| E I N E R H Ö N E R F A M I L I E N G E S C H I C H T E D E S 2 O. J A H R H U N D E R T S
T E I L III 196O – 199O
D I E D O K T E R S C H V O N U N T E R B R E I Z B A C H
Nach den Erinnerungen von Dorothea Nennstiel-Deilmann
Illustrarionen von Horst Saar
EINE RHÖNER FAMILIENGESCHICHTE IN DREI TEILEN I N H A L T S V E R Z E I C H N I S T E I L I I I D I E D O K T E R S C H V O N U N T E R B R E I Z B A C H 1. Kapitel Zurück in die Rhön 2. Kapitel Kali – Dok und Doktersche 3. Kapitel Weichenstellung 4. Kapitel PH ! Machenses uns doch vor ! 5. Kapitel Matthäuspassion in der Kornbergstraße 6. Kapitel Christiane und die Pest 7. Kapitel Aktion Kornblume 8. Kapitel Abschied von Arka 9. Kapitel Urlaub in Bulgarien 10. Kapitel Unerwartete Verletzung 11. Kapitel Diesmal ein kleines Negerlein 12. Kapitel Friedels Hochzeit im Hotel Adlon 13. Kapitel Fahrradunfall am „Freien Sonntag“ 14. Kapitel Dr. Hanf , der neue Chefarzt in Vacha 15. Kapitel 1965 – aller guten Dinge sind drei! Antonia
1. Kapitel ZURÜCK IN DIE RHÖN
Kurz vor Weihnachten fuhren Arno und Dada nun mit Kind und Hund zu den Eltern nach Merkers, um nach den Feiertagen Christiane zu ihrer Patentante nach Bad Salzungen zu bringen, die ihnen jederzeit hilfreich zur Seite stand, und Arka bei den Eltern zu lassen, um dann in Ranis den Umzug vorzubereiten, und freuten sich schon auf die unbeschwerten und fröhlichen Weihnachtstage .
Doch die übliche erwartungsfrohe Stimmung war dieses Jahr recht gedämpft, denn inzwischen hatte sich auch Friedel aus der Bundesrepublik gemeldet. Sie hatte im Juli 1958 trotz mehrerer langwieriger Krankenhausaufenthalte an der Bad Salzunger Oberschule ihr Abitur zwar recht gut geschafft, wurde aber indirekt schon darauf hingewiesen, daß sie sich mit Oppositionsgeist und ohne Mitglied der FDJ zu sein, nicht um einen Studienplatz zu bewerben brauche. Daher machte sie ein Praktkum im Labor des ihr als ehemaliger Patientin gut bekannten Städtischen Krankenhauses in Jena , und da es ihr dort sehr gut gefiel und Chefarzt Dr.Rümmler ihr die Ausbildung als MTA (Medizinsch-Technische-Assistentin) anbot, beantragte sie diese . Doch auch das wurde ihr verwehrt . Da packte sie ihre Koffer und konnte inzwischen in Göttingen sogar ihr Wunschfach Psychologie studieren . In Ranis wurde nun gleich nach Neujahr der Möbelwagen beladen , mit dem auch das junge Ehepaar bis nach Merkers mitfuhr, denn von hier aus sollte sie ein Werkswagen abholen, um dann gemeinsam zur neuen Wohnung nach Unterbreizbach zu fahren. Ohne großen Abschieds- schmerz, da sie ja in Ranis kaum Wurzeln geschlagen hatten, überfiel sie aber, als sie an den „Drei Gleichen“ vorbei fuhren, eine innige Willkommensfreude : Jetzt kamen sie wieder in ihre alte Heimat ! In Merkers wurden sie schon von dem Cheffahrer des Kalibetriebes , Erich Thimm, erwartet, der sie vor eventuellen Schwierigkeiten bei ihrer ersten Einfahrt ins Grenzgebiet bewahren sollte. Nach kurzer Pause ging die Fahrt weiter. Doch als sie sich hinter dem Ort Dorndorf der Kontrollstelle näherten und der schier endlos scheinende Stacheldraht- Sperrzaun , sich mitten durch das Land ziehend, vor ihnen lag, während die uniformierten Soldaten sie zum Halten aufforderten, wurde ihnen erstmals beklemmend bewußt, wie isoliert sie hier im Sperrgebiet zukünftig leben würden, da ja nur ihre Verwandten ersten Grades vier Wochen nach einem schriftlichen Antrag für eine besimmte und jeweils nur kurze Zeit zu Besuch kommen durften. Aber das hatten sie ja schon vorher gewußt, und so verflog die bedrückte Stimmung schnell wieder und sie fuhren erwartungsfroh ihrem neuen Leben und dem zukünftigen Arbeitsfeld entgegen .
2. Kapitel KALI - DOK UND DOKTERSCHE Am Kornberg in Unterbreizbach, an einer ehemaligen Direktorenvilla, der jetzigen Betriebsambulanz des Kaliwerkes, gut angekommen, machte sie ihr netter, um eine freundliche Aufnahme besorgte Fahrer Thimm , auf seine fast väterlich freundliche Art in der unteren Ambulanz - Etage des Hauses gleich mit den gerade diensthabenden medizinischen Helfern bekannt . Vorallem mit dem leitenden Sanitäter Paul Bronnert sowie der Laborantin Erika Lippert, an die sie sich nun jederzeit mit Fragen oder Anliegen wenden könnten . Schon wurde der Möbelwagen leergeräumt , und das im Dachgeschoß wohnende Hausmeister-Ehepaar kam auch herunter, um zu helfen. Nun verwandelte sich die obere Etage langsam in eine bereits recht gemütliche Wohnung, besonders durch einen herrlich großen Balkon am Wohnzimmer ideal für Kind und Hund , die ja jetzt auch bald geholt werden konnten. Inzwischen war auch Arnos wichtigste Mitarbeiterin, die Arzthelferin Gerda Träger, die in dem Vierfamilien-Haus der Ambulanz gegenüber eine Wohnung bewohnte , zur Begüßung herüber gekommen. „ Arzthelfer“ war in der DDR ein Zwischenberuf, in dem hochqualifizierte Pflegekräfte nach einer zusätzlichen zweijährigen Ausbildung , unter Aufsicht und Verantwortung eines Arztes, beschränkt ärztlich arbeiten durften. Dadurch konnte hier unter ihrer Regie der wichtiste Versorgungsbetrieb bisher weiterlaufen . Schon am nächsten Tag konnte Arno seine Tätigkeit ohne Schwierigkeiten aufnehmen. Seine Sekretärin, Schwester Lieselotte Lübbert, und sicher auch sein aus Ranis vorausgeeilter guter Ruf, ermöglichten ihm sogleich ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen ersten Patienten. Aus der Werksgarage traf dann sein zukünftiger Fahrer . Paul Jendritzki, mit einem älteren DKW ein , nun sein Dienstwagen, und sie fuhren, um die anstehenden und neu angemeldeten Hausbesuche zu machen, ins Dorf und nach Pferdsdorf . Auf diese Weise spielte sich fast unmerklich der Alltag ein. Aber nur wenige Tage später riß ein Anruf mitten in der Nacht das Ehepaar aus seiner glücklichen Zufriedenheit. Ein verzweifelter Vater rief nach sofortiger Hilfe. Ihr kleiner Säugling,der abends noch völlig in Ordnung schien, würde plötzlich nach Luft ringen und wäre schon ganz blau angelaufen. Der schnell angerufene Fahrer brachte den Arzt umgehend zu dem Kind, aber Arno konnte weder eine Ursache feststellen noch helfen. Da kein Krankenwagen in der Nähe war, fuhren sie das Kindchen in höchster Eile zum nahegelegenen Vachaer Krankenhaus , aber es verstarb noch während der Fahrt. Eine Obduktion wurde angeordnet, doch die Zeitspanne , bis das Ergebnis mitgeteilt wurde, wurde eine fast unerträgliche Belastung für den jungen Arzt und seine Frau durch die quälende Frage, ob er das Kind nicht doch hätte retten können und vielleicht etwas versäumt habe. Jedoch der Befund entlastete ihn dann völlig. Todesursache war eine tuberkulöse Sepsis, eine meist tödliche Blutvergiftung, durch Ansteckung verursacht . Ermittelt wurde : die Hebamme der Entbindungsstation hatte Tuberkulose . Bei den überdurchschnittlichen Arbeitsanforderungen dieser Arztstelle , doch Arnos Ehrgeiz, das in Ranis Erlernte auch weiter anzuwenden, war es gerade jetzt zu Beginn recht günstig, daß Dada noch keine Arbeit aufgenommen hatte, und ihn so jederzeit aus freien Stücken unterstützen konnte. Besonders die Herz-Kreislauf Beschwerden durch körperliche Überlastung, in der Landwirtschaft ja recht häufig, konnten in der Klinik durch eine tägliche Veneninjektion in etwa dreiWochen sichtbar gemildert werden, für die seine Zeit jedoch nicht ausreichte , Da aber auch Dada die Befähigung und Spritzen-Erlaubnis dazu erworben hatte , konnte manchem Patienten auch zu Hause geholfen werden, und für sie war es eine willkommene Gelegenheit, Ort und Menschen hier kennen zu lernen . So war sie eines Tages gerade auf einem kleinen Bauernhof in der Friedhofstraße dabei, der Äller, also der Altbäurin, eine solche „Herzspritze“ zu geben, während Tochter und Enkelchen interessiert zuschauten, als die kleine Sylvia leise, aber unüberhörbar ihrer Mutter zuflüsterte : „Mama, gell, die Doktersche macht das prima“ . – Betretenes Schweigen , - und ein heimlicher Knuff der Mutter. Doch die Kleine flüsterte unverdrossen weiter : „Gell, die Doktersche kann das!“ Aber da war Dada gerade mit Spritzen fertig, und konnte die Frauen lachend damit beruhigen, daß auch sie ja in einem Rhöndorf groß geworden sei, wo die Frau des Dorfarztes die „Doktersche“ war . Ganz im Gegenteil“, fügte sie vergnügt hinzu, „ jetzt fühle ich mich erst so richtig hier zu Hause“ !
