.  Nach kurzer Pause
ging die Fahrt weiter. Doch als sie sich  hinter dem Ort Dorndorf der
Kontrollstelle näherten und der schier endlos scheinende Stacheldraht-
Sperrzaun ,  sich mitten durch das Land ziehend,  vor ihnen lag, während
die uniformierten  Soldaten sie zum Halten aufforderten,  wurde
ihnen erstmals beklemmend bewußt, wie isoliert sie hier im
Sperrgebiet zukünftig leben würden, da ja  nur ihre  Verwandten ersten
Grades  vier Wochen nach einem schriftlichen Antrag für eine besimmte
und jeweils nur kurze Zeit zu Besuch kommen durften.  Aber das hatten
sie ja schon vorher gewußt,  und so verflog die bedrückte Stimmung
schnell wieder und sie fuhren erwartungsfroh ihrem neuen Leben und
dem zukünftigen  Arbeitsfeld entgegen .

2. Kapitel        KALI - DOK   UND    DOKTERSCHE
Am Kornberg in Unterbreizbach,  an  einer ehemaligen Direktorenvilla,
der jetzigen  Betriebsambulanz  des  Kaliwerkes, gut angekommen, machte
sie ihr netter, um eine freundliche Aufnahme besorgte Fahrer Thimm ,
auf seine fast väterlich freundliche  Art in der unteren  Ambulanz - Etage
des Hauses  gleich  mit den gerade diensthabenden medizinischen Helfern
bekannt . Vorallem mit dem  leitenden  Sanitäter  Paul  Bronnert  sowie
der   Laborantin Erika Lippert, an die sie sich nun jederzeit mit
Fragen oder Anliegen wenden könnten . Schon wurde der Möbelwagen
leergeräumt , und  das im Dachgeschoß wohnende Hausmeister-Ehepaar
kam auch herunter, um zu helfen. Nun  verwandelte sich die obere Etage
langsam in eine bereits recht gemütliche  Wohnung,  besonders durch
einen herrlich großen Balkon am Wohnzimmer ideal für Kind und Hund ,
die ja jetzt  auch bald geholt werden konnten. Inzwischen war auch Arnos
wichtigste Mitarbeiterin, die Arzthelferin Gerda Träger, die in dem
Vierfamilien-Haus der Ambulanz gegenüber eine Wohnung  bewohnte ,
zur Begüßung herüber gekommen. „ Arzthelfer“  war in der DDR ein
Zwischenberuf,  in  dem hochqualifizierte  Pflegekräfte nach  einer
zusätzlichen zweijährigen Ausbildung , unter Aufsicht und Verantwortung
eines Arztes, beschränkt ärztlich arbeiten durften. Dadurch  konnte hier
unter ihrer Regie der wichtiste Versorgungsbetrieb  bisher weiterlaufen .
Schon am nächsten Tag konnte Arno seine Tätigkeit ohne  Schwierigkeiten
aufnehmen.  Seine Sekretärin, Schwester Lieselotte Lübbert,  und
sicher  auch sein aus Ranis vorausgeeilter  guter Ruf,  ermöglichten  ihm
sogleich  ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen ersten Patienten. Aus
der Werksgarage traf dann sein zukünftiger  Fahrer . Paul Jendritzki, mit
einem älteren  DKW  ein , nun sein Dienstwagen, und sie fuhren, um die
anstehenden und neu angemeldeten Hausbesuche zu machen, ins Dorf und
nach Pferdsdorf . Auf diese  Weise spielte sich fast unmerklich der Alltag
ein. Aber nur wenige Tage später riß ein Anruf mitten in der Nacht das
Ehepaar aus  seiner glücklichen Zufriedenheit.  Ein verzweifelter Vater rief
nach sofortiger Hilfe. Ihr kleiner Säugling,der abends noch völlig in
Ordnung schien, würde plötzlich nach Luft ringen und wäre schon ganz
blau angelaufen. Der schnell angerufene Fahrer brachte den Arzt
umgehend zu dem Kind,  aber Arno konnte weder eine Ursache
feststellen noch  helfen.  Da kein Krankenwagen in der Nähe war,
fuhren sie das Kindchen  in höchster Eile zum  nahegelegenen  Vachaer
Krankenhaus ,  aber es verstarb  noch während der Fahrt.
Eine Obduktion  wurde  angeordnet, doch  die Zeitspanne , bis das
Ergebnis mitgeteilt  wurde, wurde eine fast unerträgliche Belastung  für
den jungen Arzt und seine Frau durch die quälende Frage, ob er das Kind
nicht doch hätte retten können und vielleicht etwas versäumt habe. Jedoch
der Befund entlastete ihn dann völlig. Todesursache war eine tuberkulöse
Sepsis, eine meist tödliche Blutvergiftung, durch Ansteckung verursacht .
Ermittelt wurde : die Hebamme der Entbindungsstation hatte Tuberkulose .
Bei den überdurchschnittlichen  Arbeitsanforderungen dieser Arztstelle ,
doch  Arnos Ehrgeiz, das in Ranis  Erlernte  auch weiter anzuwenden, war
es gerade jetzt zu Beginn recht günstig, daß Dada noch keine Arbeit
aufgenommen hatte,  und ihn so jederzeit aus freien Stücken unterstützen
konnte.  Besonders die Herz-Kreislauf  Beschwerden durch  körperliche
Überlastung,  in der Landwirtschaft ja recht häufig,  konnten in der Klinik
durch eine tägliche Veneninjektion in etwa dreiWochen sichtbar gemildert
werden, für die seine Zeit jedoch nicht ausreichte , Da aber auch Dada
die Befähigung und Spritzen-Erlaubnis   dazu erworben hatte , konnte
manchem  Patienten  auch zu Hause  geholfen werden,    und für sie war
es eine willkommene Gelegenheit, Ort und Menschen hier kennen zu
lernen . So war sie eines Tages gerade auf einem kleinen Bauernhof in
der Friedhofstraße dabei, der Äller, also der Altbäurin,  eine solche
„Herzspritze“ zu geben, während Tochter und Enkelchen  interessiert
zuschauten, als  die  kleine Sylvia leise, aber unüberhörbar ihrer Mutter
zuflüsterte : „Mama, gell,  die  Doktersche macht das  prima“ .  – Betretenes  Schweigen , - und ein heimlicher Knuff der Mutter.   Doch die Kleine flüsterte   unverdrossen weiter : „Gell,  die  Doktersche kann das!“  Aber da war Dada gerade mit Spritzen fertig,  und konnte die Frauen lachend damit beruhigen, daß auch sie ja in einem Rhöndorf groß geworden sei, wo die Frau des Dorfarztes  die „Doktersche“  war .          Ganz im Gegenteil“,  fügte sie vergnügt hinzu, „ jetzt fühle ich mich erst so richtig hier zu Hause“ !


3.Kapitel                      WEICHENSTELLUNG
Doch der Besuch des örtlichen Schulleiters  Lietz veränderte die Situation
schon  bald  : „Ich habe gehört , Sie haben ein Germanistik-Pädagogik
Studium an der Uni Jena nach vier Semestern unterbrechen  müssen ?  Hier
am Ort habe ich nächstes Schuljahr das Problem,  daß ich für unsere erste
zehnte  Klasse,die seit Einführung der „Polytechnischen Zehnjahresschule“
ihren Abschluß macht, noch keinen Deutschlehrer habe.  -  Falls Sie diesen
Unterricht übernehmen würden, könnten Sie während dieser Zeit Ihr
Studium extern  am  „Pädagogischen Institut“ in Erfurt mit einem
Fernstudium  abschließen “. -  Dada war zwar völlig überrascht, sagte aber
natürlich  sofort zu.    Doch als er dann, etwas verlegen, noch  fragte,
ob sie eventuell auch den Musikunterricht übernehmen würde, denn einen
Musiklehrer habe die Schule leider auch noch nicht  gefunden , war ihre
Freude vollkommen. Musik war schon in ihrer Kindheit wie ein Zauber für
sie gewesen und das gemeinsame Singen in der Familie ihr  Inbegriff von
Nestwärme. Schon vor ihrer Schulzeit probierte sie auf dem Klavier oder
einer kleinen Ziehharmonika so lange, bis sie die Melodie aller der  ihr
bekannten  Lieder mit ,zwar recht primitiver,  Begleitung richtig spielen
konnte, und seit ihrer gemeinsamen Schulzeit war die Musik mit das
wichtigste  Bindeglied  von  ihr zu  ihrem  musikalisch fast professionell
ausgebildeten Lebenspartner . Um mit Töchterchen Christiane zu singen ,
hatte sie sich bereits auf seinem Akkordeon  recht gut  eingespielt,
was ihr beim Unterrichten sicherlich  auch sehr  helfen würde .  Daher
zerstreute sie die Sorgen des Direktors bedenkenlos mit einem freudigen ,
zweiten  „Ja!“  ,  welches wohl den gesamten weiteren Lebensweg in Unterbreizbach  beeinflussen sollte .


4.Kapitel               Phh !  MACHENSES  UNS  DOCH  VOR !!

Ihr  Neuanfang zum Schuljahresbeginn gestaltete sich  für Dada recht
abwechslungsreich und anstrengend . Zu Beginn erolgte in Erfurt die
Aufnahme des Fernstudiums, welches sie nun mit hundertundzwanzig
weiteren Teilnehmern  begann.. Danach folgte in der Schule die
Vorbereitungswoche und sie lernte das Lehrerkollegium kennen und
fühlte sich dort gut aufgenommen. Hier wurde ihr nun mitgeteilt, daß sie in  zwei Klassen den Deutsch- und  Musikunterricht erteilen solle. Der  Klasse
Zehn  mit nur zwölf  Schülern , aber auch  der Riesenklasse  Sieben  mit
vierundvierzig Schülern, die sie auch als Klassenlehrerin betreuen solle .
Das bedeutete zusätzlich, bald einen Elternabend  durchzuführen  und
vierundvierzig  Elternbesuche  zu machen . Mit freudiger Erwartung  ging
Dada  an die Erfüllung dieser Aufgaben, doch als sie im Sekretariat  ihren
Elternabend  anmelden wollte, erlebte sie erstmals auch eine Enttäuschung:
Sie erfuhr, daß es üblich sei,  vor der offiziellen  Elternversammlung die
„Genossen Eltern“ einzuladen, um sie als erste  zu informieren  und ihre
Meinung zu erfragen. Doch danach verlief dann alles problemlos und nach
ihren  Vorstellungen, nämlich mit der unbedingten  Gleichbehandlung
aller ihrer Schüler und deren Eltern .
Nicht ganz einfach aber gestaltete sich der Beginn in  ihrer  übergroßen
Siebten Klasse, in der nur ein Schüler zur Teilung fehlte, und in der kein
Klassenlehrer länger als ein Jahr geblieben war.   Leistungen und
Disziplin ließen daher recht  zu wünschen übrig. Aber Dada nahm ihre
Aufgabe,  diese  dreizehn-  bis  vierzehnjahrigen  Kinder  positiv  zu
formen, mit den besten Vorsätzen an . Sie spürte schnell,  daß die hübsche
blondlockige Martha, schon ein bißchen  „Junge Dame“ , in der Klasse
recht beliebt war und vorwiegend hier den Ton angab. Da Martha eine sehr
gute Deutsch-Schülerin  war, sah Dada keine Schwierigkeit darin, sie für
sich zu gewinnen. Aber auf jedes Lob reagierte sie nur mit „Phh“  , und
erst recht  nach  einer  Erklärung  oder gar Verbesserung erfolgte ihr
schnippisches  „Phhh!“ .  Eines Nachmittags aber,  Dada mußte sich  noch
ein Schulbuch aus dem Lehrerzimmer holen,  hörte sie aus dem
gegenüberliegenden Gebäude, in dem sich nur der große Klassenraum
ihrer  „Sieben“  befand, lebhaften Lärm. Als sie beim Nachhausegehen
schnell mal dort nachschaute, versuchten hier Martha und einige Mädchen
gerade, einen Handstand mit Überschlag zu schaffen. Da konnte sie
natürlich gut Ratschläge geben. Aber Marthas spöttische Antwort war nur:
„Phh! Machenses uns doch vor !“  Kein Problem !  -  Ungläubig staunend
bewunderten sie die Mädchen, - Marthas „Phh“ aber hörte sie nie wieder !

5.Kapitel    DIE   MATTHÄUS – PASSION   in der Kornbergstraße

Das erste Jahr in Unterbreizbach war fast wie im Flug vergangen, und
die Familie hatte sich ohne Schwierigkeiten  hier eingelebt. Da gab es zum
Weihnachtsfest eine  unerwartete, neue Überraschung : Vom Kaliwerk
kam das Angebot, in die freigewordene Wohnung mit Fernheizung und
Gartengrundstück des Grubendirektors zu ziehen, der sein neugebautes
Eigenheim  bezogen hatte. Die würde dann nach ihren Wünschen renoviert
und stünde ab Frühjahr für sie bereit, könnte aber jederzeit jetzt schon
besichtigt werden. Ihre jetzige Wohnung würde dann zur Erweiterung der
Ambulanz genutzt werden.  Die Besichtigung erfolgte bald und versprach
eine weitere Verbesserung ihrer  Lebensqualität .  Besonders ein sehr
großes Wohnzimmer war wie geschaffen dafür, um hier Musik zu machen
und  zu hören . Als ihr Wunsch , dort statt der Deckenlampe  mehrere
Wandleuchten  anzubringen, ohne weiteres  erfüllt wurde, und der Raum
mit Klavier, moderner Musikanlage und statt eines Sofas mit zwölf
leichten  Sesseln eingerichtet war,  war das Ehepaar überglücklich, nun für
ihr gemeinsames Hobby einen so wunderschönen Raum zu haben  und sie
nahmen den Umzug in die nur etwa dreihundert Meter entfernte neue
Wohnung gerne in Kauf, obwohl die beruflichen Anforderungen  während
dieser Zeit unvermindert weiterliefen , jedoch die Unterstützung von
Ehepaar Johne eine  große Entlastung  war .
Arno war meist den ganzen Tag unterwegs und kam oft erst am
späten Abend nach Hause ,während dann bei Dada mit Unterrichts –
Vorbereitung und Heftdurchsichten die Arbeit nochmal begann. Die
gemeinsamen Mahlzeiten aber, wenn auch meist zu ungewöhnlicher Zeit ,
wurden täglich  eingehalten. Inzwischen war es kurz vor Ostern geworden,
und der Lehrplan für die Klasse Zehn sah für den Musikunterricht jetzt die
Behandlung der „Matthäus-Passion“  vor , dem  Bibeltext  vom Leben und
Leiden Jesu,  einst beschrieben von dem Evangelisten Matthäus und  als
„Karfreitagsmusik“  für die Messe derThomas-Kirche in Leipzig  1729
von dem damaligen Thomas-Kantor Johann Sebastian Bach vertont .
Dada begann ihre Vorbereitung mit großem Respekt, aber auch mit der
Befürchtung,  daß sie die jungen,modernen Jugendlichen mit diesen uralten
Begebenheiten  nicht mehr erreichen  könnte.  Doch ,  da würde ihr das
schöne Musikzimmer , für die kleine  Zehnerklasse genau ausreichend ,
vielleicht helfen?  Es gelang !  In dem feierlichen  Ambiente , begleitet von
der eindringlichen  Musik  J.S. Bachs, wurde die Mahnung voll erfaßt ,
daß seit der Hinrichtung von Jesu ,  über  Bachs Lebenszeit ,  bis in unsere
heutige Gegenwart , also einer riesigen Zeitspanne,  unzählige Menschen
umgebracht wurden,  die sich bewußt für ein lebenswertes Leben  a l l e r
Menschen geopfert haben,und nicht,wie leider eine große Menschenmasse,
auf Forderung der Obrigkeit bedenkenlos und nach Bedarf gerufen haben :
„Hosianna“,  oder  ebenso  bedenkenlos : „Kreuzigt ihn!“
Die sonst so lebhaften  Schüler verließen tief berührt die Unterrichtsstunde.


6.Kapitel           CHRISTIANE  UND  DIE  PEST

Es war Sonntagmorgen,  Dada war gerade dabei,  den Tisch für eine
reichliche  Frühstückstafel  zu decken,  da die Familie einen größeren
Spaziergang machen wollte , und Christiane hörte unterdessen im Radio
eine Kindersendung. Plötzlich rannte sie ganz aufgeregt in die Küche :
„Mama,  was ist denn die Pest?“   Doch die Mutter konnte sie schnell
damit beruhigen, daß es zwar eine  meist tödliche  Krankheit sei,  die es
aber schon seit langer Zeit nicht mehr gäbe. In der Radiosendung hatte
man  nämlich das Gedicht von Agnes Miegel  „Die Frauen von Nidden “
welche sich einst zum Sterben in die Sanddünen gelegt haben sollen, als
alle anderen Bewohner der kleinen Ostseeinsel an der Pest verstorben
waren. „Und wie haben die gemerkt, daß sie die Pest haben?“ , fragte
die Kleine noch. „ Das waren viele dunkle Flecken und Beulen am Körper,
die Pestbeulen“,  wußte Dada aus  Berichten von damals . Doch dann war
diese düstere Begebenheit schnell vergessen und abends, nach einem
wunderschönen Sonntagsausflug mit Arka wurde die Kleine  vergnügt ins
Bettchen gebracht, bevor die Eltern  heute auch zum üblichen Wochenend-
Doppelkopfspiel ihrer Eltern mit Ehepaar Krause  nach Merkers fahren
konnten . Bei Janchen gab es, wenn die beiden mal ausgingen , solange
Arka bei ihr war, nicht die geringsten Probleme . Im Gegenteil, sie fragte
sogar danach. Da eine „sturmfreie Bude“ ja noch nicht der Grund sein
konnte, fragte die Mutter dann doch mal nach: „Warum sollen wir denn
ausgehen?“-„Da machst du dich immer so fein!“,die verblüffende Antwort.
In Merkers war es schon recht spät geworden, als die letzte  Doppelkopf -
Runde beginnen sollte.  Doch da klingelte das Telefon. Aus der Ambulanz
von Unterbreizbach meldete sich völlig aufgelöst die Nachtschwester:
„Eben ist Ihre Christiane mit dem großen Hund hier reingekommen: Ich
müsse sofort bei Ihnen anrufen, daß Sie zurückkommen sollen, weil sie
die Pest hätte! Dada ahnte schon einen Zusammenhang mit der
Radiosendung vom Morgen. Aber da ausgerechnet Schwester Ursel, die
panische Angst vor Arka hatte, heute im Nachtdienst war, waren keine
weiteren Fragen angebracht  und sie fuhren umgehend zurück. Als sie in
der Ambulanz ankamen, saß Schwester Ursel völlig entnervt im
Sprechzimmer, während Christiane mit Arka im kleinen Nebenzimmer
wohlbehalten auf sie gewartet hatte und ihnen schon gleich ihre nackten
Ärmchen und Beinchen entgegenstrcckte, die sie vorm Einschlafen
vorsichtshalber noch mal kontrolliert hatte. Und tatsächlich , da waren ,wie
durch ihr recht oft ausgelassenes  Herumtoben und Klettern jedoch an der
Tagesordnung,  reichlich blaue Flecken und Beulen zu finden .


7.Kapitel                 AKTION   KORNBLUME

Wieder war es  spät in Merkers  geworden !  Die Familie hatte
in den Geburtstag des Vaters am  3.Oktober 1961 hineingefeiert, und als
die drei Geburtstagsgäste  aus Unterbreizbach  spät nachts nun wieder zu
Hause in ihren Betten lagen, waren sie bald fest eingeschlafen.  Da  aber
klingelte das Telefon, obwohl Arno heute gar keinen Dienst hatte . Dada
stockte fast der Atem, als sie mithörte, daß es der Kreisarzt war, der Arno
dazu aufforderte, sich umgehend einer amtlichen Gruppe anzuschließen ,
die in Breizbach mit dem Auftrag, unzuverlässige Bewohner aus dem
Grenzgebiet zu evakuieren, schon bereit stünde, um bei eventuellen
Zwischenfällen sofort Hilfe leisten zu können . Wie vom Blitz getroffen
und wieder hellwach war sich das Ehepaar, das diese Situation ja schon
einmal  1952  gemeinsam erlebt hatte, ohne Worte sofort einig, daß er
gemeinsam mit dieser Truppe unter keinen Umständen auftreten würde.
Er konnte den Kreisarzt überzeugen, daß er für einige akut schwerkranke
Patienten hier erreichbar bleiben müsse, aber daß er sich für einen
sofortigen Abruf bereithalten würde .  Obwohl nun an einen ruhigen
Schlaf nicht mehr zu denken war, -  da der Morgen kam, ohne daß noch
einmal  angerufen  wurde , begann der neue Tag  für sie wie immer als
ganz  normaler Arbeitstag .
Als Dada dann jedoch in ihre Klasse kam, sah sie gleich, daß ein Platz
unbesetzt war. Doch ehe sie  noch nach dem Grund fragen konnte , rief
schon einer der Mitschüler :“ Der Eckardt kann nicht mehr kommen !
Familie Knauf ist heute Nacht weggebracht worden !“  -  Um nicht etwa
noch mehr Unheil zu provozieren, nahm sie es fassungslos schweigend zur
Kenntnis und nickte nur traurig mit dem Kopf, da sie ja , ohne die Namen
zu kennen, schon wußte, was in der vergangenen Nacht geschehen war.
Erst später sickerte es langsam durch , daß bei dieser zweiten  gewaltsamen
Aussiedlung, der „Aktion Kornblume“,  etwa dreitausend und zweihundert
Einwohner aus Grenzorten zwangsweise wie Verbrecher, aber ohne
Gericht, Schuldspruch oder eine Begründung völlig ahnungslos nachts
für immer aus ihrer Heimat in erbärmliche Unterkünfte evakuiert wurden.
Dazu geführt hatten wohl die Schwierigkeiten bei der Kollektivierung
der Landwirtschaft.
Durch die unerwartete nächtliche Aktion konnte man zwar einen
Widerstand der Bevölkerung ,wie teilweise 1952 , verhindern,  aber ein
alter Genosse aus dem Nachbarort Sünna hatte sich anschließend  doch
über dieses Vorgehen empört. Als einziges Ergebnis aber mußte auch er
sein Heimatdorf  verlassen .