3.Kapitel WEICHENSTELLUNG Doch der Besuch des örtlichen Schulleiters Lietz veränderte die Situation schon bald : „Ich habe gehört , Sie haben ein Germanistik-Pädagogik Studium an der Uni Jena nach vier Semestern unterbrechen müssen ? Hier am Ort habe ich nächstes Schuljahr das Problem, daß ich für unsere erste zehnte Klasse,die seit Einführung der „Polytechnischen Zehnjahresschule“ ihren Abschluß macht, noch keinen Deutschlehrer habe. - Falls Sie diesen Unterricht übernehmen würden, könnten Sie während dieser Zeit Ihr Studium extern am „Pädagogischen Institut“ in Erfurt mit einem Fernstudium abschließen “. - Dada war zwar völlig überrascht, sagte aber natürlich sofort zu. Doch als er dann, etwas verlegen, noch fragte, ob sie eventuell auch den Musikunterricht übernehmen würde, denn einen Musiklehrer habe die Schule leider auch noch nicht gefunden , war ihre Freude vollkommen. Musik war schon in ihrer Kindheit wie ein Zauber für sie gewesen und das gemeinsame Singen in der Familie ihr Inbegriff von Nestwärme. Schon vor ihrer Schulzeit probierte sie auf dem Klavier oder einer kleinen Ziehharmonika so lange, bis sie die Melodie aller der ihr bekannten Lieder mit ,zwar recht primitiver, Begleitung richtig spielen konnte, und seit ihrer gemeinsamen Schulzeit war die Musik mit das wichtigste Bindeglied von ihr zu ihrem musikalisch fast professionell ausgebildeten Lebenspartner . Um mit Töchterchen Christiane zu singen , hatte sie sich bereits auf seinem Akkordeon recht gut eingespielt, was ihr beim Unterrichten sicherlich auch sehr helfen würde . Daher zerstreute sie die Sorgen des Direktors bedenkenlos mit einem freudigen , zweiten „Ja!“ , welches wohl den gesamten weiteren Lebensweg in Unterbreizbach beeinflussen sollte .
4.Kapitel Phh ! MACHENSES UNS DOCH VOR !!
Ihr Neuanfang zum Schuljahresbeginn gestaltete sich für Dada recht abwechslungsreich und anstrengend . Zu Beginn erolgte in Erfurt die Aufnahme des Fernstudiums, welches sie nun mit hundertundzwanzig weiteren Teilnehmern begann.. Danach folgte in der Schule die Vorbereitungswoche und sie lernte das Lehrerkollegium kennen und fühlte sich dort gut aufgenommen. Hier wurde ihr nun mitgeteilt, daß sie in zwei Klassen den Deutsch- und Musikunterricht erteilen solle. Der Klasse Zehn mit nur zwölf Schülern , aber auch der Riesenklasse Sieben mit vierundvierzig Schülern, die sie auch als Klassenlehrerin betreuen solle . Das bedeutete zusätzlich, bald einen Elternabend durchzuführen und vierundvierzig Elternbesuche zu machen . Mit freudiger Erwartung ging Dada an die Erfüllung dieser Aufgaben, doch als sie im Sekretariat ihren Elternabend anmelden wollte, erlebte sie erstmals auch eine Enttäuschung: Sie erfuhr, daß es üblich sei, vor der offiziellen Elternversammlung die „Genossen Eltern“ einzuladen, um sie als erste zu informieren und ihre Meinung zu erfragen. Doch danach verlief dann alles problemlos und nach ihren Vorstellungen, nämlich mit der unbedingten Gleichbehandlung aller ihrer Schüler und deren Eltern . Nicht ganz einfach aber gestaltete sich der Beginn in ihrer übergroßen Siebten Klasse, in der nur ein Schüler zur Teilung fehlte, und in der kein Klassenlehrer länger als ein Jahr geblieben war. Leistungen und Disziplin ließen daher recht zu wünschen übrig. Aber Dada nahm ihre Aufgabe, diese dreizehn- bis vierzehnjahrigen Kinder positiv zu formen, mit den besten Vorsätzen an . Sie spürte schnell, daß die hübsche blondlockige Martha, schon ein bißchen „Junge Dame“ , in der Klasse recht beliebt war und vorwiegend hier den Ton angab. Da Martha eine sehr gute Deutsch-Schülerin war, sah Dada keine Schwierigkeit darin, sie für sich zu gewinnen. Aber auf jedes Lob reagierte sie nur mit „Phh“ , und erst recht nach einer Erklärung oder gar Verbesserung erfolgte ihr schnippisches „Phhh!“ . Eines Nachmittags aber, Dada mußte sich noch ein Schulbuch aus dem Lehrerzimmer holen, hörte sie aus dem gegenüberliegenden Gebäude, in dem sich nur der große Klassenraum ihrer „Sieben“ befand, lebhaften Lärm. Als sie beim Nachhausegehen schnell mal dort nachschaute, versuchten hier Martha und einige Mädchen gerade, einen Handstand mit Überschlag zu schaffen. Da konnte sie natürlich gut Ratschläge geben. Aber Marthas spöttische Antwort war nur: „Phh! Machenses uns doch vor !“ Kein Problem ! - Ungläubig staunend bewunderten sie die Mädchen, - Marthas „Phh“ aber hörte sie nie wieder !
5.Kapitel DIE MATTHÄUS – PASSION in der Kornbergstraße
Das erste Jahr in Unterbreizbach war fast wie im Flug vergangen, und die Familie hatte sich ohne Schwierigkeiten hier eingelebt. Da gab es zum Weihnachtsfest eine unerwartete, neue Überraschung : Vom Kaliwerk kam das Angebot, in die freigewordene Wohnung mit Fernheizung und Gartengrundstück des Grubendirektors zu ziehen, der sein neugebautes Eigenheim bezogen hatte. Die würde dann nach ihren Wünschen renoviert und stünde ab Frühjahr für sie bereit, könnte aber jederzeit jetzt schon besichtigt werden. Ihre jetzige Wohnung würde dann zur Erweiterung der Ambulanz genutzt werden. Die Besichtigung erfolgte bald und versprach eine weitere Verbesserung ihrer Lebensqualität . Besonders ein sehr großes Wohnzimmer war wie geschaffen dafür, um hier Musik zu machen und zu hören . Als ihr Wunsch , dort statt der Deckenlampe mehrere Wandleuchten anzubringen, ohne weiteres erfüllt wurde, und der Raum mit Klavier, moderner Musikanlage und statt eines Sofas mit zwölf leichten Sesseln eingerichtet war, war das Ehepaar überglücklich, nun für ihr gemeinsames Hobby einen so wunderschönen Raum zu haben und sie nahmen den Umzug in die nur etwa dreihundert Meter entfernte neue Wohnung gerne in Kauf, obwohl die beruflichen Anforderungen während dieser Zeit unvermindert weiterliefen , jedoch die Unterstützung von Ehepaar Johne eine große Entlastung war . Arno war meist den ganzen Tag unterwegs und kam oft erst am späten Abend nach Hause ,während dann bei Dada mit Unterrichts – Vorbereitung und Heftdurchsichten die Arbeit nochmal begann. Die gemeinsamen Mahlzeiten aber, wenn auch meist zu ungewöhnlicher Zeit , wurden täglich eingehalten. Inzwischen war es kurz vor Ostern geworden, und der Lehrplan für die Klasse Zehn sah für den Musikunterricht jetzt die Behandlung der „Matthäus-Passion“ vor , dem Bibeltext vom Leben und Leiden Jesu, einst beschrieben von dem Evangelisten Matthäus und als „Karfreitagsmusik“ für die Messe derThomas-Kirche in Leipzig 1729 von dem damaligen Thomas-Kantor Johann Sebastian Bach vertont . Dada begann ihre Vorbereitung mit großem Respekt, aber auch mit der Befürchtung, daß sie die jungen,modernen Jugendlichen mit diesen uralten Begebenheiten nicht mehr erreichen könnte. Doch , da würde ihr das schöne Musikzimmer , für die kleine Zehnerklasse genau ausreichend , vielleicht helfen? Es gelang ! In dem feierlichen Ambiente , begleitet von der eindringlichen Musik J.S. Bachs, wurde die Mahnung voll erfaßt , daß seit der Hinrichtung von Jesu , über Bachs Lebenszeit , bis in unsere heutige Gegenwart , also einer riesigen Zeitspanne, unzählige Menschen umgebracht wurden, die sich bewußt für ein lebenswertes Leben a l l e r Menschen geopfert haben,und nicht,wie leider eine große Menschenmasse, auf Forderung der Obrigkeit bedenkenlos und nach Bedarf gerufen haben : „Hosianna“, oder ebenso bedenkenlos : „Kreuzigt ihn!“ Die sonst so lebhaften Schüler verließen tief berührt die Unterrichtsstunde.
6.Kapitel CHRISTIANE UND DIE PEST
Es war Sonntagmorgen, Dada war gerade dabei, den Tisch für eine reichliche Frühstückstafel zu decken, da die Familie einen größeren Spaziergang machen wollte , und Christiane hörte unterdessen im Radio eine Kindersendung. Plötzlich rannte sie ganz aufgeregt in die Küche : „Mama, was ist denn die Pest?“ Doch die Mutter konnte sie schnell damit beruhigen, daß es zwar eine meist tödliche Krankheit sei, die es aber schon seit langer Zeit nicht mehr gäbe. In der Radiosendung hatte man nämlich das Gedicht von Agnes Miegel „Die Frauen von Nidden “ welche sich einst zum Sterben in die Sanddünen gelegt haben sollen, als alle anderen Bewohner der kleinen Ostseeinsel an der Pest verstorben waren. „Und wie haben die gemerkt, daß sie die Pest haben?“ , fragte die Kleine noch. „ Das waren viele dunkle Flecken und Beulen am Körper, die Pestbeulen“, wußte Dada aus Berichten von damals . Doch dann war diese düstere Begebenheit schnell vergessen und abends, nach einem wunderschönen Sonntagsausflug mit Arka wurde die Kleine vergnügt ins Bettchen gebracht, bevor die Eltern heute auch zum üblichen Wochenend- Doppelkopfspiel ihrer Eltern mit Ehepaar Krause nach Merkers fahren konnten . Bei Janchen gab es, wenn die beiden mal ausgingen , solange Arka bei ihr war, nicht die geringsten Probleme . Im Gegenteil, sie fragte sogar danach. Da eine „sturmfreie Bude“ ja noch nicht der Grund sein konnte, fragte die Mutter dann doch mal nach: „Warum sollen wir denn ausgehen?“-„Da machst du dich immer so fein!“,die verblüffende Antwort. In Merkers war es schon recht spät geworden, als die letzte Doppelkopf - Runde beginnen sollte. Doch da klingelte das Telefon. Aus der Ambulanz von Unterbreizbach meldete sich völlig aufgelöst die Nachtschwester: „Eben ist Ihre Christiane mit dem großen Hund hier reingekommen: Ich müsse sofort bei Ihnen anrufen, daß Sie zurückkommen sollen, weil sie die Pest hätte! Dada ahnte schon einen Zusammenhang mit der Radiosendung vom Morgen. Aber da ausgerechnet Schwester Ursel, die panische Angst vor Arka hatte, heute im Nachtdienst war, waren keine weiteren Fragen angebracht und sie fuhren umgehend zurück. Als sie in der Ambulanz ankamen, saß Schwester Ursel völlig entnervt im Sprechzimmer, während Christiane mit Arka im kleinen Nebenzimmer wohlbehalten auf sie gewartet hatte und ihnen schon gleich ihre nackten Ärmchen und Beinchen entgegenstrcckte, die sie vorm Einschlafen vorsichtshalber noch mal kontrolliert hatte. Und tatsächlich , da waren ,wie durch ihr recht oft ausgelassenes Herumtoben und Klettern jedoch an der Tagesordnung, reichlich blaue Flecken und Beulen zu finden .
7.Kapitel AKTION KORNBLUME
Wieder war es spät in Merkers geworden ! Die Familie hatte in den Geburtstag des Vaters am 3.Oktober 1961 hineingefeiert, und als die drei Geburtstagsgäste aus Unterbreizbach spät nachts nun wieder zu Hause in ihren Betten lagen, waren sie bald fest eingeschlafen. Da aber klingelte das Telefon, obwohl Arno heute gar keinen Dienst hatte . Dada stockte fast der Atem, als sie mithörte, daß es der Kreisarzt war, der Arno dazu aufforderte, sich umgehend einer amtlichen Gruppe anzuschließen , die in Breizbach mit dem Auftrag, unzuverlässige Bewohner aus dem Grenzgebiet zu evakuieren, schon bereit stünde, um bei eventuellen Zwischenfällen sofort Hilfe leisten zu können . Wie vom Blitz getroffen und wieder hellwach war sich das Ehepaar, das diese Situation ja schon einmal 1952 gemeinsam erlebt hatte, ohne Worte sofort einig, daß er gemeinsam mit dieser Truppe unter keinen Umständen auftreten würde. Er konnte den Kreisarzt überzeugen, daß er für einige akut schwerkranke Patienten hier erreichbar bleiben müsse, aber daß er sich für einen sofortigen Abruf bereithalten würde . Obwohl nun an einen ruhigen Schlaf nicht mehr zu denken war, - da der Morgen kam, ohne daß noch einmal angerufen wurde , begann der neue Tag für sie wie immer als ganz normaler Arbeitstag . Als Dada dann jedoch in ihre Klasse kam, sah sie gleich, daß ein Platz unbesetzt war. Doch ehe sie noch nach dem Grund fragen konnte , rief schon einer der Mitschüler :“ Der Eckardt kann nicht mehr kommen ! Familie Knauf ist heute Nacht weggebracht worden !“ - Um nicht etwa noch mehr Unheil zu provozieren, nahm sie es fassungslos schweigend zur Kenntnis und nickte nur traurig mit dem Kopf, da sie ja , ohne die Namen zu kennen, schon wußte, was in der vergangenen Nacht geschehen war. Erst später sickerte es langsam durch , daß bei dieser zweiten gewaltsamen Aussiedlung, der „Aktion Kornblume“, etwa dreitausend und zweihundert Einwohner aus Grenzorten zwangsweise wie Verbrecher, aber ohne Gericht, Schuldspruch oder eine Begründung völlig ahnungslos nachts für immer aus ihrer Heimat in erbärmliche Unterkünfte evakuiert wurden. Dazu geführt hatten wohl die Schwierigkeiten bei der Kollektivierung der Landwirtschaft. Durch die unerwartete nächtliche Aktion konnte man zwar einen Widerstand der Bevölkerung ,wie teilweise 1952 , verhindern, aber ein alter Genosse aus dem Nachbarort Sünna hatte sich anschließend doch über dieses Vorgehen empört. Als einziges Ergebnis aber mußte auch er sein Heimatdorf verlassen .
8.Kapitel Abschied von Arka
Das Jahr 1962 hatte die Doktorsch-Familie gemeinsam mit vielen Merkersern im großen Saal des Kulturhauses mit Jubel, besten Vorsätzen und schönen Plänen fröhlich begrüßt und begonnen. Doch inzwischen waren einige Wochen schon wieder Vergangenheit , und es erwies sich als schwierig, all die guten Vorsätze und Vorhaben auszuführen. Immerhin hatte Dada im Februar mit nur noch zwanzig der Teilnehmer das Examen in Erfurt bestanden, sogar mit „sehr gut“, und als ihr Beruf wurde nun statt Lehramtsbewerberin „Lehrerin“ eingetragen. Doch noch war etliches zu bewältigen . Zudem hatte sie beim Anprobieren ihres Prüfungskostüms festgestellt, daß der Rockbund schon recht eng geworden war, also ihre ersehnte , festgestellte Schwangerschaft eventuell zeitlich weiter war, als bisher angenommen. Doch jetzt erwartete man erstmal, daß Arka ihre Jungen bekam . Arka war bei der letzten Hundeausstellung in Leipzig, wie einst ihre Mutter Thula, mit „V-1“ (Vorzüglich, 1.Platz ) bewertet worden und sollte wenigstens einmal werfen . Doch als es so weit war, setzten nur schwache Wehen ein, die nachließen, nachdem ein toter Welpe zur Welt kam. Die Injektion eines zu Hilfe geholten Tierarztes löste eine Dauerwehe aus und Arka mußte in eine Tierklinik zu einem Kaiserschnitt gebracht werden . Die Operation erbrachte noch einen zweiten Welpen, der trotz Beatmung starb und Arka folgte ihren Jungen einige Tage später, da die Operationswunde immer wieder aufplatzte.