8.Kapitel          Abschied  von  Arka

Das Jahr 1962 hatte die Doktorsch-Familie  gemeinsam mit vielen
Merkersern  im großen Saal des Kulturhauses mit Jubel, besten Vorsätzen
und schönen  Plänen  fröhlich begrüßt und begonnen.   Doch inzwischen
waren  einige Wochen  schon wieder Vergangenheit , und  es erwies sich
als schwierig,  all die guten Vorsätze  und  Vorhaben  auszuführen.
Immerhin hatte Dada im Februar mit nur noch zwanzig der  Teilnehmer
das Examen in Erfurt  bestanden,  sogar mit „sehr gut“, und als ihr Beruf
wurde nun statt Lehramtsbewerberin  „Lehrerin“  eingetragen.  Doch noch
war etliches  zu bewältigen . Zudem hatte sie beim Anprobieren ihres
Prüfungskostüms festgestellt, daß der Rockbund schon recht eng geworden
war, also ihre ersehnte , festgestellte Schwangerschaft eventuell  zeitlich
weiter war, als bisher angenommen. Doch jetzt erwartete man erstmal, daß
Arka ihre Jungen bekam .  Arka  war bei der letzten  Hundeausstellung
in Leipzig,  wie einst ihre Mutter Thula,   mit  „V-1“  (Vorzüglich, 1.Platz )
bewertet  worden  und sollte wenigstens einmal werfen . Doch als es so
weit war, setzten nur schwache Wehen ein, die nachließen, nachdem ein
toter Welpe  zur Welt kam. Die Injektion eines zu Hilfe geholten
Tierarztes  löste eine Dauerwehe aus und Arka mußte in eine Tierklinik
zu einem  Kaiserschnitt gebracht werden . Die Operation  erbrachte noch
einen zweiten Welpen, der trotz Beatmung starb und Arka folgte ihren
Jungen  einige Tage später,  da die Operationswunde immer wieder
aufplatzte.

9.Kapitel                  URLAUB  IN  BULGARIEN

Nur langsam wich das Gefühl der Lähmung . welches  sich nach dem Tod
von Arka,  ohne  ihre stete  liebevolle und wachsame Begleitung,   wie ein
schwerer Teppich über die  Familie   gebreitet hatte.    Es war schon Juni
geworden.  Da Christiane im Herbst bereits zur Schule kam, und das Baby
erwartet wurde,sollte dieser Sommer ausgenutzt werden.  Daher war schon
ein  für sie bezahlbarer  Strandurlaub in Bulgarien gebucht  worden . Jetzt
war dieser Termin nun gekommen. Arno hatte Urlaub , und pünktlich zum
Reisebeginn stiegen die Drei mit großen Erwartungen  in Berlin das erste
Mal in ein Flugzeug,   in eine kleine  I L- 14 , (Iljuschin 14) mit nur etwa
zwanzig Fluggästen. Besonders Christiane,  als einziges Kind an Bord ,
genoß es natürlich, sich von der Stewardess verwöhnen zu lassen.    Die
kleine Maschine mußte allerdings  zum Auftanken  auf halber Strecke ,  in
Budapest , zwischenlanden . Bis dahin  hatte es keinerlei Schwierigkeiten
gegeben.  Doch nach dem erneuten Aufstieg überfiel Dada ein
unstillbarer Brechreiz , der unvermindert anhielt, noch  über die Ankunft in
dem wunderschönen  Hotel , direkt  am  flachen Strand gelegen,  hinaus .
Da mußte sich Arno nun um den Empfang der Zimmerschlüssel kümmern.
Als endlich alles erledigt war, auch die Koffer gebracht worden waren  und
die Zimmer aufgesucht werden konnten,  war Christiane verschwunden .
Alles Suchen und Nachfragen blieb erfolglos, bis Dada einfiel, daß sie bei
der Ankunft  gleich neben dem Eingang , wo schon das Meer  begann ,
gesehen hatte, daß  dort etliche  Kinder im Wasser plantschten .    Und
tatsächlich !  Dort , im roten Schulkleidchen, plantschte sie begeistert mit!
Nach zwei Tagen hatte sich Dadas Magen endlich wieder beruhigt, und
nun folgten herrliche gemeinsame Urlaubstage , wobei Arno fröhlich
davon profitierte, daß er die drei täglich pro Person bereitgestellten  halben
Flaschen  wunderbaren Wein  allein genießen konnte.  Der Rückflug wurde
dann gut vorbereitet,  Dada schluckte beruhigende Medikamente, und nach
drei Wochen mußte nun zwar mit großem Bedauern, aber mit bester Laune
die Heimreise angetreten werden.  Schon während der Fahrt zum recht
primitiven Flugplatz  bezog sich der Himmel nach  vielen schönen
Sonnentagen  mit dunklen Wolken .  Jedoch  während des Fluges  wurde
es auch auch draußen vor den Fenstern immer dunkler,  bis plötzlich das
Flugzeug anfing zu schwanken,  Hagelkörner an die Scheiben schlugen
und  Blitze an den Fenstern vorbeiglitten.  Aus dem ruhigen Dahingleiten
war ein bedrohlicher Schaukelflug geworden. Der Pilot versuchte zwar,das
Gewitter zu überfliegen, aber da das kleine Flugzeug keine Sauerstoff –
Anlage hatte, waren ihm Grenzen gesetzt, zumal manche Passagiere schon
Atemprobleme bekamen und die Stewardesse alle aufforderte, nicht die
Augen zu schließen und zu schlafen. Sie hatte sonst kaum zu tun,  da den
meisten,   ängstlich in ihren Sitzen zusammengesunken,  der Appetit
vergangen  war.  Nur ein älteres Ehepaar und Christiane  vergnügten sich
unbeirrt an all den besten der guten Sachen, die fast umsonst für diesen
Flug vorbereitet worden waren. Doch schließlich kamen alle unversehrt
und gut wieder in Deutschland  und zu Hause an, und ihr Leben wurde
bald wieder von  den  alltäglichen  Anforderungen  bestimmt .

10. Kapitel          EINE  UNERWARTETE  VERLETZUNG
Ohne große Verschnaufpause hatte sich das Leben wieder in den
gewohnten Ablauf  eingefügt. Arno war wieder im Dienst und tagsüber
kaum zu Hause, und Christiane  stromerte draußen herum. Dada war in der
Küche beschäftigt,  als sie durch das zur Straße hin geöffnete Fenster von
unten her ihr Kind so furchtbar schreien und weinen hörte, wie sie es
noch nie gehört hatte .  Schreckerfüllt rannte sie nach draußen , wo ihr
Christiane  schon ihr blutüberströmtes Ärmchen entgegen  streckte.  Sie
hatte auf der angrenzenden  Feldwiese gespielt, als ein Nachbarjunge seine
stets draußen an seiner winzigen Hütte angekettete Dobermannhündin
einmal  dort laufen ließ, und die hatte von hinten zugebissen.  Zum Glück
hatte Arno gerade in der nahen Ambulanz Sprechstunde. Dort konnte Dada
ihre Kleine  trotz ihres  schon beträchtlichen Babybauches  tröstend
auf den Schoß nehmen, die sich  nun ohne jeden Widerstand  die  Wunden
versorgen -,  und sogar einige Rißwunden von ihrem  Papi  zunähen ließ .
Bis zum Schulbeginn war alles wieder wunderbar zugeheilt   und  später
verrieten kaum noch Narben die bösen Verletzungen .

11. Kapitel  DIESMAL EIN  KLEINES  NEGERLEIN !
Nun war es November.- Aus Christiane war inzwischen  eine aufgeweckte
kleine  Schülerin geworden, die den Eltern keinerlei Sorge bereitete.
Dafür aber um so mehr das erwartete zweite Kind, das keinerlei Anstalten
machte. auf die Welt zu kommen, obwohl die berechnete Zeit schon
überschritten war.Auch  eine Autofahrt über holprige Feldwege, dann
sogar  Injektionen zur  Weheneinleitung , brachten  keinerlei Erfolg  Eine
Klinikgeburt war unumgänglich geworden . So fuhr das  Ehepaar
am Wochenende zu einem befreundeten Geburtshelfer, Chef einer Klinik
in   Eisenach. Hier nochmals  ein vergeblicher Versuch  mit Wehenmitteln.
Als Arno schließlich  am  Sonntag Abend mit dem Einverständnis zur
Operation nach Hause fahren mußte schlug Chefarzt Dr.Pein vor,  man
könne  vielleicht  noch ein Hausmittel versuchen  -  Rhizinus !  Dada
akzeptierte  es  ohne  Bedenken, denn  sie hatte sich  in der Hungerzeit
nach dem Krieg  mit dem Rhizinusöl  aus dem Medikamentenschrank
ihres Vaters heimlich Bratkartoffeln  gebraten  und hatte diese erstaunlich
gut vertragen. Dann wurde es Nacht,  es setzte Durchfall ein,  und nun , mit
seinen  Begleiterscheinungen  auch die Wehentätigkeit !  Gegen  Morgen
war es wirklich  endlich so weit – ein  kleines Mädchen , Franziska, war
gesund  zur  Welt  gekommen.
Als es hell wurde, offenbarte der Blick nach draußen eine andere
Neuigkeit :  Es schneite  in dicken Flocken, und der Schneefall
hatte während der Nacht schon so heftig eingesetzt, daß der Verkehr über
den Thüringer Wald bereits gesperrt werden mußte. Besuche aus der
Rhön waren also nicht mehr möglich . Aber die Hebamme rief gleich am
frühen  Morgen in Unterbreizbach an, um dem glücklichen Vater zu
gratuleren,  während  Arno gerade in Begriff war , Christiane  vor der
Sprechstunde  noch schnell  zur  Schule zu fahren  So konnte  sie die
frohe Botschaft nun gleich  mithören, bei der von einem gesunden und
ganz schwarzen  kleinen Mädchen die Rede war,  und daß es Mutter und
Kind  sehr gut gehe. Abends  dann  rief ihre  Klassenlehrerin an: Sie wolle,
inzwischen  wohl auch im Namen des ganzen Dorfes,vielmals gratulieren!
Christiane  nämlich wäre heute  Morgen ganz außer sich vor Freude in ihre
Klasse gestürmt  und habe begeistert  gerufen : „ Ich hab‘ heute Nacht ein
Schwesterchen gekriegt !“   Aber diesmal ist es ein kleines Negerlein !!“


DER  TRAGISCHE  TOD  VON  PETER  R:   (VORABDRUCK!)
Es war ein Montag, - der  6.Juli 1981.
Der damalige Ortsparteivorsitzende der SED (Sozialistische Einheitspartei
der DDR)  des  Ortes Unterbreizbach  war schon am frühen Morgen , vor
der Öffnungszeit des Amtes , in seinem Dienstzimmer im Gemeindeamt  ,
um einige Schriftsachen ungestört erledigen zu können, Er hörte, daß vorm
Haus  ein Auto hielt, sah nun, daß es ein Polizeifahrzeug war und daß zwei
Verkehrspolizisten ausstiegen und ins Haus kamen. Dann klingelte es .
Da er noch allein im Amt war, öffnete er und erfuhr nun von den
Polizisten, daß sie  auf der Suche seien, um die Identität eines unbekannten
.Toten zu klären. Der Polizei wäre kurz nach Mitternacht von einem
Grenzoffizier, wohnhaft in Pferdsdorf, Dienststandort in Buttlar,der  mit
einem Motorrad in  Richtung Vacha  unterwegs gewesen sei, gemeldet
worden, daß  er  auf der etwa fünfhundert Meter langen, geraden
und übersichtlichen  Verkehrsstraße, kurz vor Schacht 2  und Sünna, einen
bewußtlosen Jugendlichen quer auf der Straße liegen sah.  Im
Gegenverkehr habe sich gerade ein Motorrad genähert , während  er im
Rückspiegel  gesehen  habe,  daß sich von hinten ein PKW  mit
ziemlicher Geschwindigkeit  näherte.. Daher wäre er links an dem
Liegenden vorbei gefahren, habe gewendet  und  dem PKW entgegen
als Warnsignal, auf dem Motorrad sitzend,   auf-  und  abgeblendet.
Das Auto habe daraufhin  zwar  abgeblendet, verminderte aber seine
Geschwindigkeit kaum.  Da es dadurch nicht rechtzeitig  zum Halten
gebracht werden konnte, überrollte es das Unfallopfer  und fuhr, ohne
anzuhalten,  weiter und davon. -  Es wäre ein heller Trabant gewesen . -
Da der Jugendliche aus Unterbreizbach stammen könnte, zeigte einer der
Polizisten  nun  Günter Rudolph  ein Foto des Unfallopfers :
¬¬Er erkannte seinen eigenen, jüngsten Sohn Peter.
Mit zwei Freunden fuhr G.Rudolph umgehend zur Unfallstelle .Sie fanden
im Abstand von wenigen Metern dort zwei Blutlachen auf dem Asphalt.
Lag er schon verletzt auf der Straße? - Vor ihnen hatte die Spurensicherung
schon die Plastesplitter eines Nebelscheinwerfergehäuses  sichergestellt .
Man suchte und fand jetzt schnell einen dunkelgrünen Skoda, und konnte
dessen Fahrer der Fahrerflucht überführen.  Es war ein zweiundzwanzig
Jahre  junger Mann aus Vacha, der mit dem Auto seines Vaters eine
Tanzveranstaltung in Kranlucken besucht hatte.
Es folgte die Reproduktion des Unfalls,  zu welcher der als Zeuge geladene
Grenzoffizier  Klose aber  nicht erschienen war, sondern dann erst  aus
Pferdsdorf  geholt werden mußte .
Er wurde am nächsten Tag  nach Erfurt versetzt .
Am  11.Sept.1981  fand in Bad Salzungen
die Gerichtsverhandlung  gegen den Unfallverursacher  statt.
Die Familie Rudolph  hatte die mit ihnen befreundete D.Nennstiel  mit
der Pflichtverteidigung betraut.  Sie  begann  ihr Plädoyer  wie folgt   :
In der Nacht vom  6. zum 7. Juli  dieses Jahres  wurde ein junger Bürger
unserer Gemeinde aus seinem hoffnungsvollen Leben gerissen, wurde  das
Glück seiner Familie für immer tiefgreifend  getört .
Peter Rudolph stand als Auswahltorwart  der Fußballjugend  und als
DRK – Helfer  mitten im gesellschaftlichen  Leben. -  Ich selber habe ihn
als hilfsbereit und zuverlässig schätzen gelernt,  ob es nun um die
Übernahme einer Theaterrolle , oder  um Kohlenhereinschippen ging.
Aber nicht nur die Fassungslosigkeit über seinen Tod,  sondern die
Skrupellosigkeit, der Peter zum Opfer fiel,  bewegt und erregt  die
Menschen unseres Ortes , und sicher nicht nur diese . - - -
Folgendes Unfallgeschehen  vom  6.Juli  1981  wurde ermittelt:
Der  17-jährige  Peter Rudolph  verabschiedete sich  gegen  23.30  Uhr an
der Bushaltestelle in Borsch nach einer Tanzveranstaltung von seiner
Freundin Anneliese, um nach Unterbreizbach nach Hause zu laufen , in der
Hoffnung als Anhalter irgendwann mitgenommen zu werden . Ein erster
angehaltener  Grenzsoldat  durfte ihn auf Dienstfahrt nicht mitnehmen,
aber dann nahm ihn ein Mopedfahrer bis nach Buttlar mit. Beide sagten aus, daß Peter nicht betrunken und gesund gewesen sei und unaufdringlich
gewunken  habe.  Kurz vor Mitternacht  wurde er dann von Offizier Klose ,
bewußtlos auf der Straße liegend,  gefunden, während sich aus Richtung
Vacha ein zweites Motorrad mit dem  Mitarbeiter des Kraftverkehrs, Marr,
näherte, den Unfall  verfolgte und der später allerdings aussagte, Klose
habe am Straßenrand
gegenüber,bei  abgestelltem Motor, neben seinem Krad stehend, geblinkt.
Ein nachfolgender  Pkw , der auf das Blinken zwar abgeblendet, aber kaum
die  Geschwindigkeit verringert hatte, und daher, trotz der festgestellten
6,1 m  langen  Blockier- ,  und  6,o m langen  Schleuderspur  nicht
rechtzeitig zum Anhalten  gebracht werden konnte. überrollte  nun  den
Bewußtlosen,  der etwa eineinhalb Meter durch die Luft zur Seite
geschleudert wurde.   Klose verließ jetzt  den Unfallort, wo nun Marr
verblieb , und fuhr selbst, um den Unfall zu melden .  Aber nicht zu dem
in Sichtweite liegenden  Schacht 2 , sondern zu seinem Standort in
Buttlar, von wo er  erst nach ungefähr zwanzig Minuten  zurückkehrte.Der
geflüchtete Fahrer war nach Hause gefahren, wechselte den beschädigten
Scheinwerfer aus und fuhr zum Tanz nach Kranlucken zurück,  zweimal
vorbei am Unfallort ,wo er anhielt , nicht etwa,  um  sich zu stellen ,
sondern wo er sich nach dem dort  Geschehenen  erkundigte.
Am nächsten Morgen am Arbeitsplatz  äußerte er bei  Diskussionen:
„Das Schwein müßte man aufhängen !“
Die Autopsie ergab , daß durch die schwere Gehirnzerstörung  der Tod
sofort eingetreten sei. Die Straftat  „Unterlassene Hilfeleistung“  entfiel
damit. Doch warum lag Peter bewußtlos auf der Straße?  Schockmerkmale,
welche  im Blut festgestellt wurden, können sich nicht erst nach dem Tod
gebildet haben . Es war aber  nicht  nachzuweisen, ob die  Zertrümmerung
des Schädels  durch nur einen oder eventuell zwei Unfälle verursacht
wurde. Andere Verletzungen aber konnten nicht nachgewiesen werden.
Peter könnte von einem Fahrzeug abgerutscht und hinterrücks auf die
Fahrbahn geschlagen sein ? Kam Offizier Klose eventuell nicht zufällig am
Unfallort  vorbei, sondern war er dort vorher bereits  Zeuge eines Unfalls?
Diese Frage an ihn konnte nicht gestellt werden,  denn auch zur
Gerichtsverhandlung  fehlte er unentschuldigt. Ein Besucher hatte ihn
allerdings  im Erdgeschoß des Gerichts gesehen, wie er nach Erfurt
zurückgeschickt wurde, weil er nicht  benötigt würde.
Sein Wissen war offenbar nicht gefragt.  Auch kam die  zweite Blutlache
garnicht zur  Sprache.  Die Urteilsverkündung wurde vertagt ,
das spätereUrteil dann zur Bewährung ausgesetzt.
Eine  von Familie Rudolph beantragte Kassation wurde abgelehnt.

P E T E R
13.04.1964  -  06.07.1981

Die Sinne fassen’s  nicht .
Wenn  sie’s  auch unerbittlich wissen ,
daß ,  kaum uns neu geschenkt ,
Du nun für immer fort von uns gerissen !
Dein Abschied, flüchtig nur,
für kurze Zeit, ein Gruß im Gehen ,
wurd‘  jäh für Ewigkeit !
Ein  letzter Abschied ohne Wiedersehen .
Die Zeit mag Wunden heil’n , -
Doch nie wird sie vertreiben
Dein Bild !   So.  wie Du gingst ,
froh, strahlend jung,
so wirst Du bei uns bleiben !