9.Kapitel URLAUB IN BULGARIEN
Nur langsam wich das Gefühl der Lähmung . welches sich nach dem Tod von Arka, ohne ihre stete liebevolle und wachsame Begleitung, wie ein schwerer Teppich über die Familie gebreitet hatte. Es war schon Juni geworden. Da Christiane im Herbst bereits zur Schule kam, und das Baby erwartet wurde,sollte dieser Sommer ausgenutzt werden. Daher war schon ein für sie bezahlbarer Strandurlaub in Bulgarien gebucht worden . Jetzt war dieser Termin nun gekommen. Arno hatte Urlaub , und pünktlich zum Reisebeginn stiegen die Drei mit großen Erwartungen in Berlin das erste Mal in ein Flugzeug, in eine kleine I L- 14 , (Iljuschin 14) mit nur etwa zwanzig Fluggästen. Besonders Christiane, als einziges Kind an Bord , genoß es natürlich, sich von der Stewardess verwöhnen zu lassen. Die kleine Maschine mußte allerdings zum Auftanken auf halber Strecke , in Budapest , zwischenlanden . Bis dahin hatte es keinerlei Schwierigkeiten gegeben. Doch nach dem erneuten Aufstieg überfiel Dada ein unstillbarer Brechreiz , der unvermindert anhielt, noch über die Ankunft in dem wunderschönen Hotel , direkt am flachen Strand gelegen, hinaus . Da mußte sich Arno nun um den Empfang der Zimmerschlüssel kümmern. Als endlich alles erledigt war, auch die Koffer gebracht worden waren und die Zimmer aufgesucht werden konnten, war Christiane verschwunden . Alles Suchen und Nachfragen blieb erfolglos, bis Dada einfiel, daß sie bei der Ankunft gleich neben dem Eingang , wo schon das Meer begann , gesehen hatte, daß dort etliche Kinder im Wasser plantschten . Und tatsächlich ! Dort , im roten Schulkleidchen, plantschte sie begeistert mit! Nach zwei Tagen hatte sich Dadas Magen endlich wieder beruhigt, und nun folgten herrliche gemeinsame Urlaubstage , wobei Arno fröhlich davon profitierte, daß er die drei täglich pro Person bereitgestellten halben Flaschen wunderbaren Wein allein genießen konnte. Der Rückflug wurde dann gut vorbereitet, Dada schluckte beruhigende Medikamente, und nach drei Wochen mußte nun zwar mit großem Bedauern, aber mit bester Laune die Heimreise angetreten werden. Schon während der Fahrt zum recht primitiven Flugplatz bezog sich der Himmel nach vielen schönen Sonnentagen mit dunklen Wolken . Jedoch während des Fluges wurde es auch auch draußen vor den Fenstern immer dunkler, bis plötzlich das Flugzeug anfing zu schwanken, Hagelkörner an die Scheiben schlugen und Blitze an den Fenstern vorbeiglitten. Aus dem ruhigen Dahingleiten war ein bedrohlicher Schaukelflug geworden. Der Pilot versuchte zwar,das Gewitter zu überfliegen, aber da das kleine Flugzeug keine Sauerstoff – Anlage hatte, waren ihm Grenzen gesetzt, zumal manche Passagiere schon Atemprobleme bekamen und die Stewardesse alle aufforderte, nicht die Augen zu schließen und zu schlafen. Sie hatte sonst kaum zu tun, da den meisten, ängstlich in ihren Sitzen zusammengesunken, der Appetit vergangen war. Nur ein älteres Ehepaar und Christiane vergnügten sich unbeirrt an all den besten der guten Sachen, die fast umsonst für diesen Flug vorbereitet worden waren. Doch schließlich kamen alle unversehrt und gut wieder in Deutschland und zu Hause an, und ihr Leben wurde bald wieder von den alltäglichen Anforderungen bestimmt .
10. Kapitel EINE UNERWARTETE VERLETZUNG Ohne große Verschnaufpause hatte sich das Leben wieder in den gewohnten Ablauf eingefügt. Arno war wieder im Dienst und tagsüber kaum zu Hause, und Christiane stromerte draußen herum. Dada war in der Küche beschäftigt, als sie durch das zur Straße hin geöffnete Fenster von unten her ihr Kind so furchtbar schreien und weinen hörte, wie sie es noch nie gehört hatte . Schreckerfüllt rannte sie nach draußen , wo ihr Christiane schon ihr blutüberströmtes Ärmchen entgegen streckte. Sie hatte auf der angrenzenden Feldwiese gespielt, als ein Nachbarjunge seine stets draußen an seiner winzigen Hütte angekettete Dobermannhündin einmal dort laufen ließ, und die hatte von hinten zugebissen. Zum Glück hatte Arno gerade in der nahen Ambulanz Sprechstunde. Dort konnte Dada ihre Kleine trotz ihres schon beträchtlichen Babybauches tröstend auf den Schoß nehmen, die sich nun ohne jeden Widerstand die Wunden versorgen -, und sogar einige Rißwunden von ihrem Papi zunähen ließ . Bis zum Schulbeginn war alles wieder wunderbar zugeheilt und später verrieten kaum noch Narben die bösen Verletzungen .
11. Kapitel DIESMAL EIN KLEINES NEGERLEIN ! Nun war es November.- Aus Christiane war inzwischen eine aufgeweckte kleine Schülerin geworden, die den Eltern keinerlei Sorge bereitete. Dafür aber um so mehr das erwartete zweite Kind, das keinerlei Anstalten machte. auf die Welt zu kommen, obwohl die berechnete Zeit schon überschritten war.Auch eine Autofahrt über holprige Feldwege, dann sogar Injektionen zur Weheneinleitung , brachten keinerlei Erfolg Eine Klinikgeburt war unumgänglich geworden . So fuhr das Ehepaar am Wochenende zu einem befreundeten Geburtshelfer, Chef einer Klinik in Eisenach. Hier nochmals ein vergeblicher Versuch mit Wehenmitteln. Als Arno schließlich am Sonntag Abend mit dem Einverständnis zur Operation nach Hause fahren mußte schlug Chefarzt Dr.Pein vor, man könne vielleicht noch ein Hausmittel versuchen - Rhizinus ! Dada akzeptierte es ohne Bedenken, denn sie hatte sich in der Hungerzeit nach dem Krieg mit dem Rhizinusöl aus dem Medikamentenschrank ihres Vaters heimlich Bratkartoffeln gebraten und hatte diese erstaunlich gut vertragen. Dann wurde es Nacht, es setzte Durchfall ein, und nun , mit seinen Begleiterscheinungen auch die Wehentätigkeit ! Gegen Morgen war es wirklich endlich so weit – ein kleines Mädchen , Franziska, war gesund zur Welt gekommen. Als es hell wurde, offenbarte der Blick nach draußen eine andere Neuigkeit : Es schneite in dicken Flocken, und der Schneefall hatte während der Nacht schon so heftig eingesetzt, daß der Verkehr über den Thüringer Wald bereits gesperrt werden mußte. Besuche aus der Rhön waren also nicht mehr möglich . Aber die Hebamme rief gleich am frühen Morgen in Unterbreizbach an, um dem glücklichen Vater zu gratuleren, während Arno gerade in Begriff war , Christiane vor der Sprechstunde noch schnell zur Schule zu fahren So konnte sie die frohe Botschaft nun gleich mithören, bei der von einem gesunden und ganz schwarzen kleinen Mädchen die Rede war, und daß es Mutter und Kind sehr gut gehe. Abends dann rief ihre Klassenlehrerin an: Sie wolle, inzwischen wohl auch im Namen des ganzen Dorfes,vielmals gratulieren! Christiane nämlich wäre heute Morgen ganz außer sich vor Freude in ihre Klasse gestürmt und habe begeistert gerufen : „ Ich hab‘ heute Nacht ein Schwesterchen gekriegt !“ Aber diesmal ist es ein kleines Negerlein !!“
DER TRAGISCHE TOD VON PETER R: (VORABDRUCK!) Es war ein Montag, - der 6.Juli 1981. Der damalige Ortsparteivorsitzende der SED (Sozialistische Einheitspartei der DDR) des Ortes Unterbreizbach war schon am frühen Morgen , vor der Öffnungszeit des Amtes , in seinem Dienstzimmer im Gemeindeamt , um einige Schriftsachen ungestört erledigen zu können, Er hörte, daß vorm Haus ein Auto hielt, sah nun, daß es ein Polizeifahrzeug war und daß zwei Verkehrspolizisten ausstiegen und ins Haus kamen. Dann klingelte es . Da er noch allein im Amt war, öffnete er und erfuhr nun von den Polizisten, daß sie auf der Suche seien, um die Identität eines unbekannten .Toten zu klären. Der Polizei wäre kurz nach Mitternacht von einem Grenzoffizier, wohnhaft in Pferdsdorf, Dienststandort in Buttlar,der mit einem Motorrad in Richtung Vacha unterwegs gewesen sei, gemeldet worden, daß er auf der etwa fünfhundert Meter langen, geraden und übersichtlichen Verkehrsstraße, kurz vor Schacht 2 und Sünna, einen bewußtlosen Jugendlichen quer auf der Straße liegen sah. Im Gegenverkehr habe sich gerade ein Motorrad genähert , während er im Rückspiegel gesehen habe, daß sich von hinten ein PKW mit ziemlicher Geschwindigkeit näherte.. Daher wäre er links an dem Liegenden vorbei gefahren, habe gewendet und dem PKW entgegen als Warnsignal, auf dem Motorrad sitzend, auf- und abgeblendet. Das Auto habe daraufhin zwar abgeblendet, verminderte aber seine Geschwindigkeit kaum. Da es dadurch nicht rechtzeitig zum Halten gebracht werden konnte, überrollte es das Unfallopfer und fuhr, ohne anzuhalten, weiter und davon. - Es wäre ein heller Trabant gewesen . - Da der Jugendliche aus Unterbreizbach stammen könnte, zeigte einer der Polizisten nun Günter Rudolph ein Foto des Unfallopfers : ¬¬Er erkannte seinen eigenen, jüngsten Sohn Peter. Mit zwei Freunden fuhr G.Rudolph umgehend zur Unfallstelle .Sie fanden im Abstand von wenigen Metern dort zwei Blutlachen auf dem Asphalt. Lag er schon verletzt auf der Straße? - Vor ihnen hatte die Spurensicherung schon die Plastesplitter eines Nebelscheinwerfergehäuses sichergestellt . Man suchte und fand jetzt schnell einen dunkelgrünen Skoda, und konnte dessen Fahrer der Fahrerflucht überführen. Es war ein zweiundzwanzig Jahre junger Mann aus Vacha, der mit dem Auto seines Vaters eine Tanzveranstaltung in Kranlucken besucht hatte. Es folgte die Reproduktion des Unfalls, zu welcher der als Zeuge geladene Grenzoffizier Klose aber nicht erschienen war, sondern dann erst aus Pferdsdorf geholt werden mußte . Er wurde am nächsten Tag nach Erfurt versetzt . Am 11.Sept.1981 fand in Bad Salzungen die Gerichtsverhandlung gegen den Unfallverursacher statt. Die Familie Rudolph hatte die mit ihnen befreundete D.Nennstiel mit der Pflichtverteidigung betraut. Sie begann ihr Plädoyer wie folgt : In der Nacht vom 6. zum 7. Juli dieses Jahres wurde ein junger Bürger unserer Gemeinde aus seinem hoffnungsvollen Leben gerissen, wurde das Glück seiner Familie für immer tiefgreifend getört . Peter Rudolph stand als Auswahltorwart der Fußballjugend und als DRK – Helfer mitten im gesellschaftlichen Leben. - Ich selber habe ihn als hilfsbereit und zuverlässig schätzen gelernt, ob es nun um die Übernahme einer Theaterrolle , oder um Kohlenhereinschippen ging. Aber nicht nur die Fassungslosigkeit über seinen Tod, sondern die Skrupellosigkeit, der Peter zum Opfer fiel, bewegt und erregt die Menschen unseres Ortes , und sicher nicht nur diese . - - - Folgendes Unfallgeschehen vom 6.Juli 1981 wurde ermittelt: Der 17-jährige Peter Rudolph verabschiedete sich gegen 23.30 Uhr an der Bushaltestelle in Borsch nach einer Tanzveranstaltung von seiner Freundin Anneliese, um nach Unterbreizbach nach Hause zu laufen , in der Hoffnung als Anhalter irgendwann mitgenommen zu werden . Ein erster angehaltener Grenzsoldat durfte ihn auf Dienstfahrt nicht mitnehmen, aber dann nahm ihn ein Mopedfahrer bis nach Buttlar mit. Beide sagten aus, daß Peter nicht betrunken und gesund gewesen sei und unaufdringlich gewunken habe. Kurz vor Mitternacht wurde er dann von Offizier Klose , bewußtlos auf der Straße liegend, gefunden, während sich aus Richtung Vacha ein zweites Motorrad mit dem Mitarbeiter des Kraftverkehrs, Marr, näherte, den Unfall verfolgte und der später allerdings aussagte, Klose habe am Straßenrand gegenüber,bei abgestelltem Motor, neben seinem Krad stehend, geblinkt. Ein nachfolgender Pkw , der auf das Blinken zwar abgeblendet, aber kaum die Geschwindigkeit verringert hatte, und daher, trotz der festgestellten 6,1 m langen Blockier- , und 6,o m langen Schleuderspur nicht rechtzeitig zum Anhalten gebracht werden konnte. überrollte nun den Bewußtlosen, der etwa eineinhalb Meter durch die Luft zur Seite geschleudert wurde. Klose verließ jetzt den Unfallort, wo nun Marr verblieb , und fuhr selbst, um den Unfall zu melden . Aber nicht zu dem in Sichtweite liegenden Schacht 2 , sondern zu seinem Standort in Buttlar, von wo er erst nach ungefähr zwanzig Minuten zurückkehrte.Der geflüchtete Fahrer war nach Hause gefahren, wechselte den beschädigten Scheinwerfer aus und fuhr zum Tanz nach Kranlucken zurück, zweimal vorbei am Unfallort ,wo er anhielt , nicht etwa, um sich zu stellen , sondern wo er sich nach dem dort Geschehenen erkundigte. Am nächsten Morgen am Arbeitsplatz äußerte er bei Diskussionen: „Das Schwein müßte man aufhängen !“ Die Autopsie ergab , daß durch die schwere Gehirnzerstörung der Tod sofort eingetreten sei. Die Straftat „Unterlassene Hilfeleistung“ entfiel damit. Doch warum lag Peter bewußtlos auf der Straße? Schockmerkmale, welche im Blut festgestellt wurden, können sich nicht erst nach dem Tod gebildet haben . Es war aber nicht nachzuweisen, ob die Zertrümmerung des Schädels durch nur einen oder eventuell zwei Unfälle verursacht wurde. Andere Verletzungen aber konnten nicht nachgewiesen werden. Peter könnte von einem Fahrzeug abgerutscht und hinterrücks auf die Fahrbahn geschlagen sein ? Kam Offizier Klose eventuell nicht zufällig am Unfallort vorbei, sondern war er dort vorher bereits Zeuge eines Unfalls? Diese Frage an ihn konnte nicht gestellt werden, denn auch zur Gerichtsverhandlung fehlte er unentschuldigt. Ein Besucher hatte ihn allerdings im Erdgeschoß des Gerichts gesehen, wie er nach Erfurt zurückgeschickt wurde, weil er nicht benötigt würde. Sein Wissen war offenbar nicht gefragt. Auch kam die zweite Blutlache garnicht zur Sprache. Die Urteilsverkündung wurde vertagt , das spätereUrteil dann zur Bewährung ausgesetzt. Eine von Familie Rudolph beantragte Kassation wurde abgelehnt.
P E T E R 13.04.1964 - 06.07.1981
Die Sinne fassen’s nicht . Wenn sie’s auch unerbittlich wissen , daß , kaum uns neu geschenkt , Du nun für immer fort von uns gerissen ! Dein Abschied, flüchtig nur, für kurze Zeit, ein Gruß im Gehen , wurd‘ jäh für Ewigkeit ! Ein letzter Abschied ohne Wiedersehen . Die Zeit mag Wunden heil’n , - Doch nie wird sie vertreiben Dein Bild ! So. wie Du gingst , froh, strahlend jung, so wirst Du bei uns bleiben !
Zum 5. / 6. Juli 1981 In tiefer Anteilnahme und Verbundenheit (DND)
12.Kapitel FRIEDELS HOCHZEIT IM HOTEL ADLON Die sechs Merkerser Geschwister aber waren nun geteilt , drei DDR - , und drei BRD-Bürger , und seit dem Mauerbau am 13.August 1961 getrennt .Aber nun wollte Friedel heiraten, und das Familienleben sollte ja erhalten bleiben und gepflegt werden. Da war das jetzt ebenso geteilte Berlin , den Eltern seit ihrer dortigen Studienzeit sowieso zweite Heimat , in den Mittelpunkt gerückt. Das Hotel Adlon, 1907 gleich östlich hinter dem „Brandenburger Tor“ mit Unterstützung von Kaiser Wilhelm II. als modernstes und mondänstes Hotel Deutschlands von Lorenz Adlon gegründet, war 1945 bis auf einen Seitenflügel zwar abgebrannt, der aber wurde in der alten Ausstattung, auch mit einigen Hilfskräften dieser Zeit , weitergeführt, und war nach Errichtung der Mauer in die H O -Hotelkette der DDR eingegliedert worden . Doch „Adlon“ konnte immer noch vom alten Nimbus , etwas Besonderes für seine Gäste zu sein, einen Hauch bewahren. Seine gepflegt-familiäre Atmospäre wurde nun der Treff- und Mittelpunkt der zerstreuten Familie , und als Friedel ihren Studienfreund Pepe heiraten wollte , wurde die Hochzeit kurzerhand nach Berlin und die Feier ins Hotel Adlon verlegt. Hier trafen Friedel, die in Wolfsburg standesamtlich schon getraut wurde, mit Schwester Moni am Vortag ein, um das Fest vorzubereiten . Zuerst die kirchliche Trauung . Doch als sie die nächstgelegene Kirche erreichten, standen sie vor einer Ruine. Glücklicherweise waren da aber gerade kirchliche Amtsträger zugange , die sie an den Pfarrer der benachbarten „Golgatha – Kirche“ verwiesen. Und tatsächlich - der Pfarrer erklärte sich sofort bereit, die Trauung am nächsten Vormittag dort durchzuführen. Am Abend waren alle Gäste bereits angereist, hatten sich zum Abendessen im Restaurant des Hotels eingefunden und das Geschirr wurde schon abgetragen, als der Küchenleiter mit Beikoch in vollem Ornat , begleitet von den Kellnerinnen, zum Tisch kamen und das Brautpaar in den angrenzenden Küchenkomplex entführten . Ehe die verwunderten Gäste ihrem Erstaunen noch Ausdruck verleihen konnten , erschallte aus der Küche ein ohrenbetäubender Lärm , Klirren und Scheppern . Die Erklärung erfolgte erst, als die beiden Brautleute fröhlich und glücklich aus der Küche zurückkamen : Ihr Abendbrotgeschirr wurde heute Abend nicht abgewaschen , sondern in bester Laune zerdeppert, - denn, wenn das junge Paar seine Hochzeit schon nicht zu Hause feiern könnte, sollte ihnen wenigstens ein zünftiger Polterabend das große gemeinsame Glück sichern.