Zum    5. /  6.   Juli   1981
In tiefer Anteilnahme und Verbundenheit   (DND)


12.Kapitel           FRIEDELS  HOCHZEIT  IM  HOTEL  ADLON
Die sechs Merkerser Geschwister  aber  waren nun geteilt , drei DDR - ,
und drei  BRD-Bürger ,  und seit dem Mauerbau  am 13.August 1961
getrennt .Aber nun wollte Friedel heiraten,  und das Familienleben  sollte
ja  erhalten bleiben und gepflegt werden. Da war das jetzt  ebenso geteilte
Berlin , den Eltern  seit ihrer dortigen Studienzeit  sowieso zweite Heimat ,
in den Mittelpunkt gerückt.  Das Hotel Adlon,  1907  gleich  östlich  hinter
dem  „Brandenburger Tor“  mit Unterstützung  von Kaiser Wilhelm  II.  als
modernstes und mondänstes  Hotel  Deutschlands  von Lorenz  Adlon
gegründet,  war 1945  bis auf einen Seitenflügel zwar abgebrannt, der aber
wurde in der alten Ausstattung, auch mit einigen  Hilfskräften dieser  Zeit ,
weitergeführt,  und war nach Errichtung der Mauer  in die  H O -Hotelkette
der  DDR  eingegliedert worden . Doch „Adlon“  konnte immer noch vom
alten Nimbus ,  etwas Besonderes für seine Gäste zu sein,  einen Hauch
bewahren.     Seine gepflegt-familiäre Atmospäre wurde nun  der Treff-
und   Mittelpunkt  der zerstreuten  Familie ,  und als Friedel  ihren
Studienfreund  Pepe  heiraten  wollte ,  wurde die Hochzeit  kurzerhand
nach Berlin  und die Feier ins Hotel Adlon verlegt.
Hier trafen  Friedel, die in Wolfsburg  standesamtlich schon getraut
wurde,  mit Schwester Moni  am Vortag ein, um das Fest vorzubereiten .
Zuerst die kirchliche Trauung . Doch als sie die nächstgelegene Kirche
erreichten,  standen  sie vor einer Ruine.  Glücklicherweise  waren da aber
gerade  kirchliche  Amtsträger zugange , die sie an den Pfarrer  der
benachbarten   „Golgatha – Kirche“  verwiesen.  Und tatsächlich -  der
Pfarrer erklärte sich sofort  bereit,  die Trauung am nächsten Vormittag
dort durchzuführen. Am Abend waren alle Gäste bereits  angereist, hatten
sich zum Abendessen im Restaurant des Hotels eingefunden  und  das
Geschirr wurde schon abgetragen,  als der Küchenleiter  mit  Beikoch in
vollem Ornat , begleitet von den Kellnerinnen,  zum  Tisch kamen  und
das Brautpaar  in den angrenzenden  Küchenkomplex  entführten  .
Ehe die verwunderten Gäste ihrem  Erstaunen  noch Ausdruck verleihen
konnten , erschallte aus der Küche ein ohrenbetäubender Lärm ,  Klirren
und  Scheppern .  Die Erklärung  erfolgte erst,  als die beiden  Brautleute
fröhlich und glücklich aus der Küche zurückkamen :
Ihr Abendbrotgeschirr wurde heute Abend nicht abgewaschen , sondern
in bester Laune zerdeppert,  -  denn,  wenn das junge Paar  seine Hochzeit
schon  nicht zu Hause feiern könnte, sollte ihnen wenigstens  ein  zünftiger
Polterabend das große gemeinsame Glück sichern.

13.Kapitel     
EIN  FAHRRADUNFALL AM  „FREIEN  SONNTAG“

Vor  Kurzem  hatte Arno von seinem Nachbarn sein erstes Auto, einen
mehrere Jahre alten „Wartburg“,  zu einem,  damals ungewöhnlichen,
fairen Preis kaufen können, hatte es in die Garageneinfahrt gestellt  und
war an seinem freien Wochenende nun gerade bei der ersten Autowäsche,
als oben in der Wohnung das Telefon klingelte,  und dann eine aufgeregte
Pferdsdorferin  Dada beschwor :“ Der heute diensthabende Arzt ist zum
dringenden Hausbesuch unterwegs  und nicht erreichbar. Meine Tochter
ist aber gerade mit dem Fahrrad schwer gestürzt! “ Als sie nachfügte:
„Sie ist über die Lenkstange gefallen und hat jetzt große Schmerzen im
Bauch – kann Ihr Mann sofort herkommen??“  ,  da schrillten bei Dada
die Alarmglocken : -  Könnte es die nicht unbekannte Kombination ,
ein Milzriß nach Fahrradlenkstangen-Unfall,  sein? -   „Er ist zwar gerade
hier beschäftigt,  aber er  wird , so schnell es geht,  kommen“,  beruhigte
sie die Mutter bedenkenlos .  Sie kannte ja ihren Mann, der nun, auf ihren
Zuruf hin,  alles stehen und liegen ließ,  in seinen Arbeitsklamotten in sein
wassertriefendes Auto  stieg  und nach Pferdsdorf  fuhr.  Der Verdacht
bestätigte  sich.  Er konnte den Chefarzt des Krankenhauses  in Vacha, Dr.Hanf, schon zu Hause informieren und fuhr das Kind umgehend, da kein Krankenwagen sofort verfügbar war, dorthin. -    Es endete nun alles  gut !
14. Kapitel        SYLVESTER  BEI  FAMILIE  DR.  HANF
Die intensive berufliche Zusammenarbeit zwischen  Dr.Herbert Hanf, dem  neuen  Chefarzt im Vachaer Krankenhaus , und  Arno.  führte schon bald zu einem freundschaftlichen Verhältnis , welches sich auch auf die beiden Familien ausweitete .Es wurde eine herzliche, lebenslange  Freundschaft, welche mit der Einladung zu einer gemeinsamen Sylvesterfeier zu Hause bei Familie Hanf  in  Vacha  begann.  Beide Familien hatten zwei Kinder in fast gleichem Alter,  und Mutter Margot war von Beruf Bibliothekarin,  -  die  familiären Interessen der beiden Ehepaare lagen  also eng beieinander.  So begann man also gemeinsam den letzten Abend des Jahres bei einem, von der ausgezeichneten Köchin Margot liebevoll vorbereiteten leckeren  Abendessen, in lebhaftem Gespräch, als das Telefon läutete .  Am Apparat wurde die Miene von Dr.Hanf immer ernster: „Wir kommen sofort!“  ,  und an Arno gewandt :“ Herr Kollege, könnten Sie bitte  mitkommen?  Im  Bahnhof ist ein Rangierer mit einem Bein unter den Zug gekommen . Es muß amputiert werden.“   -   Hastiger Abschied.  -    Erstweit nach  nach Mitternacht,  das  neue Jahr  hatte  inzwischen bereits begonnen,  kamen die beiden Ärzte  in sichtbarer Verbundenheit,  sie duzten  nun einander, zwar  recht mitgenommen,  doch auch mit Zufriedenheit und Erleichterung  zurück.  Nach dem ersten Schock über das schreckliche Unglück und Leid,   das  den Rangierer und seine Familie  so unverhofft betroffen hatte, war dann die Operation  ohne Zwischenfälle verlaufen und es bestand für ihn keine Lebensgefahr mehr. Auch die beiden  Frauen und die Kinder hatten sich in der Zwischenzeit  bestens  verstanden  und beim baldigen Abschied waren alle davon überzeugt,  daß sie sich  in diesem neuen Jahr oft wiedersehen würden .

15. Kapitel        
1965  - Aller  GUTEN  DINGE SIND DREI ! ANTONIA

Das familiär so ereignisreiche neue Jahr  begann gleich am folgenden Tag
mit der Hochzeit von Moni.  Nachdem Zwillingsschwester Eugenie  zwei
Jahre zuvor  mit noch nicht ganz achtzehn Jahren ein Baby von ihrem
Freund Axel erwartet hatte , wollte das junge Paar möglichst schnell
heiraten, und da in Unterbreizbach schon die Taufe von Franziska  und
Christiane vorbereitet wurde, hatte es sich kurzerhand  dieser  Feier
angeschlossen.

Im Sperrgebiet  allerdings  ohne die Geschwister aus dem
Westen.  Nun inzwischen mußte Monis Klassenkamerad und Freund
Michael  seinen Wehrdienst ableisten,  und da Verheiratete öfter Urlaub
bekamen, wollten  auch sie jetzt heiraten.  Jedoch als Soldat durfte
Michael keinerlei Kontakte  zu Westbürgern  haben.  So wurde es auch
bei ihnen  nur eine kleine Hochzeitsfeier in  Bad Salzungen .


Für den Herbst dann kündigten sich neue Ereignisse an:  Dada und auch
Moni erwarteten Nachwuchs. Bei Dada hatte sich ein recht großes Kind
angekündigt und man hatte die Geburt daher im Vachaer Krankemhaus
vorgesehen, obwohl der Gedanke an die eventuelle Anwesenheit  des
neuen  Freundes der Familie, Dr.Hanf, ihr nicht gerade gefiel. Sie
nahm  sich aber schon vor,  erst kurz vor der Geburt zum Krankenhaus
aufzubrechen .

Der dritte Septembermorgen hatte begonnen, als bei Dada
nun die ersten Wehen einsetzten, die sich den Tag über in immer kürzeren
Abständen wiederholten und so verstärkten,  daß sie um  Mitternacht schon
fürchtete, das  Kindchen könnte im Auto zur Welt kommen.  Doch selbst
nach ihrer Ankunft im Kreißsaal war es noch immer nicht  so weit .
Es wurde sechs Uhr , die Frühschicht traf ein und  die Hebamme
wechselte.

Dann,  gegen  neun Uhr, schaute auch Dr.Hanf  herein .  Alles
war  in Ordnung. Endlich,  kurz nach elf Uhr,  hatte sich das ersehnte neue
Menschenkind  auf die Welt gekämpft :  Ein kleines Mädchen  von fast
achteinhalb Pfund,  gut ein ganzes Kilo schwerer als seine beiden,  früher
geborenen Schwestern !  -  Das Dreimädelhaus  war komplett .

Als Mutter und Kind später in ihr Patientenzimmer gebracht worden
waren,  in  dem schon eine Wöchnerin lag, die am Vortag auch ein
kleines Mädchen  geboren hatte, wurde gleich nach dem Namen des
Säuglings gefragt.  Dada wagte kaum, den , ach so altmodischen  Namen
anzugeben. Jedoch  der Heilige Antonius, der nicht nur hilfsbedütftigen
Menschen - , sondern auch Tieren half und sie betreute,  und der,  wie man
es  überlieferte,  sogar sein Schwein mit in den Himmel nahm, sollte  eine
würdige  Lebensleitfigur für ihre kleine Tochter  werden : „Antonia “, ihre
leise Auskunft.  Aber welch Überraschung!  Ihre unbekannte Mitpatientin
war wie elektrisiert : „ Antonia ?  So ein schöner Name !!  Warum ist mir
der nicht auch eingefallen ?  Ich werde sofort versuchen, meine Kleine
umzubenennen !“   Aber sie hatte keinen Erfolg.    Und so blieb der kleine
Nimmersatt, der bereits nach  der ersten  Woche beim Stillen  kaum mit
achthundert Gramm Muttermilch zufrieden war, die einzige ANTONIA .

Zwei Wochen später brachte auch Moni ihren kleinen Jan zur Welt, und
nach Töchterchen Gerjet folgte bei Franz und Ilse im Frühjahr  Söhnchen
Clemens. Michael war von der Armee zurück.So gabs im Berliner„Adlon“
wieder eine gemeinsame Feier: Die Taufe von vier Kindern der Familie !


16.Kapitel       
N E U-  D I E  S T A A T L I C H E    A R Z T P R A X I S
Fast unmerklich hatte sich in diesen fünf Jahren die Eingliederung der
Familie in die Dorfgemeinschaft vollzogen.  Außer als Arzt hatte Arno
durch seine musikalischen und sportlichen Ambitionen, er betreute die
Fußballmannschaft des Ortes, viele Freunde gewonnen, wie auch  Dada,
die zu Beginn ihrer Lehrertätigkeit in den Gemeinderat gewählt wurde ,
und hier die Verantwortung für die Kulturarbeit im Ort übertragen bekam.


So vereinten beide ihre Hobbies zu einer lebenslangen Gemeinschaft
mit dem Ziel,  vorallem den Kindern  und alten Menschen mehr
Lebensfreude in dem isolierten  Grenzdorf zu ermöglichen.

Sie traten in
den hiesigen Kulturbund ein, der bisher nur aus Briefmarkensammlern
bestand, die dadurch bevorzugt  Sonderausgaben erwerben konnten, und
organisierten hier nun  ehrenamtlich , um allen  Genehmigungshürden
aus dem Weg zu gehen,  Kinderfeste, musikalisch-literarische Abende  und
andere Veranstaltungen mit großer Unterstützung durch die Gemeinde und
dem Bürgermeister Heinz Welsch,  dem Kaliwerk und vielen selbstlosen
Helfern.      In gleicher Zeit wurde hinter dem nahen Nachbardorf  Sünna
eine zweite,  zum hiesigen Kaliwerk gehörige Förderanlage  fertiggestellt ,
die im Folgejahr in Betrieb genommen werden sollte.

Ein zweiter Arzt
wurde dadurch erforderlich ,  und man entschloß sich, für die Einwohner
eine gesonderte Einrichtung zu eröffnen,  eine   „Staatliche Arztpraxis“.
Arno blieb die Entscheidung überlassen, wo sein künftiger Arbeitsplatz
sein sollte.  -  Als leitender Arzt einer Ambulanz der Großindustrie mit
mehreren Angestellten war das Gehalt natürlich  um  einiges attraktiver.


Aber dafür war er in der Dorfpraxis mit nur einer Hilfskraft,  vorgesehen
damals allerdings nur eine Hilfsschwester für vier Stunden täglich, völlig
unabhängig, und der Jugendtraum  des Ehepaars erfüllte sich: Sie könnten
gemeinsam arbeiten  und die neue Praxis ganz nach ihrenVorstellungen
gestalten. Auch für Dada, die inzwischen ihre Lehrerprüfung in Erfurt
bestanden hatte und nun Lehrerin und  Beamtenanwärterin war,  würde
der Wechsel  recht verlustreich sein .

Doch die Gemeinsamkeit war beiden
wichtiger: Arno entschied sich für die Dorfpraxis. Die Gemeinde räumte
sogar ihr Amtsgebäude für sie, und sie konnten dessen Räume nach ihren
Vorstellungen gestalten. Besondere Freude machte es ihnen, daß sie sogar
ein extra Kinderwartezimmer mit Baby- Ställchen und kleinen Möbeln
einrichten konnten.   Für die kranken Pferdsdorfer  Kinder und alten
Menschen  jedoch hatten sie die Idee, um ihnen die Busfahrt zu ersparen,
da die meisten ohne verfügbares Auto waren, in den beiden Räumen,  die
für die Säuglingsberatung  zur Verfügung standen und sonst nicht genutzt
wurden,  unbezahlt zweimal wöchentlich darin Sprechstunden  abzuhalten.


Zwar riet ein gerade scheidendes Pferdsdorfer Ehepaar dringend davon ab :
„Wie lange wollen Sie das durchhalten? Haben werden Sie davon nur Ihre
Fahrtkosten. Oder glauben Sie etwa, daß Ihnen das jemals jemand dankt?!“
Doch als der Bürgermeister wie zu erwarten  gerne zustimmte , und der
jederzeit  hilfsbereite  Schmied  Lunne – Emil  sich als Bote anstelle des
fehlenden Telefons anbot, konnte diese so erweiterte  Praxis  für dreiundzwanzig  Jahre  offiziell  am ersten  Januar   1987  feierlich
eröffnet werden.


17.Kapitel    
IN   U. BACH  GIBT’S    JEtZT  KARNEVAL

Die neue Dorfpraxis,  in welche insbesondere die Kinder möglichst ohne
Angst kommen sollten, war bereits bestens angelaufen.  Arno arbeitete
deshalb ohne weißen Kittel ,  und  bewährt hatte sich auch die sehr
unterschiedliche Gestaltung  der beiden, nur durch eine Schiebetür
abgetrennten  Behandlungsräume.  Arnos Zimmer war, wie üblich ,
mit weißen Möbeln ausgestattet  , wobei die Untersuchungsliege
hinter einem Vorhang in einem kleinen Erker stand

Die Kinder  blieben
jedoch meistens im Eingangszimmer,  in dem eine hellbunte Sofaliege
stand,  sowie der eigene Bücherschrank,  hier  für Medikamente, Verbands-
und  Spritzenmaterial , doch  im Mittelteil eine Glastüre, hinter der  man
allerlei  bunte Dinge  bewundern konnte. Dazu noch ein Aktenschrank,  auf
dem eine,  natürlich  schnell bekannte und beliebte,  Bonbondose stand .

So  geschah es eines Tages, daß die kleine Ute, die schon eine Weile
ihre Oma täglich aus der Larau zur „Herzspritze“ begleitete, und als diese
schon bereit saß,  sie laut und deutlich,  damit es nur ja auch Dada  hörte ,
informierte: „Da oben stehn‘ se,  gell Oma,  da oben stehn‘ se !!“  Dada
erklärte ihr nun, daß  jedes Kind, was beispielsweise  bei einer Spritze
brav wäre und nicht zappeln würde,  so ein Bonbon bekäme . Sie hatte
kaum ausgeredet , da lag die Kleine schon bäuchlings auf dem Sofa :
„Ich  tu  mein Höschen schon runter !“

Wenige Tage danach gab es noch
eine freundliche Episode : Der kleine Patient Ralph wurde von seiner
Mutter aufgefordert, „auf Wiedersehen“ zu sagen.  Unversehens sprang er
Dada auf den Arm und verabschiedete sich mit einem dicken Schmatz .
Eines Abends jedoch,  es war der  16.März 1967 , und Arno war nach  den
Hausbesuchen  gleich  zum  Fußballtraining  gefahren,  kam er
ungewöhnlich  spät und fröhlich  von dort zurück und verkündete Dada ,
daß er gerade Mitglied des  K C U   geworden  sei .

Dieser
Karneval-Club-Unterbreizbach   sei am 24.Februar 1967  mit erstmal
insgesamt  dreizehn  Mitgliedern gegründet worden. Zwar hatte  schon ein Jahr zuvor der Bergbauingenieur  Ernst  Geck ,
der nimmermüde Unterstützer des Breizbacher Sports , vergeblich
versucht, zusammen mit den Sportlern die Karnevalbegeisterung  seiner
Heimat  Westfalen  in Unterbreizbach  zu entfachen.

Jedoch vier der aktivsten  Fußballer  hatten diese Idee noch nicht
aufgegeben  und sie  gründeten einen Verein.   Als Präsident  hatte Walter Rosenau  die Zügel ergriffen,  und  der talentierte  Adolf  Heyer hat
dann  die  Aufgabe  übernommen, eine kleine männliche Gesangsgruppe,
die Hofsänger des Prinzenpaares,  aufzubauen  und zu leiten.   Auf  seine Frage und Bitte,  ob ich mitmachen  und die musikalische Begleitung
übernehmen würde, habe ich natürlich   ja  gesagt , denn  du machst ja bestimmt auch mit !?  Jedoch   Dada war gerade zur Vorsitzenden  der
Breizbacher  Kulturbundgruppe gewählt worden   und glaubte sich voll ausgelastet: „Aber wo ich kann, unterstütze ich euch ! , ihr  Versprechen .

Vor der Premiere  am 11.11.1967 begleitete sie Arno dann ins Kulturhaus
zur Generalprobe . Doch dort herrschte aufgebrachte Stimmung. Im Dorf
hatte es heftige Aufregung darüber  gegeben,  daß sich  Respektpersonen
hier zum Narren  - ,  und zum Gespött  der Leute machen würden.

Da gab es für Dada kein Halten mehr und kein besseres Gegenargument,
als nun doch mitzumachen . So wurde sie an diesem Abend mit noch sechs
anderen, darunter zwei Lehrern, auch Mitglied des KCU.   Zu Hause
machte sie dann zu dem bekannten  Karnevallied  „Heile, heile Gänschen“
zwei entsprechende  Zusatzverse und übte noch kurz mit Arno :

Das Leben geht so schnell vorbei,
man hat es nur einmal !
Und trotzdem macht’s manch Ehe sich
zur bitt’ren  Höllenqual.

Bedenkt,  bei allen Streiterein hat nie nur einer Schuld ,
versucht’s  nochmal,  recht lieb zu sein,  und habt etwas Geduld.
Denn ist es auch oft schwer zu zwein  -
viel  schwerer  ist es dann  allein !    Heile. Heile  Gänschen , -

In  U.bach gibt’s jetzt  Karneval,
und dort hat man entdeckt :
Das Narrenkleid  verträgt  sich  nicht
mit Ansehn und  Respekt !

Es gab darüber leider schon so manchen bösen Streit . Doch lohnt sich’s nicht, sich bös zu sein,
das regelt schon die Zeit !

In ein paar  Jahr’n  wirds  EHRE  sein, beim KCU dabei zu sein !!

-- -So wurde die Gündungsveranstaltung unerwartet für beide zum Debüt
als  „Musical–Duo“ ,  beibehalten  lange  als  „ Alte  Unterbreizbacher “.