13.Kapitel EIN FAHRRADUNFALL AM „FREIEN SONNTAG“
Vor Kurzem hatte Arno von seinem Nachbarn sein erstes Auto, einen mehrere Jahre alten „Wartburg“, zu einem, damals ungewöhnlichen, fairen Preis kaufen können, hatte es in die Garageneinfahrt gestellt und war an seinem freien Wochenende nun gerade bei der ersten Autowäsche, als oben in der Wohnung das Telefon klingelte, und dann eine aufgeregte Pferdsdorferin Dada beschwor :“ Der heute diensthabende Arzt ist zum dringenden Hausbesuch unterwegs und nicht erreichbar. Meine Tochter ist aber gerade mit dem Fahrrad schwer gestürzt! “ Als sie nachfügte: „Sie ist über die Lenkstange gefallen und hat jetzt große Schmerzen im Bauch – kann Ihr Mann sofort herkommen??“ , da schrillten bei Dada die Alarmglocken : - Könnte es die nicht unbekannte Kombination , ein Milzriß nach Fahrradlenkstangen-Unfall, sein? - „Er ist zwar gerade hier beschäftigt, aber er wird , so schnell es geht, kommen“, beruhigte sie die Mutter bedenkenlos . Sie kannte ja ihren Mann, der nun, auf ihren Zuruf hin, alles stehen und liegen ließ, in seinen Arbeitsklamotten in sein wassertriefendes Auto stieg und nach Pferdsdorf fuhr. Der Verdacht bestätigte sich. Er konnte den Chefarzt des Krankenhauses in Vacha, Dr.Hanf, schon zu Hause informieren und fuhr das Kind umgehend, da kein Krankenwagen sofort verfügbar war, dorthin. - Es endete nun alles gut ! 14. Kapitel SYLVESTER BEI FAMILIE DR. HANF Die intensive berufliche Zusammenarbeit zwischen Dr.Herbert Hanf, dem neuen Chefarzt im Vachaer Krankenhaus , und Arno. führte schon bald zu einem freundschaftlichen Verhältnis , welches sich auch auf die beiden Familien ausweitete .Es wurde eine herzliche, lebenslange Freundschaft, welche mit der Einladung zu einer gemeinsamen Sylvesterfeier zu Hause bei Familie Hanf in Vacha begann. Beide Familien hatten zwei Kinder in fast gleichem Alter, und Mutter Margot war von Beruf Bibliothekarin, - die familiären Interessen der beiden Ehepaare lagen also eng beieinander. So begann man also gemeinsam den letzten Abend des Jahres bei einem, von der ausgezeichneten Köchin Margot liebevoll vorbereiteten leckeren Abendessen, in lebhaftem Gespräch, als das Telefon läutete . Am Apparat wurde die Miene von Dr.Hanf immer ernster: „Wir kommen sofort!“ , und an Arno gewandt :“ Herr Kollege, könnten Sie bitte mitkommen? Im Bahnhof ist ein Rangierer mit einem Bein unter den Zug gekommen . Es muß amputiert werden.“ - Hastiger Abschied. - Erstweit nach nach Mitternacht, das neue Jahr hatte inzwischen bereits begonnen, kamen die beiden Ärzte in sichtbarer Verbundenheit, sie duzten nun einander, zwar recht mitgenommen, doch auch mit Zufriedenheit und Erleichterung zurück. Nach dem ersten Schock über das schreckliche Unglück und Leid, das den Rangierer und seine Familie so unverhofft betroffen hatte, war dann die Operation ohne Zwischenfälle verlaufen und es bestand für ihn keine Lebensgefahr mehr. Auch die beiden Frauen und die Kinder hatten sich in der Zwischenzeit bestens verstanden und beim baldigen Abschied waren alle davon überzeugt, daß sie sich in diesem neuen Jahr oft wiedersehen würden .
15. Kapitel 1965 - Aller GUTEN DINGE SIND DREI ! ANTONIA
Das familiär so ereignisreiche neue Jahr begann gleich am folgenden Tag mit der Hochzeit von Moni. Nachdem Zwillingsschwester Eugenie zwei Jahre zuvor mit noch nicht ganz achtzehn Jahren ein Baby von ihrem Freund Axel erwartet hatte , wollte das junge Paar möglichst schnell heiraten, und da in Unterbreizbach schon die Taufe von Franziska und Christiane vorbereitet wurde, hatte es sich kurzerhand dieser Feier angeschlossen.
Im Sperrgebiet allerdings ohne die Geschwister aus dem Westen. Nun inzwischen mußte Monis Klassenkamerad und Freund Michael seinen Wehrdienst ableisten, und da Verheiratete öfter Urlaub bekamen, wollten auch sie jetzt heiraten. Jedoch als Soldat durfte Michael keinerlei Kontakte zu Westbürgern haben. So wurde es auch bei ihnen nur eine kleine Hochzeitsfeier in Bad Salzungen . Für den Herbst dann kündigten sich neue Ereignisse an: Dada und auch Moni erwarteten Nachwuchs. Bei Dada hatte sich ein recht großes Kind angekündigt und man hatte die Geburt daher im Vachaer Krankemhaus vorgesehen, obwohl der Gedanke an die eventuelle Anwesenheit des neuen Freundes der Familie, Dr.Hanf, ihr nicht gerade gefiel. Sie nahm sich aber schon vor, erst kurz vor der Geburt zum Krankenhaus aufzubrechen .
Der dritte Septembermorgen hatte begonnen, als bei Dada nun die ersten Wehen einsetzten, die sich den Tag über in immer kürzeren Abständen wiederholten und so verstärkten, daß sie um Mitternacht schon fürchtete, das Kindchen könnte im Auto zur Welt kommen. Doch selbst nach ihrer Ankunft im Kreißsaal war es noch immer nicht so weit . Es wurde sechs Uhr , die Frühschicht traf ein und die Hebamme wechselte.
Dann, gegen neun Uhr, schaute auch Dr.Hanf herein . Alles war in Ordnung. Endlich, kurz nach elf Uhr, hatte sich das ersehnte neue Menschenkind auf die Welt gekämpft : Ein kleines Mädchen von fast achteinhalb Pfund, gut ein ganzes Kilo schwerer als seine beiden, früher geborenen Schwestern ! - Das Dreimädelhaus war komplett .
Als Mutter und Kind später in ihr Patientenzimmer gebracht worden waren, in dem schon eine Wöchnerin lag, die am Vortag auch ein kleines Mädchen geboren hatte, wurde gleich nach dem Namen des Säuglings gefragt. Dada wagte kaum, den , ach so altmodischen Namen anzugeben. Jedoch der Heilige Antonius, der nicht nur hilfsbedütftigen Menschen - , sondern auch Tieren half und sie betreute, und der, wie man es überlieferte, sogar sein Schwein mit in den Himmel nahm, sollte eine würdige Lebensleitfigur für ihre kleine Tochter werden : „Antonia “, ihre leise Auskunft. Aber welch Überraschung! Ihre unbekannte Mitpatientin war wie elektrisiert : „ Antonia ? So ein schöner Name !! Warum ist mir der nicht auch eingefallen ? Ich werde sofort versuchen, meine Kleine umzubenennen !“ Aber sie hatte keinen Erfolg. Und so blieb der kleine Nimmersatt, der bereits nach der ersten Woche beim Stillen kaum mit achthundert Gramm Muttermilch zufrieden war, die einzige ANTONIA .
Zwei Wochen später brachte auch Moni ihren kleinen Jan zur Welt, und nach Töchterchen Gerjet folgte bei Franz und Ilse im Frühjahr Söhnchen Clemens. Michael war von der Armee zurück.So gabs im Berliner„Adlon“ wieder eine gemeinsame Feier: Die Taufe von vier Kindern der Familie !
16.Kapitel N E U- D I E S T A A T L I C H E A R Z T P R A X I S Fast unmerklich hatte sich in diesen fünf Jahren die Eingliederung der Familie in die Dorfgemeinschaft vollzogen. Außer als Arzt hatte Arno durch seine musikalischen und sportlichen Ambitionen, er betreute die Fußballmannschaft des Ortes, viele Freunde gewonnen, wie auch Dada, die zu Beginn ihrer Lehrertätigkeit in den Gemeinderat gewählt wurde , und hier die Verantwortung für die Kulturarbeit im Ort übertragen bekam.
So vereinten beide ihre Hobbies zu einer lebenslangen Gemeinschaft mit dem Ziel, vorallem den Kindern und alten Menschen mehr Lebensfreude in dem isolierten Grenzdorf zu ermöglichen.
Sie traten in den hiesigen Kulturbund ein, der bisher nur aus Briefmarkensammlern bestand, die dadurch bevorzugt Sonderausgaben erwerben konnten, und organisierten hier nun ehrenamtlich , um allen Genehmigungshürden aus dem Weg zu gehen, Kinderfeste, musikalisch-literarische Abende und andere Veranstaltungen mit großer Unterstützung durch die Gemeinde und dem Bürgermeister Heinz Welsch, dem Kaliwerk und vielen selbstlosen Helfern. In gleicher Zeit wurde hinter dem nahen Nachbardorf Sünna eine zweite, zum hiesigen Kaliwerk gehörige Förderanlage fertiggestellt , die im Folgejahr in Betrieb genommen werden sollte.
Ein zweiter Arzt wurde dadurch erforderlich , und man entschloß sich, für die Einwohner eine gesonderte Einrichtung zu eröffnen, eine „Staatliche Arztpraxis“. Arno blieb die Entscheidung überlassen, wo sein künftiger Arbeitsplatz sein sollte. - Als leitender Arzt einer Ambulanz der Großindustrie mit mehreren Angestellten war das Gehalt natürlich um einiges attraktiver. Aber dafür war er in der Dorfpraxis mit nur einer Hilfskraft, vorgesehen damals allerdings nur eine Hilfsschwester für vier Stunden täglich, völlig unabhängig, und der Jugendtraum des Ehepaars erfüllte sich: Sie könnten gemeinsam arbeiten und die neue Praxis ganz nach ihrenVorstellungen gestalten. Auch für Dada, die inzwischen ihre Lehrerprüfung in Erfurt bestanden hatte und nun Lehrerin und Beamtenanwärterin war, würde der Wechsel recht verlustreich sein .
Doch die Gemeinsamkeit war beiden wichtiger: Arno entschied sich für die Dorfpraxis. Die Gemeinde räumte sogar ihr Amtsgebäude für sie, und sie konnten dessen Räume nach ihren Vorstellungen gestalten. Besondere Freude machte es ihnen, daß sie sogar ein extra Kinderwartezimmer mit Baby- Ställchen und kleinen Möbeln einrichten konnten. Für die kranken Pferdsdorfer Kinder und alten Menschen jedoch hatten sie die Idee, um ihnen die Busfahrt zu ersparen, da die meisten ohne verfügbares Auto waren, in den beiden Räumen, die für die Säuglingsberatung zur Verfügung standen und sonst nicht genutzt wurden, unbezahlt zweimal wöchentlich darin Sprechstunden abzuhalten. Zwar riet ein gerade scheidendes Pferdsdorfer Ehepaar dringend davon ab : „Wie lange wollen Sie das durchhalten? Haben werden Sie davon nur Ihre Fahrtkosten. Oder glauben Sie etwa, daß Ihnen das jemals jemand dankt?!“ Doch als der Bürgermeister wie zu erwarten gerne zustimmte , und der jederzeit hilfsbereite Schmied Lunne – Emil sich als Bote anstelle des fehlenden Telefons anbot, konnte diese so erweiterte Praxis für dreiundzwanzig Jahre offiziell am ersten Januar 1987 feierlich eröffnet werden.
17.Kapitel IN U. BACH GIBT’S JEtZT KARNEVAL
Die neue Dorfpraxis, in welche insbesondere die Kinder möglichst ohne Angst kommen sollten, war bereits bestens angelaufen. Arno arbeitete deshalb ohne weißen Kittel , und bewährt hatte sich auch die sehr unterschiedliche Gestaltung der beiden, nur durch eine Schiebetür abgetrennten Behandlungsräume. Arnos Zimmer war, wie üblich , mit weißen Möbeln ausgestattet , wobei die Untersuchungsliege hinter einem Vorhang in einem kleinen Erker stand
Die Kinder blieben jedoch meistens im Eingangszimmer, in dem eine hellbunte Sofaliege stand, sowie der eigene Bücherschrank, hier für Medikamente, Verbands- und Spritzenmaterial , doch im Mittelteil eine Glastüre, hinter der man allerlei bunte Dinge bewundern konnte. Dazu noch ein Aktenschrank, auf dem eine, natürlich schnell bekannte und beliebte, Bonbondose stand .
So geschah es eines Tages, daß die kleine Ute, die schon eine Weile ihre Oma täglich aus der Larau zur „Herzspritze“ begleitete, und als diese schon bereit saß, sie laut und deutlich, damit es nur ja auch Dada hörte , informierte: „Da oben stehn‘ se, gell Oma, da oben stehn‘ se !!“ Dada erklärte ihr nun, daß jedes Kind, was beispielsweise bei einer Spritze brav wäre und nicht zappeln würde, so ein Bonbon bekäme . Sie hatte kaum ausgeredet , da lag die Kleine schon bäuchlings auf dem Sofa : „Ich tu mein Höschen schon runter !“
Wenige Tage danach gab es noch eine freundliche Episode : Der kleine Patient Ralph wurde von seiner Mutter aufgefordert, „auf Wiedersehen“ zu sagen. Unversehens sprang er Dada auf den Arm und verabschiedete sich mit einem dicken Schmatz . Eines Abends jedoch, es war der 16.März 1967 , und Arno war nach den Hausbesuchen gleich zum Fußballtraining gefahren, kam er ungewöhnlich spät und fröhlich von dort zurück und verkündete Dada , daß er gerade Mitglied des K C U geworden sei .
Dieser Karneval-Club-Unterbreizbach sei am 24.Februar 1967 mit erstmal insgesamt dreizehn Mitgliedern gegründet worden. Zwar hatte schon ein Jahr zuvor der Bergbauingenieur Ernst Geck , der nimmermüde Unterstützer des Breizbacher Sports , vergeblich versucht, zusammen mit den Sportlern die Karnevalbegeisterung seiner Heimat Westfalen in Unterbreizbach zu entfachen.
Jedoch vier der aktivsten Fußballer hatten diese Idee noch nicht aufgegeben und sie gründeten einen Verein. Als Präsident hatte Walter Rosenau die Zügel ergriffen, und der talentierte Adolf Heyer hat dann die Aufgabe übernommen, eine kleine männliche Gesangsgruppe, die Hofsänger des Prinzenpaares, aufzubauen und zu leiten. Auf seine Frage und Bitte, ob ich mitmachen und die musikalische Begleitung übernehmen würde, habe ich natürlich ja gesagt , denn du machst ja bestimmt auch mit !? Jedoch Dada war gerade zur Vorsitzenden der Breizbacher Kulturbundgruppe gewählt worden und glaubte sich voll ausgelastet: „Aber wo ich kann, unterstütze ich euch ! , ihr Versprechen .
Vor der Premiere am 11.11.1967 begleitete sie Arno dann ins Kulturhaus zur Generalprobe . Doch dort herrschte aufgebrachte Stimmung. Im Dorf hatte es heftige Aufregung darüber gegeben, daß sich Respektpersonen hier zum Narren - , und zum Gespött der Leute machen würden.
Da gab es für Dada kein Halten mehr und kein besseres Gegenargument, als nun doch mitzumachen . So wurde sie an diesem Abend mit noch sechs anderen, darunter zwei Lehrern, auch Mitglied des KCU. Zu Hause machte sie dann zu dem bekannten Karnevallied „Heile, heile Gänschen“ zwei entsprechende Zusatzverse und übte noch kurz mit Arno :
Das Leben geht so schnell vorbei, man hat es nur einmal ! Und trotzdem macht’s manch Ehe sich zur bitt’ren Höllenqual.
Bedenkt, bei allen Streiterein hat nie nur einer Schuld , versucht’s nochmal, recht lieb zu sein, und habt etwas Geduld. Denn ist es auch oft schwer zu zwein - viel schwerer ist es dann allein ! Heile. Heile Gänschen , -
In U.bach gibt’s jetzt Karneval, und dort hat man entdeckt : Das Narrenkleid verträgt sich nicht mit Ansehn und Respekt !
Es gab darüber leider schon so manchen bösen Streit . Doch lohnt sich’s nicht, sich bös zu sein, das regelt schon die Zeit !
In ein paar Jahr’n wirds EHRE sein, beim KCU dabei zu sein !!
-- -So wurde die Gündungsveranstaltung unerwartet für beide zum Debüt als „Musical–Duo“ , beibehalten lange als „ Alte Unterbreizbacher “.