19.  Kapitel
WOHNUNGSTAUSCH  UND  FENSTERSTURZ

Während der vorangegangenen Gesangsproben hatten der Star-Tenor
der Hofsänger,  Lutz Jung,  und Arno festgestellt, daß ihre jetzigen
Wohnungen  jeweils für den anderen beruflich wesentlich günstiger
wären, und sie hatten beschlossen, diese gleich nach dem Karneval zu
tauschen. Nun war der  Aschermittwoch nach den Aufräumungsarbeiten
mit einer begeisterten Abschlußfeier des Klubs zu Ende gegangen. Die
Freude über die vielen gemeinsamen Erfolgserlebnisse hatte sich zu
einem fröhlichen Elan gebündelt, mit dem man jetzt auch an den geplanten
Wohnungstausch ging, während aber auch die Arbeit in der Praxis wieder
erledigt werden mußte. Arno machte  Hausbesuche in Pferdsdorf, und
Dada war gerade emsig dabei, den  Hausrat für den Umzug vorzubereiten,
als ein Anruf vom Lindig ihre Tätigkeit jäh beendete: „Bei Heim‘s der
kleine  Bernd  ist eben aus dem Fenster im zweiten Stock gefallen !“ Sie
gab schnell Auskunft für weitere Benachrichtigungen, und da es sicher
etwas dauerte, bis Lunne-Emil den Arzt finden würde,  und sie inzwischen
ein eigenes Auto hatte, fuhr sie sofort mit Verbandszeug zum Lindig. Doch
Glück im Unglück:  Auf dem Hof befand sich unter dem Fenster ein großer
Misthaufen. Dadurch war der Kleine relativ weich und wohl auch günstig
gefallen. Er war zwar benommen, aber bei Bewußtsein, konnte Ärmchen
und Beinchen bewegen und hatte keine Wunden. Ein kleines Bügelbrett
zur Vorsicht als feste Transportunterlage war auch schnell zur Stelle.
Jedoch dann im Krankenhaus konnte man feststellen und alle beruhigen :
Alles ist in Ordnung, - dem Bübchen ist nichts passiert !
Am nächsten Tag fand dann in ungetrübt fröhlicher Stimmung, wie
vorgesehen, der Wohnungswechsel bei herrlichem Frühlingswetter
statt. Etliche Männer des KCU waren zum Helfen gekommen, und
Tanzmeister Hans Klöcker fuhr nun auf einem Laster mit offener
Ladefläche wechselseitig zwischen der Arztpraxis in der Neuen
Straße , in deren erster Etage Lutz Jung bisher gewohnt hatte, und
der Direktorenvilla in der Kornbergstraße, in der auch die Zahnstation
lag, die seine Frau als Zahnärztin leitete, hin und her , wo jeweils das
Gebrachte abgeladen, und das Neue aufgeladen wurde.
Als spektakulären Abschluß aber wurden auf der letzten Fahrt die
beiden Klaviere ausgetauscht, und ihre Pianisten Lutz und Arno gaben ,
während sie durch die Straßen fuhren, auf der Ladefläche ein
schmissiges  Abschiedskonzert,  wobei etliche der zahlreichen Zuschauer
am Straßenrand belustigt mitsangen .



20.Kapitel        EIN  HAUCH  VOM  „PRAGER  FRÜHLING“

Nun wohnten die Doktersch also in der ersten Etage über der Praxis. -
Für die Berufsarbeit und deren Verbindung mit den familiären
Erfordernissen zwar wesentlich günstiger, aber für die Kinder wegen
der wesentlich kleineren Wohnfläche nicht unproblematisch. Vorallem
Christiane, die bisher ein separates Bodenkämmerchen als ihr eigenes
Kinderzimmer gehabt hatte, fand es mit ihren fast vierzehn Jahren
unerträglich, daß sie sich nun ein kleines Kinderzimmer mit den beiden
jüngeren Schwestern teilen sollte. Also wurde nochmal umgeräumt, und
das Doppelstockbett der Geschwister am Fußende der Ehebetten im
Elternschlafzimmer aufgestellt. So hatte Christiane nun doch wieder ein
eigenes Zimmerchen, und die beiden Kleinen fanden den Zimmerwechsel
durchaus annehmbar, denn als erstes stellten sie fest, daß sie aus ihrem
oberen Bett in die Betten der Eltern hüpfen konnten, was sie natürlich
trotz der Ermahnungen ihrer, mit Recht um ihre Federkernmatratzen
besorgten Eltern, unermüdlich ausprobierten.

Doch mit der Zeit spielte
sich das Alltagsleben wieder ein,  und zum Ausgleich für dieses bewegte
Jahr  hatten die Eltern für den diesjährigen Urlaub eine lange,gemeinsame
Fahrt in die Tschechei vorgesehen.

Als sie kürzlich von Dr. Hanf  zu
einem Wochenendbesuch zum Kennenlernen seiner alten Heimat, die er
1945 mit seinen Eltern verlassen mußte, in die Gegend von Gablonz
eingeladen worden waren, wohnten sie dort nämlich in der Villa einer
deutschen Frau, die mit einem Tschechen verheiratet war und deshalb
bleiben durfte, und seit seinem Tod etliche Räume an Touristen vermietete.
Glücklicherweise konnten sie diese Räume für zwei Wochen buchen.

Die herrliche Umgebung, ein riesiger Kinderspielplatz an der einen - ,  und
eine kleine Buntglasfabrik an der anderen Seite des Hauses. von der einmal
täglich eine Werksbahn einige Waggons mit fertigem Glas zum Bahnhof
brachte, verhießen für die Kinder erlebnisreiche  Ferientage

Gleichzeitig
war die Tschechei aber auch politisch äußerst interessant geworden :
Alexander Dubcek wurde Anfang dieses Jahres 1968 in der Tschechei zum
Ersten Sekretär des Zentral-Komitees der Kommunistischen Partei gewählt
und sein erklärtes Ziel war es, dem Sozialismus ein menschliches Antlitz
zu verleihen und eine Demokratisierung sowie Liberalisierung seiner Partei
einzuleiten

In der DDR-Bevölkerung verfolgte man die Lockerungen oder auch die
Verbesserungen der strengen und starren Parteivorgaben für die Länder
des Ostblocks, die dort nun einsetzten, mit großer Sympathie und in der
Erwartung, daß sich diese positive Entwicklung jetzt ausweiten würde.
So waren alle gespannt, was sie in diesem anderen Land erleben
könnten und ertrugen klaglos die lange Fahrt, zumal sie sich die Zeit in
gewohnter Weise, - „Mama, noch eine Kanone!“, - mit  fröhlichen Liedern,
oft auch mit Kanons, in bester Stimmung verkürzten . Abends gut in ihrem
Ferienort angekommen, der  an einer Hauptverkehrsstraße zum nicht
sehr weit entfernten Prag lag, nahmen sie sich gleich vor, nach dem
Ausschlafen zuerst einmal in die Hauptstadt zu fahren.

Bei dieser Fahrt fiel
es ihnen allerdings auf, daß ungewöhnlich viele Truppenteile unterwegs
waren.

In Prag erwartete sie ein für sie unheimlicher Verkehr, der auf
den Fahrstraßen ins Zentrum immer dichter wurde und als sie an einen
Kreisel gelangten, packte sie die Angst, sie wechselten auf die Gegenspur,
um lieber wieder zurück zu fahren und sich auf dem Spielplatz zu erholen.
Dort knüpften sie dann schon erste Kontakte, denn die Menschen waren
fröhlich und aufgeschlossen, und sogar die vorbeikommenden Arbeiter
der Glasfabrik grüßten sie und luden zur Besichtigung ein. Da es ja heute
erst der 20. August war und sie bis zum Monatsende bleiben würden,
nahmen sie sich das auch schon gleich für den nächsten Tag vor .

Doch das Wiedersehen verlief völlig anders :  Noch in der selben Nacht
wurde stürmisch von draußen an die Fensterscheibe geklopft : „Sie müssen
aufstehen, die Russen marschieren ein!“  Es waren Arbeiter aus der
Glasfabrik, die sie informieren-,  und ihnen helfen wollten.  Aber wie ?

Auf den Straßen rückten fremde Truppenfahrzeuge ein, die sich rigoros
Platz machten, und auch Benzin war nicht mehr zu bekommen. Die eigene
Tankfüllung würde allerdings noch gerade bis zur Grenze reichen.Aber die
Nebenstraßen dorthin kannte niemand.

Die Männer schlugen vor, da es
noch andere Besucher gäbe, für nächste Nacht einen Konvoi zu bilden, der
durch einen Tschechen zur Grenze gelotst würde.     Inzwischen wurde es
hell.

Draußen sah man die ersten Waggons der Werksbahn vorbeigleiten,
An jedem flatterten schwarze Fähnchen und alle waren riesig beschriftet
mit den beiden Namen  Dubcek und  Swoboda, während es nun aus dem
Lautsprecher nebenan im Werk. wie auch aus dem Radio, unablässig
tönte :        RUHE BEWAHREN !    NICHT  SCHIESSEN !!

Nun wurden die Kinder wach und Dada wollte versuchen, noch ein paar
Brötchen oder etwas anderes zum Essen zu besorgen.

In der großen Sorge,
auch die DDR hätte sich an dem Einfall beteiligt, empfand sie es zum
ersten Mal als große Bürde, Deutsche zu sein.

Aber keiner kümmerte sich
um sie. Jedoch das Städtchen schien wie ausgewechselt. Überall standen
hemmungslos weinende Menschen in Trauerkleidung zusammen,
schwarze Fahnen überall,  während es weiterhin pausenlos durch alle
Straßen hallte:  RUHE  BEWAHREN !  NICHT  SCHIESSEN !!

Die nächtliche Fahrt zur Grenze wurde dann recht aufregend. Man war auf
sein restliches  Benzin angewiesen und mußte mit einem Kriegsausbruch
rechnen,  denn im Radio wurde schon von Schießereien in Prag berichtet.

Auch hatte selbst der versierte Fahrtführer Schwierigkeiten, die kürzeste
Strecke zu finden, da manche Orte zum Schutz ihre Ortsschilder entfernt,
vertauscht oder umgedreht hatten. Aber zu guter Letzt erreichten sie alle
den Grenzübergang, konnten nun tanken und nach Hause fahren. Auch
erfuhren sie gleich hier, daß nicht weit entfernt die zwei  Divisionen der
DDR noch in Bereitschaft lägen, also glücklicherweise nicht mit
einmarschiert waren.

Später wurde noch bekannt, daß  schon am  18.August 1968
die  „ Ersten Parteisekretäre“  der kommunistischen  Partei -
Zentralkomitee‘s der Länder des Warschauer Paktes, - von Ungarn, Polen,
Bulgarien und Ulbricht von der DDR,  aber nicht Dubcek von Tschechien ,
nach Moskau zu einer Geheimsitzung gerufen worden waren. Indirekt war
Dubcek dadurch  natürlich schon gewarnt.

Die Truppenbewegungen
während ihrer Einreise waren also kaum ein Zufall gewesen,  sondern
Dubcek und seine Regierung hatte  offensichtlich wohl bewußt auf jeden
militärischen Widerstand verzichten wollen, um sein  Heimatland vor
Blutvergießen und Zerstörung zu bewahren.

Indes verbreiteten die Medien
der DDR , die tschechische Bevölkerung habe die fremden Truppen
als Befreier mit Jubel und mit Blumen begrüßt, obwohl ihre Regierung
sie vergeblich zum Widerstand aufgefordert hätte. Nun aber war sie es, die
nach Moskau fahren mußte, um die Doktrin anzuerkennen, die Breshnew
inzwischen auch schriftlich aufgestellt hatte, nämlich, daß die Souveränität
der sozialistischen Staaten des Ostblocks zugunsten der gemeinsamen
Ziele beschränkt sei.

Die vorzeitige Heimkehr  der  Familie  verlief  also recht zwiespältig.

Zu der großen Freude, wieder zu Hause und in Sicherheit zu
sein,  kam das Unverständnis über den bedrückenden Zwang, hier die
entstellenden Berichte nicht öffentlich korrigieren zu dürfen.

Aber es war
sehr wohltuend, daß ihnen noch gut eine Woche Freizeit zur Erholung und
zur Verarbeitung der  Ferienerlebnisse blieb. Jedoch dieser zwar so kurze ,
aber doch so eindrucksvolle Urlaubsabschnitt  blieb allen unvergeßlich .


21. Kapitel

EINE  FOLGENREICHE  HOBBY- AUSSTELLUNG


Ein interessanter Aufruf  Anfang des Jahres  1969  des Unterbreizbacher
Kaliwerkes ,  gemeinsam mit der Kreisleitung  des Kulturbundes ,  in der
Presse und auf Handzetteln ,   fand in der Belegschaft  und bei  der
Bevölkerung unerwartet großenAnklang  Jeder  Laienkünstler  könne sich
an einer im Oktober vorgesehenen Ausstellung  im Saal des Kulturhauses
mit seinen Arbeiten beteiligen  .   Die besten Exponate  würden  prämiert.
Gleichzeitig  wurde um Anmeldung gebeten.. Die Nachfrage war
so groß, daß sogleich ein Komitee gebildet wurde, um wegen  der
erfreulichen  Beteiligung  eine  ebenbürtige Abschlußveranstaltung
vorzubereiten, in welches auch Dada  als Vertreterin  von Kulturbund und
Gemeinde  berufen wurde. So wurde nun ein kleines  Festprogramm
geplant, ebenso von örtlichen Laienkünstlern gestaltet .Es meldete sich
nach einem zweiten Aufruf  eine große  Anzahl von Kindern, aber auch
passende Betreuerinnen  fanden sich. Die Ausstellung verlief  äußerst
erfolgreich .Es war erstaunlich, wieviel Phantasie und Geschicklichkeit
sich in den zahlreichen Exponaten offenbarte.  Auch das Programm der
Abschlußveranstaltung  gelang dann so  gut, daß nicht nur die Zuschauer,
sondern auch die Akteure  eine Weiterführung  wünschten . Besonders die
Kinder wollten weiter singen, tanzen und  turnen .  Da alle Betreuerinnen
weiterhin  bereit waren, ohne jede Vergütung  ihre  Arbeit  fortzusetzen,
wurde  nun ein Dorfklub gegründet  und die Gruppen  damit der Gemeinde
unterstellt.   Diese konnten   jetzt  jederzeit kostenlos  im  Saal  des
Kulturhauses proben .  So entstand ein Laien-Kinder-Ensemble,
dessen Name aus den beiden ersten Buchstaben der Namen seiner Träger
und seiner  Leiterin  zusammengesetzt  wurde .  .

Das  K U D O N E  -  K I N D E R   -  E N S E M B L E   ( 1970-1973 )

K U – lturbund       D O – rfklub       N E - nnstiel
welches in den folgenden Jahren außerhalb der Karnevalzeit zur Belebung
zahlreicher Veranstaltungen  beitrug.

Die Programme wurden je nach dem
Anliegen der Veranstaltungen   immer neu zusammengestellt.  Lediglich
das  eigene  „Abschiedslied“  wurde nach jedenm Auftritt zum Schluß
gesungen. Erstaunlich war immer wieder die freiwillige Disziplin der etwa
hundertundzwanzig  Kinder.  Es gab keine Anwesenheitslisten,  doch nie
fehlte ein Kind bei Proben oder Auftritten.  Erstaunlich  und  beglückend
war auch, daß der stärkste Beifall, den es erlebte, vom NORA-Ensemble
kam.  Das weitbekannte Ensemble der in Ostdeutschland  stationierten
sowjetischen  Armee  war am Vortag  für die Kalikumpel aufgetreten , und
man hatte ihnen angeboten, sich bis zu ihrer Abfahrt mittags das Programm
der Kinder anzuschauen. Die Begeisterung war natürlich  besonders groß,,
als diese  das russische Kinderlied vom „goldenen Bienchen“ in russischer
Sprache und in deutscher Übersetzung, wie es später auch vom „Sender
Weimar“ am 30.Okt.1971  übertragen wurde, sangen,   sowie dann  auch
zum  Schluß,    beim  „Doswidanja“   des  Abschiedsliedes.

DIE  BETREUER  DES   K U D O N E – ENSEMBLES

Es gab sechs Übungsgruppen:
Laienspiel                                                    HELGA  RUDOLPH
Akrobatik                                                     ANNEMARIE  MÄTSCHKE
Chor                                                              DOROTHEA  NENNSTIEL
Tanzgruppe  I  ( Schulkinder Oberstufe )                        D.N.
Tanzgruppe  II  ( Schulkinder Unterstufe )                      D:N.
Tanzgruppe III  (Kindergartenkinder )                            D.N.
Musikalische Begleitung aller Gruppen         ARNO  NENNSTIEL
Kostüme                                                          ALINE  HUMMEL

Mit einer besonderen Auszeichnung machte die Gemeinde später
Arno und Dada  eine große Freude. Sie  durften zur Aufführung  des
„Fliegenden Holländers“ im Nationaltheater  nach  Weimar fahren  und ein
Wochenende  dort  kostenlos  im  „Elephanten Hotel“  verbringen .
Allerdings  auch ein Wermutstropfen  trübte  die  Freude  1973  etwas .

Gerade vor einer  notwendig  gewordenen  großen  Operation  verriet der
„Buschfunk“  Dada ,  daß  im Lehrerzimmer  der  Räsaer Oberschule
die  fehlende  „Parteilichkeit“  ihrer  Programme  bemängelt worden  sei.
Während  der  Operation  aber brachte sich ihre  jüngste Schwester  Moni
um,  und  schwere Komplikationen verzögerten  anschließend  dann  lange
Zeit  die Heilung, sodaß sie viele Wochen alle Tätigkeiten  unterbrechen
mußte.

Glücklicherweise konnte der Karnevalverein  inzwischen  seine
Nachwuchsarbeit  aufbauen  und bereits  Kindergruppen  bilden .

So fanden die  „Kudone-Kinder“  schnell und problemlos  wieder eine
Wirkungsmöglichkeit .


22.  Kapitel  A B C   und   GEIGENSPIEL
Für die Familie brachte der Herbst 1972  einen großen Aufschwung.


Im September kam nun auch als Letzte die dritte Tochter, Antonia ,  in die
Schule.  Da ihr Jahrgang besonders zahlreich war, wurden in diesem Jahr
zwei erste Klassen gebildet :  Eine Klasse als „Hort-Klasse“, in welche die
Kinder gingen, die  später nach dem Unterricht in den Kinderhort gehen
sollten,  während Antonia in die andere Klasse kam, in der sie zu ihrer
großen Freude auch ihre Freundinnen  aus dem Kindergarten wiederfand.


Auch ihre Klassenlehrerin gefiel ihr sehr gut, und so wurde der erste
Schultag  mit den Nachbarskindern  ausgelassen fröhlich  und
unbekümmert gefeiert,  wenn die Zuckertüte nun auch in der Ecke stand,
und  dafür  ihr geliebtes Püppchen Gritli  zum  Spielen  mit nach draußen
genommen wurde .

Doch es gab  noch einen zweiten Unterrichtsbeginn .
Nämlich an der Musikschule Bad Salzungen. Antonia hatte sich dafür als
Instrument eine Violine gewünscht. Nun wurde sie jede Woche einmal
zum Unterrcht dorthin gefahren, war mit Eifer am Üben und machte gute
Fortschritte. Unerwartet aber ergab sich daraus ein Problem:  Auch Franzi
wollte nun unbedingt  Geigespielen lernen. Zwar war sie eine sehr gute
Schülerin,  schien aber völlig unmusikalisch zu sein,   denn beim
Familiensingen  sang sie zwar begeistert und laut,aber falsch mit. Doch nun
wollte sie ausgerechnet  auch eine Geige, bei der sie ja zum Saitenstimmen
ein ganz genaues Hörvermögen brauchte. Aber zu ihrem großen Kummer,
doch zur heimlichen Erleichterung der Eltern. scheiterte der Versuch, auch
sie noch zum Unterricht anzumelden , denn  sie war nun schon ins dritte
Schuljahr gekommen, und die Schule nahm  Kinder nur bis zum zweiten
Schuljahr auf. Antonias  einfühlsamer Geigenlehrer konnte sie allerdings
noch mit  einer letzten Möglichkeit trösten : Wenn sie es schaffte, im
kommenden Jahr das vorgeschriebene Übungs-Soll  beider ersten
Schuljahre zu beherrschen und die entsprechende Prüfung bestünde,
könnte sie als reguläre Schülerin dann auch weiter hier unterrichtet
werden.Auch war er bereit, privat den Doppelunterricht  zu übernehmen.


Jetzt fuhren also beide Kinder  zum Geigenunterricht, und zur großen
Überraschung und natürlich auch großen Freude de r Eltern  -  Franziska
schaffte es !   Wobei , zugegebener Weise, das Geigeüben zu Hause , wenn
es irgend ging, mit dem selbst  gut Violine spielenden  Vater  Arno ,  für
alle drei durchaus nicht immer das reinste Vergnügen war. Aber es brachte
später, zu Franzis  Konfirmation,  einen beeindruckenden   Glanzpunkt ins
Leben der Familie:  Da Franziska  zum Prüfungssonntag der Konfirmanden
verreist  war , hatte sie  vom Pfarrer die Aufgabe bekommen, während  des
Festgottesdienstes in der Kirche ein kleines , geeignetes  Musikstück  auf
der Geige vorzutragen.  Um ihr Sicherheit zu geben, begleitete sie Arno
dabei auf der Orgel.  Es wurde ein unvergeßliches Erlebnis.

Franziska spielte, von der Orgel begleitet, fehlerfrei den ersten Satz von Beethovens
Mondscheinsonate.   Zusätzlich  fielen bei beiden Kindern  die Zeugnisse
bestens aus, bei Antonia  mit einem Sonderlob, da sie bei einem  Schul-
Crosslauf  den ersten Platz erkämpft hatte ,  Auch Christiane hatte mühelos
die Aufnahme auf die Oberschule geschafft. Ein für die ganze Familie
beglückend  positives Schuljahr  war zu Ende gegangen.


23. Kapitel      
ARBEITSEINSÄTZE  IM  RENNSTEIGGARTEN

Die Tätigkeit im Kulturbund hatte sich indes bei Dada  zunehmend
ausgeweitet.  Um für die Bewohner des nach drei Seiten durch
Stacheldraht abgesperrten Grenzgebietes das Gefühl der Isolation
abzumildern, veranstaltete sie regelmäßige Treffen mit Vorträgen über
Gesundheit, Erziehung oder Literatur mit anschließendem geselligen
Beisammensein.  Dadurch  wurde sie auch Mitglied der
Vortragsgesellschaft  „Urania“  und im übrigen Grenzgebiet eingesetzt.
Besonders wichtig war es ihr auch, daß sie über die Hausmeisterin der
Praxis, Frieda Ahlborn, Kontakt mit der Seniorenbetreuung des Dorfes
bekam,  und  dort weitere aktive Helferinnen, wie Anneliese Eichler oder
Elsbeth Erbsmehl kennenlernte. So konnte sie diese bei ihren monatlichen
Treffen in der  „Alten Schule“ unterstützen.  Beliebt waren auch ihre
Buchlesungen über bekannte Frauenromane der Weltliteratur,  wie
„Anna Karenina“  oder  „Effi Briest“. Der örtliche  Filmvorführer, Lothar
Portius , beschaffte im Anschluß daran  die entsprechenden Filme, und
alle, die sich dafür interessierten,  konnten  sie sich im Kulturhaus  mit
anschauen.  Seit  1972  jedoch ergab sich eine weitere, sehr  willkommene
Abwechslung.  Der Kulturbund beabsichtigte,   in einem Steinbruch des
Thüringer Waldes  am Rennsteig bei Oberhof  einen Botanischen Garten
für Gebirgspflanzen anzulegen, und rief alle Ortsgruppen zu Hilfseinsätzen
auf,  die sogar ab vier Stunden je Person mit einem kleinen Obulus
vergütet  würden.
Arthur Maschinsky, der zweite Vorsitzende  der Ortsgruppe
Unterbreizbach  , der  seit Jahren als höherer Angestellter im
hiesigen Kaliwerk  arbeitete,  das  seit 1952  aus  der russischen
Nachkriegsverwaltung zurückgegeben worden war und  dann
seit  1958  mit den Kalischächten von  Merkers und Dorndorf zu einem
Kombinat verbunden wurde, wendete sich umgehend mit der Bitte um die
kostenfreie  Bereitstellung eines großen Busses zur  Fahrt nach Oberhof
an die Werksleitung. Mit der Feststellung, daß das geplante Unternehmen
auch für die Kalikumpel eine  beliebte und dazu nahegelegene Erholungs-
und  Bildungsstätte  werden  würde, wurde dieser Bitte sofort stattgegeben.
Noch im gleichen Jahr wurde  der erste von mindestens einem Einsatz
jährlich während des Aufbaus,  durchgeführt.  Da jeder, der helfen wollte,
einschließlich  seiner Kinder willkommen war, wurde es nie schwer, den
Bus voll  zu besetzen.  Dann fuhren an dem vereinbarten  Sonntagmorgen
etwa fünfunddreißig Breizbacher zum Pfanntalkopf.  Dort wurde zur
Kinderbeaufsichtigung  ein Erwachsener freigestellt,  während die anderen
ihre ganze Kraft zur baldigen  Fertigstellung  der Anlage einsetzten, deren
Wachsen sie nun von Jahr zu Jahr verfolgen konnten  Da eine besondere
Windführung aus dem Pfanntal eine extreme Klimalage bewirkte , konnten
sogar Gebirgspflanzen, die sonst nur in tausenden Metern Höhe wuchsen ,
hier in vierhundert  bis vierhundertfünfzig Metern Höhe gedeihen.  Meist
aus  Samen von den Hochgebirgen aus aller Welt  herangezogen,  konnten
sie, erstarkt,  erfolgreich  auf die entsprechenden  Pflanzflächen  des Parks
ausgepflanzt  werden.
Nach gut vier Stunden  intensiven  Schaffens  wurde nun von dem
ehrlich verdienten Lohn  Hunger und Durst bei einer  ausgiebigen
Bratwurst–Grillparty und  Erholungspause  gestillt,  um  anschließend
noch  eine der beiden Naturbühnen, in  Steinbach-Langenbach oder in
Fischbach,  -beide wurden von den Theatern Meiningen  beziehungsweise
Eisenach  bespielt- , anzufahren, wo schon die bestellten  Eintrittskarten
für einen Operettenbesuch  bereit lagen.  Nach diesem vergnüglichen
Abschluß in bester Laune,  fuhr man dann ,  fröhlich  zu Arnos
Akkordeonbegleitung  singend  und  zufrieden mit dem  vielseitigen,
gemeinsamen  Tag,  abends zurück ins Heimatdorf  Unterbreizbach .



24.  Kapitel    ERNÜCHTERUNG  UND  AUFWIND

Leider folgte schon ein Jahr später eine tiefgreifende Änderung, die
sich für lange Zeit auswirkte. Das neue Schuljahr hatte begonnen, und
Antonia war, wie immer, fröhlich zur Schule gegangen, kam aber, was in
allen  Jahren bei den Geschwistern noch nie vorkam, laut weinend zurück.
Sie  schluchzte :“Ich muß jetzt in die Hortklasse gehen!“   Die folgenden
Erkundigungen ergaben, daß nach einer neuen Schulordnung ab sofort
die Pferdsdorfer Grundschüler nach Unterbreizbach zur Schule gehen
mußten.  Um aber die Schüler von Antonias Jahrgang nicht auf die
beiden Klassen verteilen  zu müssen, mußte man in einer Klasse Platz für
alle  machen. Da sie ja  den Breizbacher Schulhort nicht  besuchen würden,
schied die Hortklasse dafür aus. Es sollten  also einige Jungen sowie eine
gute und eine schwache Schülerin aus Antonias Klasse umwechseln .
Ihre  Klassenlehrerin  aber lag zu dieser Zeit für mehrere Wochen im
Krankenhaus , und die Auswahl dieser Schüler wurde  ohne jede
Information der Eltern oder Schüler getroffen  und durchgeführt.
So wurde Antonia am ersten Schultag völlig ahnungslos  mit einer
zum zweiten Mal nicht versetzten älteren Schülerin, die sie bis dahin
kaum kannte, und die nun ihre Banknachbarin wurde, in die Hortklasse
geschickt, in der sie zusätzlich  auch eine andere Klassenlehrerin  bekam.
Den Rat anderer Eltern, Einspruch zu erheben,  mochte Dada als vormalige
Lehrerkollegin  nicht  befolgen, in der trügerischen Hoffnung, ihre kleine
Tochter wäre stark genug, diesen Eingriff zu überwinden.Doch sie ging nur
noch widerwillig zur Schule und ihre glänzenden Zensuren verblaßten.


Auch Christiane  mußte die  Schule wechseln .  Um das Abitur machen
zu können, mußte sie Vacha verlassen und die letzten beiden Jahre in
Bad Salzungen zur Schule gehen, was sie aber recht gerne tat, da hier ja
ihre geliebte Patentante Marie wohnte. In dem Haus ihrer verstorbenen
Eltern  hatte diese Arno und noch drei weitere Waisenkinder ihrer beiden
Brüder großgezogen und verdiente sich ihren Lebensunterhalt  als gesuchte
Schneiderin. Jederzeit bereit zu helfen, nahm sie Christiane gerne  bei sich
auf, damit sie in der Woche nicht täglich mit der Bahn hin – und wieder
zurückfahren  mußte.  Während Christiane  bei ihr einzog , kam auch
gerade eine langjährige Kundin zur Anprobe, die in ihr sofort die kleine,
widerspenstige  Besucherin  vergangener Jahre  wiedererkannte,  die
damals, trotz aller Ermahnungen der Pate,  unverdrossen auf dem Sofa
herumhüpfte. Da sie die Familie kannte und wußte, daß beide Eltern in
Jena studierten, wollte sie die Mahnung verstärken: „Wenn du weiter so
rumhüpfst, geht das Sofa kaputt und deine Eltern müssen es bezahlen , wo
die sowieso kein Geld haben!!“  Doch Klein-Christiane,  die ja den kleinen
Knipsbeutel, in dem daheim das Kleingeld gesammelt wurde, gut kannte ,
empörte sich prompt: „ Was?  Kein Geld?  Die haben soviel Geld,  - das
„ Kotmannee“ geht schon bald garnicht mehr zu !!“  Das alte Sofa jedoch
stand  unversehrt noch an gleicher Stelle und Christiane fühlte sich nun
gleich wieder hier heimisch. Auch in der Schule gefiel es ihr gut. Sie fand
schnell eine nette Freundin,  Daisy , mit der sie ihre Freizeit  zumeist in
dem nicht weit entfernten  Reitstützpunkt an der Werramühle verbrachte,
in dem sich die beiden leidenschaftlich dem Reitsport  widmeten.
Einmal aber, an einem Wochenende zu Hause, zeigte Christiane den Eltern
ein hübsches Schaukästchen , in dem ein wunderschöner, etwa
handtellergroßer,  kobaltblau  glänzender  tropischer  Schillerfalter
ausgestellt war, und erzählte den Eltern,  daß sie beim Herumstromern auf
dem gegenüberliegenden Berghang  ein schönes Waldhüttchen entdeckt
hätten, dessen Fenster eingeschlagen waren, und das sichtlich unbewohnt
war. Durch die Fensterhöhlen konnte man in den offenbar durchstöberten
Innenraum schauen und darin eine Schmetterlingssammlung  erkennen. Da
seien Daisy und sie durch eines der zerstörten Fenster in den Raum
geklettert, um sich diese anzuschauen, und hätten diesen herrlichen Falter
mitgenommen, damit er nicht auch noch ,wie manches in diesem Raum .
zerschlagen würde. Ehe die Eltern reagieren konnten, bekamen sie schon
eine Vorladung zur Polizei . Daisys Mutter hatte umgehend das
Bad Salzunger Polizeiamt informiert. Die Befragung durch die Polizei
verlief dann aber recht unspektakulär .


Jetzt erst erfuhren sie, daß das
Häuschen einem alleinstehenden  Salzunger Bürger gehörte, der sich schon
seit einiger Zeit wegen eines Spionageverdachts  in Untersuchungshaft
befand. Als sich nun herausstellte, daß die Kinder das Häuschen nur
zufällig gefunden hatten,  an den Zerstörungen keinen Anteil hatten und
den mitgenommenen Gegenstand nur vor Schaden bewahren wollten und
ihn umgehend bei der Polizei gemeldet und abgegeben hatten,  wurde die
ganze Angelegenheit für sie zu den Akten  gelegt.


Wie zum Ausgleich  aber  bekamen die Eltern im Anschluß an diese
Aufregungen auch eine freudige amtliche Nachricht:  Sie konnten mit dem
Bau eines Eigenheims beginnen!   Zu Beginn des Jahres war allen
kinderreichen  Familien der DDR ab drei Kindern die Möglichkeit
eingeräumt worden, mithilfe eines zinsfreien, je nach Kinderzahl hohen
Kredits, sich ein Eigenheim zu bauen. Sofort stellten sie einen Antrag und
Bürgermeister Heinz Welsch behob ihre Schwierigkeit, am Ort einen
geeigneten Bauplatz zu finden:  Die Gemeinde stellte ihnen aus ihrem
Besitz  die  erlaubten 600 Quadratmeter eines Wiesenhanges  am Ortsrand
zur Verfügung,  mit der Option , noch mehr Fläche des Hanges  pachten zu
können.

Dada machte nun nach den Wunschvorstellungen der Familie
eine  Vor-Bauzeichnung, fuhr damit zum Kreis - Bauamt,  wo der
Vorsitzende  nach kurzer Überprüfung ohne Diskussionen mit dem für sie
so wichtigen und folgenreichen Satz:  Genehmigt , wenn von der örtlichen
Behörde gestattet. -  unterschrieb, und seinen Stempel darunter setzte.


Von dort war nun die  endgültige, amtliche Zustimmung gekommen.
Ab sofort  konnte jetzt  also,   noch vor Wintereinbruch,  durch die örtliche
Baufirma Wittich,  welche Arno inzwischen auch als ihren Betriebsarzt
eingestellt hatte, schon mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen  werden.


25.  Kapitel
CHRISTIANES  STUDIUM  UND  HOCHZEIT


Die beiden letzten Schuljahre von Christiane waren unspektakulär zu
Ende gegangen, und nach dem sehr guten Abitur war jetzt die große
Frage:  Was nun ?  Ihr sehnlichster Wunsch war immer gewesen und
geblieben, einmal in einem Zoo arbeiten zu dürfen. Daher faßte Dada den
damals fast abenteuerlichen Entschluß, mit dieser Bitte an den Direktor
des Berliner Zoos,  Professor Dathe,  zu schreiben.  Da mit großer
Wahrscheinlichkeit  doch   eine Studienbewerbung notwendig würde,
schickte sie diesen Brief noch vor ihrer Urlaubsreise, für drei Wochen mit
Familie Dr.Hanf an die  Ostsee , nach Berlin .  Die riesige Freude, als sie
bei ihrer Rückkehr zu ihrer Überraschung einen Antwortbrief,  sogar mit
einem Gesprächstermin,  vorfanden,  schlug in schieres Entsetzen  um -
der Termin war bereits überschritten!  Ein sofortiger Entschuldigungsbrief
blieb verständlicherweise unbeantwortet.  Nach langen Diskussionen
bewarb sich Christiane schließlich in Jena um ein Medizinstudium, und da
die „soziale Herkunft“ inzwischen  der  „untere“ Elternteil bestimmte und
Krankenschwestern zur Arbeiterklasse zählten,  Christiane also kein
„Intelligenz“-  sondern Arbeiterkind war, bekam sie ohne Schwierigkeiten
umgehend ihre Studienzulassung   Sie war ja in medizinischem
Umfeld aufgewachsen , daher  begann sie ihr Studium  mit viel Elan
sowie vorallem  auch  mit großem Interesse  und verschmerzte  so  mit der
Zeit  ihren vertanen  ursprünglichen  Berufswunsch.

Vor Beginn des Studiums allerdings überraschte sie die  Eltern damit, daß sie
möglichst bald heiraten wolle. Sie war seit ihrer Schulzeit in Vacha mit
einem ihrer Klassenkameraden, einem netten, sportlichen Blondschopf ,
Fridolin genannt, eng befreundet,  der jetzt einen Einberufungsbefehl
erhalten  hatte, und beide waren der  Meinung,  daß die nun kommende
Zeit der Trennung  besser als offizielles Ehepaar zu ertragen sei.  Jedoch
das , was bisher für sie  keinerlei  Bedeutung gehabt hatte,  erwies sich nun
für  die  Trauung  als problematisch:  Fridolins Vater war in seinem Betrieb
Parteisekretär,  während  Christiane  evangelisch  getauft  und auch
konfirmiert wurde.  Auf eine kirchliche Hochzeit mußte somit verzichtet
werden. Daher wurde nach der nüchternen standesamtlichen Trauung die
darauf folgende Feier auf dem Altenstein  mit einem kleinen  bunten
Programm eröffnet,  zu dessen Beginn Dada bei einer kurzen Begrüßung
betonte, daß beide,  nun im  Familienkreis  vertretenen  Uberzeugungen ,
ja das gleiche Ziel hätten,  nämlich die Menschheit vor Not und Elend zu
bewahren. Für beide Überzeugungen haben unzählige Menschen ihr Leben
geopfert, andere jedoch sie nur für ihre persönlichen  Vorteile  mißbraucht.
Möge das junge Ehepaar also nun die ganze große Kraft ihrer Liebe dafür
einsetzen,  um eine Familie zu gründen., die durch Toleranz und
Menschlichkeit   ihnen selbst,  aber auch ihren Mitmenschen , ein
friedliches  und  lebenswertes  Miteinander  ermöglicht.
Es folgte ein wunderschönes und ungetrübt harmonisches Hochzeitsfest,
welches aber eine Entfremdung und  dann  die Trennung schon bald nach
dem Ende der Militärzeit nicht verhindern konnte.


26.  Kapitel        GRUBENBEBEN  UND  UMZUG
Der Juli 1975  war schon bald vorbei.  Am 23. aber, um 14oo Uhr , für die
Familie die übliche Mittagszeit ,  war Antonia schon aus dem Kindergarten
zurück,  Arno hatte  bereits  einen  Hausbesuch gemacht und Franziska
gleich von der Schule abgeholt,  Dada hatte in dieser Zeit das
Mittagessen  vorbereitet   und  gerade hatten sich nun alle  an den Tisch
gesetzt  und ließen sich die ersten Bissen schmecken,  als plötzlich über
ihnen ein heftiges, ruckelndes  Grollen  und  Getöse einsetzte,   dann ein
Zittern  der Decke, das sich  auf das  ganze Haus übertrug   Ehe Dada noch
ihre  vage  Vermutung  aussprechen  konnte, ob die über ihnen wohnenden
Hausmeister  eventuell  schwere  Möbel  verrücken  würden,   hatte
Arno schon den fast  unglaublichen Verdacht:  „ Erdbeben !   Schnell
raus!!“  Schon hatte er die Kleine auf dem Arm  und in kürzester Zeit
standen alle auf dem Bürgersteig vor dem Haus und sahen  mit Schrecken,
wie der Boden  auf einmal kleine Wellen zu schlagen schien.  Dann  fing
die  Werkssirene  an  zu  heulen ,  und   über  dem Schacht  sah
man weißen Qualm aufsteigen.    Aus der Schachtröhre  schien  Gas
auszuströmen. Da klingelte  im Haus das Telefon :  Im Kindergarten  sei es
einem Kind  übel geworden , ob  Arno nicht vorsichtshalber mal nach ihm
schauen  könnte?  Wegen der Gefahr einer Gasausbreitung im Ulstertal
fuhr Arno die Familie  schnell  zur Sünnaer Höhe, dann zum Kindergarten,
zuletzt  zum Werk, wo es sich bestätigte, daß es ein Grubenbeben  nach der
täglichen Sprengung war.   Da aber im Ort keine größeren Schäden
entstanden waren,  legte sich die große Aufregung bald wieder .
Auch der Neubau in der Glaam stand noch unverändert,  und so konnten
die  Arbeiten dort unvermindert weitergehen,  denn für Oktober war schon
der Umzug geplant.  Endlich war dann auch der letzte große Einsatz  bei
herrlichem Herbstwetter  mit vielen Helfern  zum Wochende gekommen.
Kurz vor der Frühstückspause fuhren Arno und Dada dann aber in aller
Eile, wenn auch in ihren staubigen Arbeitsklamotten, ins Dorf,  um beim
Fleischer die schon bestellten Gehacktesbrötchen abzuholen. Dada stieg
vor dem Geschäft schnell aus, während Arno schon das Auto wendete,
wurde aber schon auf der Treppe von der kleinen Tochter einer Patientin,
die heute hier als Verkäuferin arbeitete, recht aggressiv empfangen, und
während sie Dada mißbilligend von oben bis unten musterte,  entspann sich
folgendes  Zwiegespräch :
„Hast du denn da eben beim Dokter vorne im Auto  gesessen?“  „Ja , klar!“
„Bist du denn auch dem seine  Frau ??“      „Ja sicher .  bin ich !“
Die kleine Daniela, die Dada nur aus der Praxis  kannte, nachdenklich
und  fassungslos:  „ Sooo ?   Da hat der Dokter  wohl  zwei  Frauen ??“
Das folgende Wochenende aber konnte ,wie geplant,  pünktlich der große
Umzug mit Sack und Pack, Kindern, Hund und Katze problemlos erfolgen,
nur der Transport des Schlafzimmers mit den von den Töchtern  zerhüpften
Federkernmatratzen  sorgte natülich  für Heiterkeit.  Aber als abends dann
sämtliche  Möbel an ihrem Platz standen , zum Abschluß  alle fleißigen
Helfer  draußen am brennenden Kamin saßen und Arno sein Akkordeon
erklingen ließ, waren alle fröhlich und dankbar für dieses neue, schöne
zu Hause in der Hoffnung, daß es viele glückliche Stunden erleben würde .


27. Kapitel                 DIE  STUTE  EUREKA
Franziska und Antonia  hatten inzwischen auch den Salzunger Reitstall
für sich entdeckt.  Da sie aber nicht,  wie Christiane,  dort zur Schule
gingen, sondern jedesmal erst dorthin fahren mußten,  war die Belastung
recht groß,  zumal ein Zug erst von Vacha aus nach Salzungen fuhr und die
Busse nach Vacha meist keinen direkten Anschluß hatten.  So war es jetzt
ziemlich vorbei mit den gemütlichen  Sonntagsmorgenden,  weil die
beiden  schon recht früh zum Bahnhof gebracht werden mußten.  Das
Geigeüben wurde nun immer unbeliebter, bis schließlich der Unterricht
abgebrochen wurde. Selbst ein Sturz vom Pferd mit einem  Schlüsselbein-
bruch  konnte Franziskas Begeisterung  nicht dämpfen,  im Gegenteil,
„Jetzt bin ich erst eine richtige Reiterin !“ . war ihre erste Reaktion.
Andererseits hatten aber auch die Eltern  Freude und Interesse an diesem
Sport und begleiteten ihre Kinder nach Möglichkeit zu denTurnieren.Dabei
konnte sich Dada sogar als Stadionsprecherin erproben, und dadurch trafen
sie in Marksuhl  ihr geschätztes  ehemaliges  Pfarrerehepaar  Jäger wieder,  
das vor Jahren nach hier verzogen war ,  die gegenwärtige  Veranstaltung
besucht hatte  und dort die Stimme der Sprecherin  wiedererkannte.    
So gab es hier  zum Abschluß noch ein freudig- herzliches Wiedersehen .
Besonders aber liebten die beiden Töchter die junge Stute  EUREKA .
Als Eureka dann noch einen kleinen, gesunden Hengst zur Welt brachte .
wären sie am liebsten garnicht mehr nach Hause gekommen, sondern
hätten  sich im Stall einquartiert. Doch dann wich das große Glück  einem
noch größeren  Kummer :  Bei Eureka wurde Hufkrebs festgestellt  und  sie
wurde als unheilbar krank aus der Leipziger Tierklinik zurückgebracht .
Sie mußte also getötet werden und sollte nun mit dem nächsten
Tiertransport der Eisenbahn zum Schlachten nach Italien geschickt werden.
Die Kinder waren außer sich, und um dem armen Tier dieses qualvolle
Ende zu ersparen  und um die beiden Mädchen etwas zu beruhigen ,  
beschlossen  die Eltern,  Eureka zu kaufen und sie  dann  einschläfern  zu
lassen.  Doch  nun stellte sich heraus,  daß das Pferd  einer  LPG  gehörte,
welche einen Vertrag abgeschlossen hatte, alle ihre Tiere zum Schlachten
nach Italien zu liefern,  und diesen Vertrag einhalten müsse. Der Kauf war
nicht möglich  und Eureka mußte zum Abtransport zum Bad Salzunger
Güterbahnhof  gebracht werden .
Das Kapitel  „Reiten“  war für die ganze Familie damit endgültig  beendet .
28.  Kapitel       EINE  ABRIß-BRACHE WIRD  „ ROSEN – ECK“  
Wieder einmal  war ein Arbeitseinsatz  im Rennsteiggarten,  der
einunddreißigte,   am  15.März  1977  sehr fröhlich zu Ende gegangen .
Doch  am eigenen Ort,  mitten im Dorf, gab es seit langer Zeit  eine
häßliche Abrißfläche. Da stellte sich die Frage, ob der große Hilfswille
nicht auch dazu reichen würde, aus diesem Schandfleck einen kleinen,
blühenden  Dorfmittelpunkt  zu machen.  Also wurde für  den  4. Juni
zu einem nächsten Arbeitseinsatz  in der Dorfmitte aufgerufen,  und              
welch freudige Überraschung:  Pünktlich, mit Schaufeln, Pickeln  und
anderen Geräten trafen  über zwanzig Helfer ein.   Es war garnicht so
einfach, festzulegen, wo und wie man beginnen solle,   aber  einig war
man sich darüber, daß heute hier, mitten im Dorf,  eine kleine Parkanalage
als zentraler  Treffpunkt  entstehen  sollte.  Zur  Straße  hin,   die ja damals
nur noch zur Grenze führte und kaum befahren wurde,  sollte sie  durch
Blumenrabatten  begrenzt  werden,  am besten  mit  Rosen,  und  könnte
dann   „Rosen-Eck“   heißen !  -   Schon fingen die ersten  an ,  mit ihren
Pickeln  den festen Schutthaufen  in der Platzmitte  aufzuhacken  und
gerade  wollte man einen Helfer losschicken,  um eine Schubkarre
aufzutreiben ,  da hielt der nebenan wohnende Garagenmeister Hans Pforr
mit seinem Traktor und Anhänger bei ihnen an der Straße an :  Er wolle
ein  wenig  mitmachen !   Nun lief alles wie am Schürchen: Der Schutt
wurde gleich weggefahren, und der Traktor half auch noch beim Einebnen
des Platzes. Bereits nach fünf Stunden war eine saubere Fläche entstanden,   
und man freute sich schon auf die Rasenaussaat am nächsten Wochenende.  
Auch die Rabatten  waren angelegt worden,  und als im Dezember
die bestellten  Rosen eintrafen, wurden an der Rückseite  Kletterrosen ,
und  in die  Rabatten  vierzig  Rosenstöckchen  umgehend  eingepflanzt  
und  gleich  sorgfältig  winterfest  abgedeckt.  
Den Winter hatte hatte die ganze Anlage dann ohne jeden Schaden
Überstanden,  und so konnten im Frühjahr die Pflegearbeiten beginnen .
Rings um die nun erfreulich  fsete Grünfläche  wurden  neun  Sitzbänke
aufgestellt  und  in der  Mitte  ein kleines  Plattenpodest  angelegt .
Nun konnte das  Roseneck  seinen Zweck erfüllen,  und zu seiner
feierlichen  Einweihung  wurde  ein erstes Frühlingsfest  mit  einem
Kinderumzug vom Kulturhaus  zum Roseneck  geplant ,  wo dann der
Winter vertrieben werden sollte .

28.  Kapitel       
EINE  ABRISS-BRACHE WIRD  „ ROSEN – ECK“  

Wieder einmal  war ein Arbeitseinsatz  im Rennsteiggarten,  der
einunddreißigte,   am  15.März  1977  sehr fröhlich zu Ende gegangen .
Doch  am eigenen Ort,  mitten im Dorf, gab es seit langer Zeit  eine
häßliche Abrißfläche. Da stellte sich die Frage, ob der große Hilfswille
nicht auch dazu reichen würde, aus diesem Schandfleck einen kleinen,
blühenden  Dorfmittelpunkt  zu machen.  Also wurde für  den  4. Juni
zu einem nächsten Arbeitseinsatz  in der Dorfmitte aufgerufen,  und              
welch freudige Überraschung:  Pünktlich, mit Schaufeln, Pickeln  und
anderen Geräten,   trafen  über zwanzig Helfer ein.   Es war garnicht so
einfach, festzulegen, wo und wie man beginnen solle,   aber  einig war
man sich darüber, daß heute hier, mitten im Dorf,  eine kleine Parkanalage
als zentraler  Treffpunkt  entstehen  sollte.  Zur  Straße  hin,   die ja damals
nur noch zur Grenze führte und kaum befahren wurde,  sollte sie  durch
Blumenrabatten  begrenzt  werden,  am besten  mit  Rosen,  und  könnte
dann   „Rosen-Eck“   heißen !  -   Schon fingen die ersten  an ,  mit ihren
Pickeln  den festen Schutthaufen  in der Platzmitte  aufzuhacken  und
gerade  wollte man einen Helfer losschicken,  um eine Schubkarre
aufzutreiben ,  da hielt der nebenan wohnende Garagenmeister Hans Pforr
mit seinem Traktor und Anhänger bei ihnen an der Straße an :  Er wolle
ein  wenig  mitmachen !   Nun lief alles wie am Schnürchen: Der Schutt
wurde gleich weggefahren, und der Traktor half auch noch beim Einebnen
des Platzes. Bereits nach fünf Stunden war eine saubere Fläche entstanden,   
und man freute sich schon auf die Rasenaussaat am nächsten Wochenende.  
Auch die Rabatten  waren angelegt worden,  und als im Dezember
die bestellten  Rosen eintrafen, wurden an der Rückseite  Kletterrosen ,
und  in die  Rabatten  vierzig  Rosenstöckchen  umgehend  eingepflanzt  
und  gleich  sorgfältig  winterfest  abgedeckt.  
Den Winter hatte hatte die ganze Anlage dann ohne jeden Schaden
überstanden,  und so konnten im Frühjahr die Pflegearbeiten beginnen .
Rings um die nun erfreulich  feste Grünfläche  wurden  neun  Sitzbänke
aufgestellt  und  in der  Mitte  ein kleines  Plattenpodest  angelegt .
Nun konnte das  Roseneck  seinen Zweck erfüllen,  und zu seiner
feierlichen  Einweihung  wurde  ein erstes Frühlingsfest  mit  einem
Kinderumzug vom Kulturhaus  zum Roseneck  geplant ,  wo dann der
Winter vertrieben werden sollte .

29.  Kapitel                    „ HALB  UND  HALB „     
Doch das Jahr 1977 hielt  noch eine andere  Aufgabe  und ein neues ,
interessantes Betätigungsfeld  für Dada  bereit :  Adolf  Heyer,  seit  1967
der Gründer und Leiter der gefeierten  „Hofsänger“ ,  der  männlichen  
Gesangsgruppe  des  K C U  ,  der bis  dahin  alle Auftritte  dieser  Gruppe
ausgearbeitet und einstudiert  hatte, bat sie aus gesundheitlichen Gründen,.
diese Tätigkeit  möglichst  ab sofort zu übernehmen . Schon  zur
Veranstaltung zum  11. 11.  dem traditionellen  Termin  der  „Hofsänger“ ,
einen Rückblick auf das aktuelle Geschehen des vergangenen Jahres  zu
bringen,  sollte  ihr erstes  Programm  vorgetragen  werden.
.Aus diesem  Debüt-Programm eine kleine  Kostprobe:        Zur Erklärung:
1977  gingen die meisten Qualitätsprodukte der DDR  in den Export und
fehlten  oft im eigenen Verkauf   Die Verkäufer dieser begehrten
Mangelwaren  nutzten das natürlich für manche kleine  Nebeneinnahme..
Das damals bekannteste  und sicherste  Mittel,  solche  „ Bückware „  zu
bekommen, war : „ Halb  und  halb „   zu bezahlen , nämlich  :  Halb  mit
Ost - ,  und  halb  mit  West – Geld .
Aus Dadas Debüt-Programm für die  „Hofsänger des KCU“ zum
11.11.1977 , gesungen nach der damals aktuellen Melodie der Schlümpfe.                                                                             
H A L B   U N D   H A L B
DORFBEWOHNER                                  KÄUFERGRUPPE
Sagt uns ,  wo kommt ihr denn her ?
Aus der Kreisstadt !  Bitte sehr .
Sagt,  was tatet ihr dort tun?
Fragen!  -  Ohne auszuruhn !
Nach was tatet ihr denn fragen ?
Nach nem Auspuff für den Wagen.  
Wenn das gar so schwierig ist,
greift doch mal zu einer List :
gemeinsam -  La la lalalala
VERKÄUFER                                             KÄUFERGRUPPE         
Bitte schön,  was darf’s denn sein?
Eime Bohrmaschine  fein .
Nicht  um alles in der Welt !!
Wir zahln auch halb und halb das Geld!
Ich guck mal nach !  Nen Augenblick ! - - -
Wirklich!  -  Sie ham großes Clück !!
( Kommt mit Bohrmaschine von hinten)
Sie sind ein Schatz!!  Wir zahln auch klar
jetzt halb mit Scheck,und halb in bar! -Lalalala


30.  Kapitel        
EINWEIHUNG  vom  „ROSEN- ECK “  1978
mit   ERSTEM   WINTER-AUSTREIBEN

Die Einweihung  des  neuen Platzes  als  „Roseneck“   wurde nun  für  den
15.April  festgesetzt und sollte  mit einem zünftigen  Fest für die Kinder des   
Ortes , dem  „Winter Austreiben“ , für das Dada inzwischen  schon  ein kleines
Szenarium  geschrieben hatte,  gefeiert werden.  Schon liefen die
Vorbereitungen auf Hochtouren:  In der Klasse 5   fand  man mühelos  vier
Jungen,  die als  Vasallen  des Winters - ,  und vier Mädchen,  die  als
Blumenkinder der Frühlingsfee  mitwirken  wollten.Auch  „Winter“  und die
Frühlingsfee, die von der Salzunger Patentante ein wunderschönes  ,  goldgelb
glänzendes  Kleid genäht bekam,   wurden schnell  erwählt . Als zu guter
Letzt Lothar Brandt anbot, die Frühlingsgruppe mit seiner  Pony-Kutsche  vom
üblichen Treffpunkt  vor dem Kulturhaus  zum  neuen Festplatz  zu  fahren, und
Fleischer Jacob  im Anschluß  ausreichend  Bratwürste  anbieten wollte,  konnte
man dem Fest beruhigt und in froher Erwartung  entgegen sehen.   Es wurde     
eine gelungene Veranstaltung :
Von vielen Kindern begleitet brachte die Pony-Kutsche  die Frühlingsfee mit
ihren vier Blumenkindern  zum Roseneck . Die kleine  Aufführung  gelang  
bestens ,  und nachdem der Winter und seine vier Vasallen  verjagt - ,  und
ihre  weißen  Fahnen  verbrannt  waren ,  konnte  Schneeglöckchen  mit  seinem
laut schallenden  Glöckchen  den  Frühling  einläuten,  während   die  fröhliche
Kinderschaar  zu  Arnos   Akkordeon – Begleitung  gemeinsam und  voller
Überzeugung    „Winter  Adee  !!“   sang .


31.  Kapitel                 „ Land  unter “   am  4. Juni  1981

Der Tag war drückend schwül geworden,  die ersten heißen Sommertage des
Jahres  hatten den Boden schon ausgedörrt,  doch man schien vergeblich auf
den angekündigten Gewitterregen und auf Abkühlung zu warten.
Dann aber überzog ein bleischwarzer Wolkenteppich in kürzester Zeit den
Himmel, das erste Donnergrollen wurde lauter, und plötzlich prasselten,  wie
auf einen Startschuß, rauschende  Regenmassen vom Himmel.  Der Hof  hinter
dem Haus  verwandelte sich in einen See,  der sich umgehend  einen Abfluß
durch die Kellerfenster ins Haus suchte.  Hagel und schier unübersehbare
Wassermassen ergossen sich reißend in Straßen und Gassen und setzten
den gesamten Ort unter Wasser.  Während in der Ferne noch dumpf der Donner  
grollte,  der Himmel aber schon wieder aufhellte,  klingelte das Telefon  beim
Arzt des Dorfes :  Ein junges Mädchen in der Räsa  hatte einen , dem Arzt gut  
bekannten,  ihrer schweren Asthma –Anfälle  und rang nach Luft. Ihr Elternhaus
aber  stand  nun mitten im Hochwasser.  Arno wußte sofort,  wie dringend er
jetzt gebraucht wurde,  denn ohne Injektion drohte  das  Mädchen zu ersticken.
Aber wie??     Die Straßen waren unpassierbar,  das Auto konnte er nicht
nehmen!  - Doch über den Berghang müßte man zum Kaliwerk laufen können?!
Gedacht,- getan:  Praxistasche  geschnappt  und losgelaufen !    Im Werk
angekommen,  lief plötzlich alles wie am Schnürchen,  als wäre es  schon  
-zichmal  geprobt worden.  In einer Lok der Werksbahn fuhr er über die
Eisenbahnbrücke  hoch über den plötzlichen See zum Güterbahnhof.  Dort
Umstieg in eine Lok der Reichsbahn,die sonst Kali  den Sünnaer Berg entlang ,
an der Räsa vorbei  nach Vacha brachte, Dort auf halber Strecke ausgestiegen ,
hier von einem Grenzer mit Krad erwartet und zum Uferrand des Hochwassers
gefahren, wo schon ein Schlauchboot wartend schaukelte: Jetzt nur  schnell vom
schwankenden Boot umsteigen und nicht die dünnen Venen verfehlen! Gerettet!


32.  Kapitel         DER  TRAGISCHE  TOD  VON  PETER  R:     

Es war ein Montag, - der  6.Juli 1981.  
Der damalige Ortsparteivorsitzende der SED ( die Sozialist. Einheitspartei
der DDR)  des  Ortes Unterbreizbach  war schon am frühen Morgen , vor
der Öffnungszeit des Amtes , in seinem Dienstzimmer im Gemeindeamt  ,
um einige Schriftsachen ungestört erledigen zu können, Er hörte, daß vorm
Haus  ein Auto hielt, sah nun, daß es ein Polizeifahrzeug war und daß zwei
Verkehrspolizisten ausstiegen und ins Haus kamen. Dann klingelte es .
Da er noch allein im Amt war, öffnete er und erfuhr nun von den
Polizisten, daß sie  auf der Suche seien, um die Identität eines unbekannten
.Toten zu klären. Der Polizei wäre kurz nach Mitternacht von einem
Grenzoffizier, wohnhaft in Pferdsdorf, Dienststandort in Buttlar,der  mit
einem Motorrad in  Richtung Vacha  unterwegs gewesen sei, gemeldet
worden, daß  er  auf der etwa fünfhundert Meter langen, geraden
und übersichtlichen  Verkehrsstraße, kurz vor Schacht 2  und Sünna, einen
bewußtlosen Jugendlichen quer auf der Straße liegen sah.  Im
Gegenverkehr habe sich gerade ein Motorrad genähert , während  er im
Rückspiegel  gesehen  habe,  daß sich von hinten ein PKW  mit
ziemlicher Geschwindigkeit  näherte.. Daher wäre er links an dem
Liegenden vorbei gefahren, habe gewendet  und  dem PKW entgegen  
als Warnsignal, auf dem Motorrad sitzend,   auf-  und  abgeblendet.
Das Auto habe daraufhin  zwar  abgeblendet, verminderte aber seine
Geschwindigkeit kaum.  Da es dadurch nicht rechtzeitig  zum Halten    
gebracht werden konnte, überrollte es das Unfallopfer  und fuhr, ohne
anzuhalten,  weiter und davon. -  Es wäre ein heller Trabant gewesen . -
Da der Jugendliche aus Unterbreizbach stammen könnte, zeigte einer der
Polizisten  nun  Günter Rudolph  ein Foto des Unfallopfers :
¬¬Er erkannte seinen eigenen, jüngsten Sohn Peter.
Mit zwei Freunden fuhr G.Rudolph umgehend zur Unfallstelle .Sie fanden  
im Abstand von wenigen Metern dort zwei Blutlachen auf dem Asphalt.
Lag er schon verletzt auf der Straße? - Vor ihnen hatte die Spurensicherung
schon die Plastesplitter eines Nebelscheinwerfergehäuses  sichergestellt .
Man suchte und fand jetzt schnell einen dunkelgrünen Skoda, und konnte
dessen Fahrer der Fahrerflucht überführen.  Es war ein zweiundzwanzig    
Jahre  junger Mann aus Vacha, der mit dem Auto seines Vaters eine
Tanzveranstaltung in Kranlucken besucht hatte.
Es folgte die Reproduktion des Unfalls,  zu welcher der als Zeuge geladene
Grenzoffizier  Klose aber  nicht erschienen war, sondern dann erst  aus
Pferdsdorf  geholt werden mußte .
Er wurde am nächsten Tag  nach Erfurt versetzt .
Am  11.Sept.1981  fand in Bad Salzungen
die Gerichtsverhandlung  gegen den Unfallverursacher  statt.
Die Familie Rudolph  hatte die mit ihnen befreundete D.Nennstiel  mit
der Pflichtverteidigung betraut.  Sie  begann  ihr Plädoyer  wie folgt   :
In der Nacht vom  6. zum 7. Juli  dieses Jahres  wurde ein junger Bürger
unserer Gemeinde aus seinem hoffnungsvollen Leben gerissen, wurde  das
Glück seiner Familie für immer tiefgreifend  getört .
Peter Rudolph stand als Auswahltorwart  der Fußballjugend  und als
DRK – Helfer  mitten im gesellschaftlichen  Leben. -  Ich selber habe ihn
als hilfsbereit und zuverlässig schätzen gelernt,  ob es nun um die
Übernahme einer Theaterrolle , oder  um Kohlenhereinschippen ging.
Aber nicht nur die Fassungslosigkeit über seinen Tod,  sondern die
Skrupellosigkeit, der Peter zum Opfer fiel,  bewegt und erregt  die
Menschen unseres Ortes , und sicher nicht nur diese . - - -
Folgendes Unfallgeschehen  vom  6.Juli  1981  wurde ermittelt:
Der  17-jährige  Peter Rudolph  verabschiedete sich  gegen  23.30  Uhr an
der Bushaltestelle in Borsch nach einer Tanzveranstaltung von seiner  
Freundin Anneliese, um nach Unterbreizbach nach Hause zu laufen , in der  
Hoffnung als Anhalter irgendwann mitgenommen zu werden . Ein erster
angehaltener  Grenzsoldat  durfte ihn auf Dienstfahrt nicht mitnehmen,
aber dann nahm ihn ein Mopedfahrer bis nach Buttlar mit. Beide sagten aus, daß Peter nicht betrunken und gesund gewesen sei und unaufdringlich
gewunken  habe.  Kurz vor Mitternacht  wurde er dann von Offizier Klose ,
bewußtlos auf der Straße liegend,  gefunden, während sich aus Richtung
Vacha ein zweites Motorrad mit dem  Mitarbeiter des Kraftverkehrs, Marr,
näherte, den Unfall  verfolgte und der später allerdings aussagte, Klose
habe am Straßenrand
gegenüber,bei  abgestelltem Motor, neben seinem Krad stehend, geblinkt.                            
Ein nachfolgender  Pkw , der auf das Blinken zwar abgeblendet, aber kaum  
die  Geschwindigkeit verringert hatte, und daher, trotz der festgestellten
6,1 m  langen  Blockier- ,  und  6,o m langen  Schleuderspur  nicht
rechtzeitig zum Anhalten  gebracht werden konnte. überrollte  nun  den
Bewußtlosen,  der etwa eineinhalb Meter durch die Luft zur Seite
geschleudert wurde.   Klose verließ jetzt  den Unfallort, wo nun Marr
verblieb , und fuhr selbst, um den Unfall zu melden .  Aber nicht zu dem                                                                                 
in Sichtweite liegenden  Schacht 2 , sondern zu seinem Standort in
Buttlar, von wo er  erst nach ungefähr zwanzig Minuten  zurückkehrte.Der
geflüchtete Fahrer war nach Hause gefahren, wechselte den beschädigten
Scheinwerfer aus und fuhr zum Tanz nach Kranlucken zurück,  zweimal
vorbei am Unfallort ,wo er anhielt , nicht etwa,  um  sich zu stellen ,  
sondern wo er sich nach dem dort  Geschehenen  erkundigte.
Am nächsten Morgen am Arbeitsplatz  äußerte er bei  Diskussionen:
„Das Schwein müßte man aufhängen !“
Die Autopsie ergab , daß durch die schwere Gehirnzerstörung  der Tod
sofort eingetreten sei. Die Straftat  „Unterlassene Hilfeleistung“  entfiel
damit. Doch warum lag Peter bewußtlos auf der Straße?  Schockmerkmale,
welche  im Blut festgestellt wurden, können sich nicht erst nach dem Tod
gebildet haben . Es war aber  nicht  nachzuweisen, ob die  Zertrümmerung  
des Schädels  durch nur einen oder eventuell zwei Unfälle verursacht
wurde. Andere Verletzungen aber konnten nicht nachgewiesen werden.
Peter könnte von einem Fahrzeug abgerutscht und hinterrücks auf die
Fahrbahn geschlagen sein ? Kam Offizier Klose eventuell nicht zufällig am
Unfallort  vorbei, sondern war er dort vorher bereits  Zeuge eines Unfalls?
Diese Frage an ihn konnte nicht gestellt werden,  denn auch zur
Gerichtsverhandlung  fehlte er unentschuldigt. Ein Besucher hatte ihn
allerdings  im Erdgeschoß des Gerichts gesehen, wie er nach Erfurt
zurückgeschickt wurde, weil er nicht  benötigt würde.
Sein Wissen war offenbar nicht gefragt.  Auch kam die  zweite Blutlache
garnicht zur  Sprache.  Die Urteilsverkündung wurde vertagt ,  
das spätereUrteil dann zur Bewährung ausgesetzt.
Eine  von Familie Rudolph beantragte Kassation wurde abgelehnt.

P E T E R
13.04.1964  -  06.07.1981
Die Sinne fassen’s  nicht .
Wenn  sie’s  auch unerbittlich wissen ,
daß ,  kaum uns neu geschenkt ,
Du nun für immer fort von uns gerissen !
Dein Abschied, flüchtig nur,
für kurze Zeit, ein Gruß im Gehen ,
wurd‘  jäh für Ewigkeit !
Ein  letzter Abschied ohne Wiedersehen .
Die Zeit mag Wunden heil’n , -
Doch nie wird sie vertreiben  
Dein Bild !   So.  wie Du gingst ,
froh, strahlend jung,
so wirst Du bei uns bleiben !

Zum    5. /  6.   Juli   1981             
In tiefer Anteilnahme und Verbundenheit   (DND)


33.  Kapitel                     
EIN  WOCHENENDE  IN  KRAKAU  am  26.4.1986

Ende  April 1986  war eine kurze Wochenendfahrt  mit  Ehepaar Dr Hanf in
die Tschechei geplant, wo Herbert die Stätten seiner Kindheit, die er 1945 mit
seinen Eltern verlassen mußte,  wiedersehen  und sie ihnen zeigen wollte.
Doch dort war inzwischen alles verändert, und auch die Menschen,  die jetzt hier
wohnten, waren ihm unbekannt. So fuhren sie ohne großen Aufenthalt  weiter
nach Krakau ,  wo Margot  schon  Hotelzimmer  gebucht hatte, da sie sich  am
nächsten  Tag  das Interessanteste dieser altehrwürdigen  Universitäts -  und
Königsstadt  anschauen  wollten. Auch die Reihenfolge  dieser Besichtigungen
hatte sie schon festgelegt, und um diese alle schaffen zu können, trafen sich die
beiden Paare am nächsten Morgen schon recht früh im Restaurant des Hotels
wieder.  Die Frühstückstische waren schon gedeckt, nur die Kaffeesahne
fehlte noch.  Waren sie doch etwas zu früh?  Doch auf die Nachfrage bei der
Kellnerin erhielten sie die etwas zögernde Antwort: „ Nein,  -  heute nicht da .“
Seltsam allerdings war es, daß es dann auch in der Stadt nur Kaffee ohne Milch
gab, doch ohne daß es jemanden zu wundern oder zu stören schien. Aber  eine
angespannte Unsicherheit schien auf den Menschen zu lasten, die sie jedoch bei
ihrer Rückkehr in die DDR auch hier bei den Menschen zu verspüren  schienen.
Die Erklärung erfolgte erst zu Hause,  als sie das  Westfernsehen einschalteten:
In der Nacht zum Sonntag dem  26.  April  war in Tschernobyl ein Reaktor des
Kernkraftwerkes  explodiert. 120.000 Menschen im Umfeld  mußten  umgehend
Haus  und Hof  verlassen, tausende  Ersthelfer verloren durch  Verstrahlung ihr
Leben. Eine  radioaktive  Wolke von Caesium 137 war westwärts gen Europa
gezogen, und ihr Regen hatte weithin die Erde verseucht.  Selbst  das 1.300  km
entfernte Südthüingen war betroffen. Doch erst Ende April wurden in der DDR
Berichte über die nukleare Katastrophe veröffentlicht, in der Suhler Presse dann
am 2.Mai, gleich mit der Versicherung, dass in der DDR niemand  gefährdet sei.

34.  Kapitel       FAHRT  zum  50. GEBURTSTAG  von  BRUDER  FRANZ

Mit einer ganz besonderen Familienfeier  begann das Jahr 1987   für  Eugenie   
und Dada ,  nämlich  verbunden  mit  einer  „Westfahrt“  an die Nordsee,  gleich
zu Beginn des Jahres  zum 5o.Geburtstag  ihres Bruders .  Franz hatte nämlich
inzwischen  sein Arbeitsfeld von  Westberlin  nach  Neuharlingersiel in ein
riesiges Wasserschloß verlegt. Nachdem er als Kinderarzt eine Zusatzausbildung    
zum  Allergologen  abgeschlossen  hatte, hatte er hier begonnen, eine Klinik für
an Neurodemitis  erkrankte  Kinder aufzubauen . Zu seiner Behandlung gehörte   
unter anderem auch eine Spezialernährung, möglich geworden durch die
Herstellungstechnik der Kosmonautennahrung. Ilse, seine Frau, hatte die
Anweisungen  dafür schon in einem Kochbuch zusammengefaßt.  Um den
kleinen Patienten die belastenden Trennungen zu ersparen, waren neben der
Klinik zahlreiche ,  mit Fußbodenheizung ausgestattete Kleinbungalows
errichtet worden, in denen sie mit einem Angehörigen während der Behandlung
wohnen konnten. Nun  hatte er auch seine Verwandten aus der DDR zu seinem
Geburtstag  einladen  können, denn seit 1964 durften,  anfangs nur die Rentner ,
inzwischen aber  auch die Familienangehörigen ersten Grades,  zu besonderen  
Familienfeiern  für kurze Zeit nach Westdeutschland reisen. Und so hatten sich
die beiden  Schwestern, zwar mit gedämpfter Freude,  denn die Anträge ihrer
Ehemänner waren , wie jedesmal bisher, wieder abgelehnt worden,  ihre  
Ausreisedokumente  auf dem Polizeiamt in Bad Salzungen abgeholt. Schon ihre
erste gemeinsame Westreise , 1975  zu  Hella und Dicks  Silberner Hochzeit
nach  Mainz ,  die besonders erlebnisreich wurde, mußten sie ohne ihre
Begleitung antreten.  Nach der Feier hatte Franz nämlich darauf gedrungen ,
daß sich die beiden  seine Wohnung  und Praxis  in Westberlin anschauten .
So waren sie dann vom Frankfurter Flugplatz aus nach Berlin geflogen. Dada
erinnerte sich nur noch ungern an die Angst, die sie empfand, als das Flugzeug
enorm an Höhe verlor.  Sie erfuhr erst später, daß die Fugzeuge über der  DDR
eine wesentlich niedrigere Flughöhe einhalten mußten . Als sie dann aber eine
weithin kahle  Kraterlandschaft überflogen und das Geräusch der Motoren sich
merkwürdig  dumpf  veränderte,  fürchtete sie schon, sich auf einem Flug ins
Nichts zu befinden, wie man es vom Bermuda-Dreieck erzählte.Es war aber der
riesige Miitärübungsplatz bei Ohrdruf  und sie kamen bestens in Berlin an .
Dort erlebten sie  eine herrliche und  interssante, wenn auch sehr kurze  Zeit.
Den Rückflug  hatten dann Friedel und Pepe  so arrangiert, daß sie den beiden
Ostbesucherinnen  noch  ihr neugebautes Haus in Wolfsburg zeigen konnten .
Da aber gleichfalls der Neubau in Unterbreizbach  fertig werden sollte,
hatte Dada nochmal eine dringende Bitte an die beiden, denn die hatten
ihnen schon die Kippscharniere für die Fenster besorgt.  Aber sie hatte für die
Hausvorderwand  ein großes Glassteinfenster mit einem bunten Blumenmotiv
entworfen,  die begehrten bunten Glasbbausteine  auch,  wie erforderlich,  auf
dem Bauamt beantragt,und sogar genehmigt bekommen. Doch jetzt waren diese
Bausteine  einfach nicht da!    Sie konnte  ihre Heimfahrt  tatsächlich mit zwölf
großen, bunten Glasbausteinen im Koffer antreten! Lustiger Abschluß der Fahrt
war dann auf dem Bahnsteig in Eisenach,  als Arno ihr glückstrahlend
entgegeneilte und ihr den Koffer flugs abnehmen wollte,   und er völlig
überrascht in die Kniee ging.    Doch sogar,  als dann 1988  Arnos  
Patenkind  Ole   in Wolfsburg konfirmiert wurde,  mußte er zu Hause  bleiben !
So auch  dieses Mal !   Nach zwölf Jahren, standen sie wieder  hier
auf dem Bahnsteig  und Eugenie und Dada mußten sich von ihren Männern
verabschieden. Aber anders als damals war es  jetzt tiefer Winter, und es hatte
sogar schon eine Unwetterwarnung   gegeben. Jedoch sie verließen sich auf die
Zuverlässigkeit der Westzüge.  Auch wenn sie die letzte Strecke in einen
Regionalzug umsteigen mußten, -    nachmittags würden sie am Ziel sein!
Dann der bitter-süße Abschied, und es ging los !  
Im Zug  die Paß-  und Gepäckkontrolle,  später in Herleshausen die üblichen
Grenzformalitäten, und nun  konnte man es sich erst mal bequem machen!
Doch da  quietschten plötzlich die Räder! Langer Halt und Umleitung wegen
Hochwasser!  Aber auch die Weiterfahrt verlief nur stockend:   Sturm und
Schneeverwehungen verursachten immer wieder  Unterbrechungen.  In eisiger
Dunkelheit, weit nach Mitternacht, fuhr der Zug endlich in ihren  Umsteige-
Bahnhof  ein, wo der Anschlußzug natürlich schon längst weg war !
Plötzlich  dröhnten  wie  Geisterstimmen  ihre Namen aus dem Lautsprecher :
Sie möchten bitte aussteigen, ein  Auto  stünde für sie zur Weirerfahrt bereit !
Befreites  Aufatmen  !!
Da sich nach vielen Jahren zwischen alten Briefen zufällig jetzt ( 1922 )  
Dada s  Tischrede für das Geburtstagskind gefunden hat,  geschrieben erst nach
ihrer Ankunft dort,   auf einem Briefbogen des vormaligen Hotels, -    
den  Abschluß  dieser Fahrt  nun in  Versen :

ZUM   50.  GEBURTSTAG  VON  FRANZ  
Am 06.01.1987 in Neuharlingersiel
Durch Hochwasser und hohen Schnee
die Herfahrt wurd‘  zur Odyssee.
Die Reise wurde lang und länger,
und die Gemüter bang und bänger ,
denn  neu war uns  Neuharlingersiel , -
auch von Friesland wußten wir nicht viel.
Ein Ehepaar aus  Wilhelmshafen
bot uns schon an, bei ihm zu schlafen,
doch Fortuna tat sich freundlich zeigen,
ließ uns am richt‘gen Ort aussteigen:.
Das Stellwerk war schon informiert,
der ganze Bahnhof alarmiert,
der  Lautsprecher  rief laut es aus :
Die  „Ossis“ müssen jetzt  hier  raus!“
Clemens und Günter Dieke harrten
schon  auf die  Frost-  und  Schreckerstarrten ,
und haben sie in tiefer Nacht
trotz Glatteis sicher hergebracht,
hier, zu dem neuen Arbeitsfeld ,
was  Franz  nun in den Händen hält .
Ein  „Knusperhäuschen“  nahm sie auf .
Bald nahm der Festtag  seinen Lauf.
Heute   nun   Ost und Westen,  Dorf und Stadt ,
sich fröhlich hier versammelt hat..
Auch die Familie, eng verbunden ,
hat sich vollzählig  eingefunden,
um  fünfzig Jahre zu begießen ,
die Franz zum Manne reifen ließen , .
der sich, in seines Schaffens Blüte ,
mit Schöpferkraft durchs Leben mühte .
Das Glück stellte seine Weichen dann ,
als Ilse er für sich gewann.
In schweren und in frohen Tagen
sie nun  Last und Lust gemeinsam tragen .
Beruf und Familie eng verbunden ,
so habt Ihr zweifaches  Glück gefunden ,
ein Glück voll segensreicher Kraft,
was Gutes  nur weit  im Umfeld  schafft !.
Bleibe  lange  noch Eure Kraft erhalten
um vereint das Leben zu gestalten ,
ein Leben,  inhaltsreich  und  schön !
wünscht Euch ganz lieb      Dada  aus der Rhön !                (DND)

35.  Kapitel  
ROSENECK-SINGEN und schon  bald  die    600 – JAHRFEIER

Schon im folgenden Jahr wurde das Winteraustreiben für ein Jahrzehnt  der Auftakt  für das  sommerliche  Roseneck-Singen, zu dem sich ,  wenn es das Wetter erlaubte , an freien Sonnabenden jeder ,  der Lust daran hatte, abends zum gemeinsamen Singen einfinden konnte.Zur Freude  von Groß und Klein  betrachtete es Arno nie  als Belastung,  und wurde  nicht müde, die fröhlichen Sänger  durch seine  aufmunternde   Akkordeonbegleitung und seinen schier unerschöpflichen Liedervorrat  mit auf seine musikalischen Reisen zu nehmen.
So fand sich dann zwanglos  Jung und Alt hier ein,  viele alte Völkslieder
wurden wieder ins Gedächtnis gerufen, und zum Abschluß  gab es leckere
Bratwürste der Fleischerei  Jacob,  die dann auch gebührend  mit  ihrem Lied , welches die Hofsänger bei ihrem Vortrag von den Berufen im Dorf  nach der Melodie der „Salzburger Nockerln“ auf der Bühne mit ihnen gesungen hatten, gelobt wurden:
Thüringer Bratwürscht, Thüringer Bratwürscht            
schmecken so herrlich, und duften so fein.
Thüringer Bratwürscht, Thüringer Bratwürscht
sollen von Jacobs nur sein!
Wie schmackhaft und prall  die der Karl machen kann,
wie freundlich das Gretchen sie uns bietet an !
Thüringer Bratwürscht, Thüringer Bratwürscht ,
nirgendwo schmecken sie sooo !
Thüringer Bratwürscht, Thüringer Bratwürscht
sind  Spitze !  Sind Weltniveau !!                                (DND)
Doch hatte man sich hier auch schon Gedanken  über die Gestaltung eines
in den kommenden Jahren bevorstehenden  großen  Ereignisses  gemacht,
nämlich  das sechshunderjährige Bestehen des Dorfes.  Dada  hatte  im Dorf schon  mal  gehört,  daß ein alleinstehender Lehrer aus Unterbreizbach  ,  Valentin  Pforr  (1911 – 1950 ) , nach dem Krieg todkrank , bis zu seinem Tod schwer leidend  in seinem Elternhaus  bei seinem Bruder Johannes  gelebt habe, und  sich in dieser kurzen Zeit bis zuletzt bemühte  ,  die noch vorhandenen Fakten  für eine Chronik zusammenzutragen.  Sie war glücklich, aber auch überrascht,  daß sie diesen wertvollen Hefter sofort,  ohne großes „wenn – und aber“- , von seiner Schwägerin,  Elfriede Heerdegen, ausgehändigt bekam,  sie  diesen kopieren-,  und die Kopie  der Gemeinde zur Einsicht  überlassen  durfte.  Sie  konnte  sich nun von der Übereinstimmung der Fakten  im amtlichen Registraturbild des Gemeindeamtes mit seinen  Angaben überzeugen.  Er hatte diese  aber wahrscheinlich  daraus  übernommen.  Als Ersterwähnung  wurde  eine  Urkunde  des  damals zuständigen Amtes Vacha genannt, die besagte,  daß Unterbreizbach,  ein Gutshof  der Adelsfamilie Breizbach, im Jahr  1406  vom „Amt  Vach“,  das zu  Sachsen-Weimar  gehörte,  an Hessen verpfändet wurde .  Von hier übernommen hatte  er wohl auch,  daß der Ort bis auf eine  kurze Zeit nach 1920  nie ein eigenes Wappen führte, und daß dieses Wappen, welches auf Anordnung  der Obrigkeit erstellt wurde,  durch einen Wasserkrug auf die mühsame  Wasserversorgung des Ortes -,  und durch drei Fischreusen  auf den Fischreichtum der Ulster hinweisen würde.  Er ergänzte  diese Fakten  durch das Wissen vcn  Pfarrer Dahinten, daß es nach dem ersten Weltkrieg, als  aus dem Königreich Deutschland eine Republik wurde  und eine  neue Verwaltung aufgebaut werden mußte, es Bezirksdirektor (Landrat) Baron von Gross  war ,der allen Gemeinden  vorschlug,  ein Wappen zu führen,  welche  aber durch die Naziherrschaft  1930  wieder ungültig  wurden.

36.  Kapitel         ALS  DER  BODEN  UNTER  DEN  FÜSSEN  BEBTE  

Inzwischen aber hatte sich in  der  DDR  seit 1985 , als Michael Gorbatschow in
der  UdSSR  ,  der Besatzungemacht von Ostdeutschland,  die Herrschaft
übernommen  hatte  und  im Januar 1987  seine Absicht  nochmal  bekräftigte ,
durch Offenheit  und  Umbau  den kalten Krieg weltweit beenden zu wollen,     
eine spürbar spannungegeladene  Stimmung ausgebreitet.  Denn völlig entgegen
der bisherigen  Haltung  hatte Honnecker diesem  Reformkurs  sofort im Februar
eine Absage erteilt,  und Chefideologe  Kurt Hager  erklärte im März,  der
Tapetenwechsel eines Nachbarn  müsse  nicht unbedingt nachgeahmt werden !
Diese Stimmung hatte Dada in die Texte für die Hofsännger zum  11.11.1988
eingebaut.  Als sie diese  aber im September den Sängern , wie üblich,  das erste
Mal vorstellte, machte sie schon vorher darauf aufmerksam, daß sie  den  
folgenden  Teil  bei  Bedenken  auch streichen  würde .
:               
Zum 11.11.1988                 
Jahr  88  ,  warst  halt  ein  Schaltjahr  du .
drum wurde umgeschaltet und manches  gewechselt im Nu!
Schaltjahr ist’s, und wir schalten alle mit ,               
und die Wende macht uns Spaß,,machen einen Wechselschritt!
Solo  /   Helmuth Rehm          (Melodie  „Leis das Glöckchen-“)     
Leis‘ die Hoffnung erwächst
auf  Frieden  auf  Erden .
Gorbatschow  zwingt  den Krieg in die Knie !
Läßt  Pjerestroika  zum Zauberwort werden ,
das auch dort  ändert, wo man wollte es nie!
Glasnost  nennt  er den Weg.
der die Welt führt zum Ziele ,
denn  verändern kann nur der,  der weiß !
Glasnost wurde zum Albtraum für viele –
und den Gestrigen  wird der Boden nun heiß !
Solo  /  Achim Koch            (Melodie  „Katjuscha“)
Aber wir,  wir sehn die große Wende
voller  Achtung,  und voll Sympathie.                                           
Woll’n  den  Weg  führ’n  gemeinsam zu Ende ,
Atomfriedhof  wird  unsre  Welt  dann  nie !            
Nach ihrem Vortrag betretenes Schweigen. Dada wollte schon streichen.
„Nein!“  Heftiger Einspruch:“ Das singen wir,- und genau so, wie du es geschrieben hast!
Aber unsre Zahnbürsten bringen wir lieber mit!“ - Sie wurden  nicht gebraucht !
VERBOT  DES   „ SPUTNIK“
Doch schon am 18. November  erfolgte  ein  ungeheuerlicher  Affront  der DDR
gegen Gorbatschow.   „ Sputnik“ ,  die   bisher  hochgelobte  Taschenbuch -
Ausgabe  einer Sammlung von aktuellen Beiträgen sowjetischer Medien, durfte
in  der DDR  ab sofort nicht mehr  verkauft werden !!   
Doch Dada jubelte: „Nun werden die  russischen Panzer nicht mehr, wie am 17.Juni, unsre Regierung retten!  -  Meinen nächsten runden Geburtstag werden wir im Grenzgebiet  mit unseren westdeutschen  Verwandten  feiern !!“

DOCH  WIEDER  EIN  GRUBENBEBEN         

Auch im heimatlichen Umfeld gab es zusätzliche Verunsicherung, Mißtrauen
und Befürchtungen .  Seit dem Grubenbeben  unter Sünna  war die Schuldfrage
ein ungeklärter Streitfall, ob  es durch die minimierten Stützpfeiler  oder durch
die  Laugenverpressung  der angrenzenden Westberiebe verursacht wurde .
Inzwischen beklagten etliche Rhöngemeinden jedoch,daß sie um die Mittagszeit,
wenn im Merkerser Schacht gesprengt würde,  zunehmend lautes Grollen
hörten,  die Wände erzitterten und die Gläser in den Schränken  klirrten . Die
Bewohner fürchteten natürlich  ein zweites Beben und hatten schon etliche
Versammlungen  erzwungen.  
Die Vertreter der Kali-Industrie behaupteten allerdings immer wieder,  daß keinerlei Gefährdung  bestünde.   Jedoch am 13.März,  Dada war gerade in der Küche beschäftigt,  begann das Haus plötzlich wie  ein Schiff zu schwanken ,   -  ein Blick auf die Uhr :  Aha !  Kurz  nach 14oo  Uhr! , - während in Völkershausen der Boden um einen Meter in die Tiefe sackte  und  achtzig  Prozent des Dorfes  zerstört wurde . Unter  ihnen,  auf 6,8    Quadratkilometern  Abbaufläche ,  waren  3.200  Stützpfeiler  blitzartig zusammengebrochen.
Hatte  man  etwa bewußt falsch informiert  und auf  Zeit  gespielt ??      

37.  Kapitel     IRRTUM  VOM  AMT  UND  RÜCKBLICK

Überraschend wurde Anfang  1989  in den Urkunden des Closters Creuzburg ein
Revers , bereits aus  dem Jahre  1390, an den Abt von Fulda  gefunden,  welches
das „Guth zu Nieder-Breytsbach“ zumVerkauf frei  gab. So stand das große Fest
plötzlich  völlig unerwartet vor der Tür.  Bürgermeisterin  Christa  Draheim
berief  umgehend ein Festkommitee, und die Vorbereitungen begannen. Manche  
Pläne mußten aufgegeben oder geändert werden.  Auch ergab es sich jetzt, daß
die  bisherige Deutung  des Kurzzeitwappens  falsch war.  Es  beinhaltete
stattdessen  Wappenteile  von zwei Adelsfamilien, die lange Zeit die  Besitzer
des Gutes waren,  nämlich  die  Weinbutte aus dem Wappen derer  von  Buttlar ,
sowie  die drei Hifthörner derer von Völkershausen.  Daraufhin beschloß man,
für  die Festtage ein gesondertes,  gegenwartsbezogenes  Wappen  zu  gestalten ,
eine Aufgabe,  die Dada gerne übernahm.  Sie  wählte  als  Symbolik  für das
heutige  Dorf  seine  drei wichtigsten Arbeitgeber : die Landwirtschaft,  den
florierenden  Kalischacht,  aber  auch die Baufirma  Otto  Wittich, die  den
Wiederaufbau  von  Unterbreizbach  nach der Brandzerstörung  1945
entscheidend  unterstützte  und das neue Ortsbild geprägt hat.  
Die Festwoche  wurde  in den Monat  August  199O  gelegt  und sollte  mit einem großen    Umzug durch das Dorf  gekrönt werden.   Durch  beste  Möglichkeiten  dafür  sollte für die  Festsitzung  auch ein kleiner Film  in  Kinofilm-Format  gedreht  werden, der zeigen sollte,  wie heute,  nach sechshundert Jahren,  die Kinder  in  Unterbreizbach aufwachsen. Der Lehrer Erwin Denner, der einen Foto-Zirkel   in der Schule  leitete,  sowie der Fimvorführer des  Ortes ,  Lothar  Portius .   der privat in Besitz der dazu benötigten Geräte gekommen  war,  sagten sofort  ihre Mitarbeit zu,  ebenso, wie alle der jetzt anstehenden zahlreichen Aufgaben   mühelos  aufgeteilt  werden  konnten.    
Die Freude aber auf dieses gemeinsame
Jahrhundertereignis  hatte  in kürzester Zeit das ganze Dorf erfaßt .
Während Dada nun zuerst vorwiegend damit beschäftigt war, für den Film ein  
kleines Drehbuch zu erarbeiten und auch schon erste Dreharbeiten vorbereitete,
wanderten  ihre Gedanken unwillkürlich zu den bisherigen Lebenswegen   
ihrer drei nun schon  erwachsenen Töchter,  die ihre Kindheit ja auch in
Unterbreizbach verlebt hatten :  -   Christiane, ihre  „Große“ , war nach ihrer
baldigen Scheidung noch während des Studiums in Jena von einem
Studienkollegen  der Zahnmedizin  heftig umworben worden, als sie sich in der  
Studentenkneipe  „Zur  Rose“ an einem Zirkel für  „Schreibende  Arbeiter“
beteiligte,  hatte wieder geheiratet und hieß nun Hering.  Das führte zu folgender
Begebenheit : Während eines Pflichtkurses für Zivilverteidigung  hatte sie  eine
Gruppenführerin  namens  Bratfisch.  So wurde ihre Meldung  zum täglichen
Fahnenappell am frühen Morgen  zur großen Lachnummer , als Christiane
selbigen vorschriftsmäßig eröffnete mit:  „ Hering  meldet  Bratfisch  !“   ,  
obwohl die Mädchen  dort während der Ausbildung  nichts zu Lachen hatten.
Später war „Die Rose“ eines Tages verschlossen.   Niemand wußte, warum,  bis
der Westsender „Rias“ meldete,  daß dort einige Mitglieder verhaftet wurden .
Inzwischen  aber arbeitete sie als Frauenärztin im Vogtland,  hatte zwei Kinder,
und  erfuhr später aus ihrer Akte:  Ihr Mann war einst ihr erster Stasibeobachter .
Auch Franziska , ebenfalls mit glänzendem Abiturzeugnis, - sie hatte sich
für ein Technisches Studium in Merseburg entschieden,   hatte zu Beginn,  trotz
Bedenken der Eltern. einen ehemaligen Klassenkamereden  geheiratet. Nun war
schon ein Kind unterwegs,   aber da der junge Mann seine Berufsausbildung
bei Kali schon abgeschlossen hatte, wollte er nach der Geburt mit nach
Merseburg ziehen,  dort arbeiten  und sich mit um das Kind kümmern.  Jedoch   
seine Eltern betrieben neben ihrem Beruf eine kleine Landwirtschaft , konnten
die schwere Arbeit zwar nicht mehr alleine  bewältigen,  wollten sie aber auch
nicht  aufgeben.   So blieb Franziska in Merseburg mit dem Kind allein .  Sogar
mit besten Studienergebnissen, denn sie sollte nach Moskau deligiert werden.      
Allein weiterhin, auch als ein zweitrs Kind  geboren wurde. Zwar wurde es nach
einem halben Jahr bedrohlich krank und  nun von seiner Oma in Unterbreizbach
lange Zeit betreut, wo bereits die früher immer so hilfsbereite  Pate,  inzwischen
jedoch alt, sowie  schwer an „Alzheimer“ leidend,  in Obhut genommen wurde .
Als sich  aber eine dritte Schwangerschaft einstellte, gab sie ihr Studium auf.
Die kleine Familie zog nun  in die Schlafetage  über der Wohnetage  im  Haus.
der Schwiegereltern, , doch ohne Toilette und ohne Wasserzu -  noch  Abfluß.
Auch  durfte Franzi , die es als Kind zu Hause nie anders gekannt hatte , als daß
der Hund als bester Freund  inmitten der Familie lebte,  ihren Hund nicht mit ins
Haus nehmen.  Er mußte in einem kleinen Zwinger hinter der Scheune bleiben.
Probleme  waren also vorprogrammiert . Aber jetzt, im Mai , wurde erstmal
wieder  mit Spannung und den  besten Wünschen  das vierte Kindchen erwartet .
Als letzte nun hatte auch Nesthäkchen Antonia  das  Elternhaus verlassen ,
um einen zehn Jahre älteren Mann zu heiraten,  der gerade von seiner Frau und
Kind geschieden worden war, später aber wieder zu ihnen zurückkehrte.  Tonia
war nach dem  verhängnisvollen  Klassenaustausch  nur noch ungern zur  Schule
gegangen, die einst glänzenden Zensuren verloren ihren Glanz, und  obendrein
hatte ihr langjähriger Klassenlehrer es  in dieser langen  Zeit  nicht  vermocht ,
laut seiner Beurteilung auf ihrem Abgangszeugnis auch nur ein einziges gutes
Haar an ihr zu entdecken . So bekam sie alle ihre  Bewerbungen, um sich ihren
sehnlichsten  Wunsch zu  erfüllen,   einmal in einem Gestüt lernen und arbeiten
zu dürfen ,  mit einer Ablehnung  zurück.  Als schwachen Trost setzte sie  nun
ihre Tierliebe  für Rinder,  statt für Pferde ein.   Auch sie erwartete noch  in
diesem Jahr ihr zweites Kind.  -        Dadas  Bilanz war also nicht nur positiv.                 
Folgten die Töchter ihrer Zuneigung zu unkritisch ? Hätten die Eltern doch mehr
Einfluß nehmen sollen? Doch sie hatten immer gemeinsam einen Weg gefunden  

38.  Kapitel
        KOMMUNALWAHLEN   und   PODIUM - DISKUSSION

Die Stimmung in der Bevölkerung jedoch wurde immer gereizter. Als aber dann
am  2.Mai  Ungarn begann,  seine  Grenzbefestigungen abzubauen  und damit
der eiserne  Sperrgürtel seine ersten sichtbaren Risse bekam, setzte eine riesige
Fluchtbewegung ein.  Am 7.Mai folgten in der  DDR  die Kommunalwahlen .
die in den kleineren Gemeinden  noch einigermaßen übersichtlich verliefen .
Dada wurde, wie bereits in den vergangenen  fünfundzwanzig Jahren, wieder für
den Kulturbund in den Gemeinderat gewählt. Aber in den Großstädten  wagte
man sich nun,  zu kontrollieren,  und  konnte  dort gewaltige Wahlfälschungen
aufdecken.  Als dann am am 4. Juni in China hunderttausend Demomstranten
einfach niedergewalzt wurden,  ohne daß die DDR, wie andere  Länder,
protestierte, erhob sich ein Sturm der Entrüstung, begleitet von Demonstrationen
und  danach Verhaftungen.  Jetzt organisierte sich der Widerstand:  Am 11.Sept.
wurde das  „Neue Forum“  gegründet , zwar am 21.Sept. abgelehnt, doch schon
bald  folgten weitere Protestgruppen, und am 7.Okt.die Neugründung der SDP  .
Als Gorbatschow zum Nationalfeiertag  eintraf, warnte er: “Wer zu späi kommt ,
den bestraft das Leben“,   - doch es war bereits zu spät. Angesichts  der
unübersehbaren Protestmärsche im Land, vorallem aber in Leipzig, verbot
Honnecker dort zwar am 13.Okt. den Einsatz von Schußwaffen, aber am 18.Okt.
wurde er schon abgesetzt und von Egon Krenz abgelöst. Niemand wußte, wie  
wird es weitergehen?  Die Menschen in der DDR drängten auf Veränderung und  
die Abschaffung der Bevormundung , der  Abgrenzung, sowie  der verdeckten
„Zweiklassengesellschaft“,  nämlich  die  der  „ Freunde  und  Genosssen “ .
Diese Forderungen sollten auch in Unterbreizbach  am  6.Nov. im Kulturhaus
öffentlich formuliert werden . Auch Dada fühlte sich verpflichtet, ihre
Meinung hier einzubringen.  Um nichts zu vergessen, hatte sie, entgegen ihrer
sonstigen Gewohnheit,  damals ihre Gedanken vorher  aufgeschrieben :
Unterbreizbach .  6.November  1989
Liebe  Unterbreizbacher ,  
Sein,   oder   Nichtsein  ?     Das  ist die Frage !
Diese Feststellung Hamlets,  auf unseren Staat übertragen,  hat uns heute
zusammengeführt.  Seit die Todesgrenze in Ungarn,  und besonders jetzt
auch in der  CSSR ,  wie ein Geschwür an der alles erstickenden Zwangsjacke
aufgebrochen ist,  und das ständige Aussickern unseres Herzblutes, nämlich
unserer jungen Generation , den Organismus unseres Staares  unaufhörlich
dahinsiechen läßt, sind wir vor diese Frage gestellt,  wenn wir diese
lebensbedrohliche Situation nicht durch einen sofortigen Eingriff zu beherrschen
versuchen.  Das inzwischen vorgeschlagene Reisegesetz  hat  den Strom nicht
aufhalten können :  Die Menschen erwarten keine erzwungenen einzelnen
Zugeständnisse,  sondern die uneingeschränkte Möglichkeit des Volkes ,  die
Regierungsform des Staates selbst  zu bestimmen !
Wie konnte  es soweit kommen?
Der nach dem Krieg eingeschlagene Weg war sicher notwendig, zumal von der
Siegermacht grfordert.  Doch was ist aus dem Ansatz eines sozialistischen
Staates , in dem die Mehrzahl des Volkes, die Arbeiterklasse, wirksam vertreten
ist als Gradmesser der sozialen Gerechtigkeit,  geworden?
Was aus unserer Arbeiterpartei ?
Unsere Regierung und ihre Partei /-en  nutzten die zunehmende Sebstständigkeit
keineswegs zur Sozialisierung,  sondern zur Festigung ihrer eigenen Macht und
ihrer Vorteile, während  das sogenannte Volk mehr und mehr zum willenlosen
Befehlsempfänger degradiert wurde. Die Grundvoraussetzung einer
sozialistischen Staatspolitik,  die Dialektik, wurde nicht nur negiert und     
unterdrückt,  sondern  jede unerwünschte andere Meinung grausam bestraft.
Regierung und Regierungspartei haben den Sozialismus bewußt verraten .
Konnten erfahrene Kumpel den Rückbau der Sicherheitspfeiler stoppen ?
Konnten sie das Bergmannsfest am eigenen Standort erhalten ?
Konnten die Bauern ihrem Vieh den Wahnsinn der Offenställe ersparen ?
Konnte man Zwangsaussiedlungen verhindern ?
Konnte man von Verhafteten ihren Aufenthaltsort oder den Grund erfahren ?
Zuletzt überhörte man sogar geflissentlich die warnenden Signale des
angeblichen Vorbildes,  der Sowjetunion.  Durch die nun endlich offenen.
Diskussionen weiß man nun auch, warum, denn fast unaufzählbar sind die
vielen  aufgedeckten Verfehlungen und Privilegien unserer herrschenden  
Klasse. Ihre Aufforderung . Arbeiten, arbeiten, arbeiten ! Damit es u n s  besser
geht ! (noch besser!) , hat unsere Jugend nun offenbar satt.  Sie will nicht mehr
für den Luxus unserer selbsternannten  Regierenden arbeiten, sondern fordert
den gleichen Wohlstand . Und sie fordert eine Regierung, die sie aus Politikern
ihres Vertrauens selbst auswählen kann.      Daher fordere ich :
Sofortige Vorbereitung freier Wahlen
Uneingeschränkte  Reisefreiheit
Fortfall der Grenzgebietsbeschränkungen
Tendenzfreie Bildungspolitik
Wiedergutmachung für die zwangsausgesiedelten Bürger
Spitzenbehandlung und  -Medikamente nicht nur in Regierungskliniken
Abschaffung der Privilegien   !      -
Mit großer Zivilcourage wurden schon vor uns viele konstruktive Diskussionen
geführt. Laßt uns durch gute Vorschläge und kluges Handeln unser Land wieder
für  Alle!  lebens- und liebenswert gestalten , die Volksweisheit  befolgend :
Rechtssicherheit  spart  Staatssicherheit     (C.Wolf)           oder
Wer heute den Kopf in den Sand steckt, wird morgen mit den Zähnen knirschen!  



39.  Kapitel                      JAHRESENDE   -   ZEITENWENDE


November  1989  -  wieder stand die Veranstaltung des Karnevalvereins  zum
11.11.  unmittelbar bevor .  Aber inzwischen hatte keiner der Hofsänger  mehr
die geringsten Bedenken gehabt,  Dadas  aggressive  Texte zu singen:
Nun geht sie los,- des Volkes Macht   (Melodie-„ Die friesische Nacht“)
1.)          Viel Jugend setzte sich in Trab ,
und stimmte mit den Füßen ab .
Laßt das Land nicht verbluten,
darum bleiben wir hier ,
Falsches muß sich jetzt ändern,
das verlangen wir !
Taram tam tam      trampeln wir mit dem Schuh,
Taram tam tam,     das Akkordeon  dazu .
Taram tam tam,     trampeln wir,  und es kracht .
Nun geht sie los, des Volkes Macht !
Oho.  oho,  des Volkes Macht !
2.)          „War’n  im Urlaub  Sie wirklich,  Herr Bezirkssekretär ,
mit Frau in Italien ?!“ , so fragte einst wer .
Antwort :  „Meine Privatangelegenheit !!“
„Ja, warum nicht auch unsre??  Doch  bald ist es soweit !!“
Taram,tam tam  - - -
Doch dann überschlugen sich die Ereignisse.
Am 7.November trat der Ministerrat unter Willi Stoph  zurück,
und am 8. 11. geschlossen  das  Politbüro.  Dann aber,  am 9.November,
verkündete Günter Schabowski,  in einer Pressekonferenz dazu befragt,
unversehens :  „Die Grenzen ? ?  -  die  sind geöffnet .“  ,  doch  wie  ein
Lauffeuer setzte sich unmittelbar danach ein Menschenstrom
zwischen Ost und West  in Bewegunng,  sodaß Dada schon für den
Veranstaltungsabend  einen dritten  Vers  hinzufügen konnte:
3.)         Unser Land ist nun offen,  Drohnen müssen gehn!
Freudig können wir hoffen: Jetzt wird’s vorwärts gehen!
Ein  freies Volk, auf freiem Grund !
Helft, daß immer wirs bleiben  ab dieser  Stund !
Während dann am Sonntag-Nachmittag  das Prgramm für die
Kalikumpel  nochmal  gezeigt wurde, kursierte schon das Gerücht ,
daß an der Vachaer Brücke bereits die Betonmauern  abgebrochen
würden, was aber die meisten anzweifelten. Als aber Arno und Dada
am Abend  ziemlich abgekämpft wieder zu Hause waren und den
Fernseher anstellten, wurde hier gerade übertragen,wie sich auf der
Brücke zwischen Philppsthal  und Vacha  die  Menschen  begeistert und
ergriffen  in den Armen lagen. Nun war die Müdigkeit verflogen und es gab kein
Halten mehr  -  sie fuhren nach Vacha , erstmal auf den Markt.  Aber  von dort
zur Brücke  war noch alles zugemauert. Sie mußten also durch die westlichen
Gartenanlagen bis zur Werra - , und  am Ufer entlang zur Brücke laufen .
Bald waren sie in der jubelnden Menschenmenge untergetauchtt und  mit ihr
über die Brücke geschoben worden, wo auf der anderen Seite aus einer nicht
endenden  Autoschlange ebenso völlig aufgelöste Insassen winkten und
grüßten.  Während sie noch tief beeindruckt  verharrten,  kam das Breizbacher
Prinzenpaar mit seinem Gefolge über die Brücke auf sie zu, ausgelassenes
Erkennen und gemeinsamer Jubel folgten, sodaß ein danebenstehender,  recht
schwergewichtiger Wessi ,  der sich mit ihnen freute, schließlich belustigt
neckte:  „Guttche,  äi  mocht jo  meen  Kroch , bi där gonz  Triebel zusomme!“,
und Arno, in bester Laune , äffte gleich zurück:“ Unne  ban deu  nich gläich
stille bis , kriste  ne Spritze !!“     -      „Do  biste  wu  nen  Dukter  ??“
„Na  klar !  Direktemang  üüß  Unnerbritzbich !  -
Der nächste Tag verlief weiter, wie in einem Freudenrausch, Das Telefon
klingelte  unentwegt,  Verwandte und Bekannte, sogar Vaters Schwester aus
Frankreich  und ihre Töchter gratulierten und kündigten ihr baldiges Kommen
an,  Da konnten sie also  auch  schon Arnos baldigen sechzigsten Geburtstag .
gemeinsam im Grenzgebiet feiern!  Doch auch bereits heute  war den ganzen
Tag die Wohnung voller Besuch. Als erste kamen die Kameraden vom
Deutschen Roten Kreuz  aus dem Nachbarort Ransbach.  Mitten  im
fröhlichen Geplauder klingelte es an der Haustür Sturm . Draußen ein
Unbekannter:  „Bin ich recht bein  Dukter  von där  Vächer  Brückcn?“
Es  war der gewichtige und lustige Bekannte von der nächtlichen Jubelfeier.
Beim Hereinkommen sah er auf einem Abstelltischchen das Vorbereitungsheft
von  Dada liegen, die letzte Seite noch aufgeschlagen, stutzte , und deklamierte
dann pathetisch, laut , -  und in bestem  Hochdeutsch  :
„Ein  freies Land,  auf freiem Grund !  -
Helft, daß wir’s immer bleiben ab dieser Stund !“
Doch man hörte,  daß seine Stimme ein kleinwenig  zitterte .        



Bemerkung des Webmasters: Der komplette Text wird noch in Form gebracht, auch kommen Fotos in die einzelnen Kapitel.


























Meine Eltern Magda und Dr. Günther Deilmann










In Merkers in Merkers - Die Nennstiele


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Ehrenbürger Kreyenberggemeinde


Der 4. Mai 1945 in Osthessen News am 6.7.2008


Günther Deilmann in "Freiheit und Demokratie