19. Kapitel WOHNUNGSTAUSCH UND FENSTERSTURZ
Während der vorangegangenen Gesangsproben hatten der Star-Tenor der Hofsänger, Lutz Jung, und Arno festgestellt, daß ihre jetzigen Wohnungen jeweils für den anderen beruflich wesentlich günstiger wären, und sie hatten beschlossen, diese gleich nach dem Karneval zu tauschen. Nun war der Aschermittwoch nach den Aufräumungsarbeiten mit einer begeisterten Abschlußfeier des Klubs zu Ende gegangen. Die Freude über die vielen gemeinsamen Erfolgserlebnisse hatte sich zu einem fröhlichen Elan gebündelt, mit dem man jetzt auch an den geplanten Wohnungstausch ging, während aber auch die Arbeit in der Praxis wieder erledigt werden mußte. Arno machte Hausbesuche in Pferdsdorf, und Dada war gerade emsig dabei, den Hausrat für den Umzug vorzubereiten, als ein Anruf vom Lindig ihre Tätigkeit jäh beendete: „Bei Heim‘s der kleine Bernd ist eben aus dem Fenster im zweiten Stock gefallen !“ Sie gab schnell Auskunft für weitere Benachrichtigungen, und da es sicher etwas dauerte, bis Lunne-Emil den Arzt finden würde, und sie inzwischen ein eigenes Auto hatte, fuhr sie sofort mit Verbandszeug zum Lindig. Doch Glück im Unglück: Auf dem Hof befand sich unter dem Fenster ein großer Misthaufen. Dadurch war der Kleine relativ weich und wohl auch günstig gefallen. Er war zwar benommen, aber bei Bewußtsein, konnte Ärmchen und Beinchen bewegen und hatte keine Wunden. Ein kleines Bügelbrett zur Vorsicht als feste Transportunterlage war auch schnell zur Stelle. Jedoch dann im Krankenhaus konnte man feststellen und alle beruhigen : Alles ist in Ordnung, - dem Bübchen ist nichts passiert ! Am nächsten Tag fand dann in ungetrübt fröhlicher Stimmung, wie vorgesehen, der Wohnungswechsel bei herrlichem Frühlingswetter statt. Etliche Männer des KCU waren zum Helfen gekommen, und Tanzmeister Hans Klöcker fuhr nun auf einem Laster mit offener Ladefläche wechselseitig zwischen der Arztpraxis in der Neuen Straße , in deren erster Etage Lutz Jung bisher gewohnt hatte, und der Direktorenvilla in der Kornbergstraße, in der auch die Zahnstation lag, die seine Frau als Zahnärztin leitete, hin und her , wo jeweils das Gebrachte abgeladen, und das Neue aufgeladen wurde. Als spektakulären Abschluß aber wurden auf der letzten Fahrt die beiden Klaviere ausgetauscht, und ihre Pianisten Lutz und Arno gaben , während sie durch die Straßen fuhren, auf der Ladefläche ein schmissiges Abschiedskonzert, wobei etliche der zahlreichen Zuschauer am Straßenrand belustigt mitsangen .
20.Kapitel EIN HAUCH VOM „PRAGER FRÜHLING“
Nun wohnten die Doktersch also in der ersten Etage über der Praxis. - Für die Berufsarbeit und deren Verbindung mit den familiären Erfordernissen zwar wesentlich günstiger, aber für die Kinder wegen der wesentlich kleineren Wohnfläche nicht unproblematisch. Vorallem Christiane, die bisher ein separates Bodenkämmerchen als ihr eigenes Kinderzimmer gehabt hatte, fand es mit ihren fast vierzehn Jahren unerträglich, daß sie sich nun ein kleines Kinderzimmer mit den beiden jüngeren Schwestern teilen sollte. Also wurde nochmal umgeräumt, und das Doppelstockbett der Geschwister am Fußende der Ehebetten im Elternschlafzimmer aufgestellt. So hatte Christiane nun doch wieder ein eigenes Zimmerchen, und die beiden Kleinen fanden den Zimmerwechsel durchaus annehmbar, denn als erstes stellten sie fest, daß sie aus ihrem oberen Bett in die Betten der Eltern hüpfen konnten, was sie natürlich trotz der Ermahnungen ihrer, mit Recht um ihre Federkernmatratzen besorgten Eltern, unermüdlich ausprobierten.
Doch mit der Zeit spielte sich das Alltagsleben wieder ein, und zum Ausgleich für dieses bewegte Jahr hatten die Eltern für den diesjährigen Urlaub eine lange,gemeinsame Fahrt in die Tschechei vorgesehen.
Als sie kürzlich von Dr. Hanf zu einem Wochenendbesuch zum Kennenlernen seiner alten Heimat, die er 1945 mit seinen Eltern verlassen mußte, in die Gegend von Gablonz eingeladen worden waren, wohnten sie dort nämlich in der Villa einer deutschen Frau, die mit einem Tschechen verheiratet war und deshalb bleiben durfte, und seit seinem Tod etliche Räume an Touristen vermietete. Glücklicherweise konnten sie diese Räume für zwei Wochen buchen.
Die herrliche Umgebung, ein riesiger Kinderspielplatz an der einen - , und eine kleine Buntglasfabrik an der anderen Seite des Hauses. von der einmal täglich eine Werksbahn einige Waggons mit fertigem Glas zum Bahnhof brachte, verhießen für die Kinder erlebnisreiche Ferientage
Gleichzeitig war die Tschechei aber auch politisch äußerst interessant geworden : Alexander Dubcek wurde Anfang dieses Jahres 1968 in der Tschechei zum Ersten Sekretär des Zentral-Komitees der Kommunistischen Partei gewählt und sein erklärtes Ziel war es, dem Sozialismus ein menschliches Antlitz zu verleihen und eine Demokratisierung sowie Liberalisierung seiner Partei einzuleiten
In der DDR-Bevölkerung verfolgte man die Lockerungen oder auch die Verbesserungen der strengen und starren Parteivorgaben für die Länder des Ostblocks, die dort nun einsetzten, mit großer Sympathie und in der Erwartung, daß sich diese positive Entwicklung jetzt ausweiten würde. So waren alle gespannt, was sie in diesem anderen Land erleben könnten und ertrugen klaglos die lange Fahrt, zumal sie sich die Zeit in gewohnter Weise, - „Mama, noch eine Kanone!“, - mit fröhlichen Liedern, oft auch mit Kanons, in bester Stimmung verkürzten . Abends gut in ihrem Ferienort angekommen, der an einer Hauptverkehrsstraße zum nicht sehr weit entfernten Prag lag, nahmen sie sich gleich vor, nach dem Ausschlafen zuerst einmal in die Hauptstadt zu fahren.
Bei dieser Fahrt fiel es ihnen allerdings auf, daß ungewöhnlich viele Truppenteile unterwegs waren.
In Prag erwartete sie ein für sie unheimlicher Verkehr, der auf den Fahrstraßen ins Zentrum immer dichter wurde und als sie an einen Kreisel gelangten, packte sie die Angst, sie wechselten auf die Gegenspur, um lieber wieder zurück zu fahren und sich auf dem Spielplatz zu erholen. Dort knüpften sie dann schon erste Kontakte, denn die Menschen waren fröhlich und aufgeschlossen, und sogar die vorbeikommenden Arbeiter der Glasfabrik grüßten sie und luden zur Besichtigung ein. Da es ja heute erst der 20. August war und sie bis zum Monatsende bleiben würden, nahmen sie sich das auch schon gleich für den nächsten Tag vor .
Doch das Wiedersehen verlief völlig anders : Noch in der selben Nacht wurde stürmisch von draußen an die Fensterscheibe geklopft : „Sie müssen aufstehen, die Russen marschieren ein!“ Es waren Arbeiter aus der Glasfabrik, die sie informieren-, und ihnen helfen wollten. Aber wie ?
Auf den Straßen rückten fremde Truppenfahrzeuge ein, die sich rigoros Platz machten, und auch Benzin war nicht mehr zu bekommen. Die eigene Tankfüllung würde allerdings noch gerade bis zur Grenze reichen.Aber die Nebenstraßen dorthin kannte niemand.
Die Männer schlugen vor, da es noch andere Besucher gäbe, für nächste Nacht einen Konvoi zu bilden, der durch einen Tschechen zur Grenze gelotst würde. Inzwischen wurde es hell.
Draußen sah man die ersten Waggons der Werksbahn vorbeigleiten, An jedem flatterten schwarze Fähnchen und alle waren riesig beschriftet mit den beiden Namen Dubcek und Swoboda, während es nun aus dem Lautsprecher nebenan im Werk. wie auch aus dem Radio, unablässig tönte : RUHE BEWAHREN ! NICHT SCHIESSEN !!
Nun wurden die Kinder wach und Dada wollte versuchen, noch ein paar Brötchen oder etwas anderes zum Essen zu besorgen.
In der großen Sorge, auch die DDR hätte sich an dem Einfall beteiligt, empfand sie es zum ersten Mal als große Bürde, Deutsche zu sein.
Aber keiner kümmerte sich um sie. Jedoch das Städtchen schien wie ausgewechselt. Überall standen hemmungslos weinende Menschen in Trauerkleidung zusammen, schwarze Fahnen überall, während es weiterhin pausenlos durch alle Straßen hallte: RUHE BEWAHREN ! NICHT SCHIESSEN !!
Die nächtliche Fahrt zur Grenze wurde dann recht aufregend. Man war auf sein restliches Benzin angewiesen und mußte mit einem Kriegsausbruch rechnen, denn im Radio wurde schon von Schießereien in Prag berichtet.
Auch hatte selbst der versierte Fahrtführer Schwierigkeiten, die kürzeste Strecke zu finden, da manche Orte zum Schutz ihre Ortsschilder entfernt, vertauscht oder umgedreht hatten. Aber zu guter Letzt erreichten sie alle den Grenzübergang, konnten nun tanken und nach Hause fahren. Auch erfuhren sie gleich hier, daß nicht weit entfernt die zwei Divisionen der DDR noch in Bereitschaft lägen, also glücklicherweise nicht mit einmarschiert waren.
Später wurde noch bekannt, daß schon am 18.August 1968 die „ Ersten Parteisekretäre“ der kommunistischen Partei - Zentralkomitee‘s der Länder des Warschauer Paktes, - von Ungarn, Polen, Bulgarien und Ulbricht von der DDR, aber nicht Dubcek von Tschechien , nach Moskau zu einer Geheimsitzung gerufen worden waren. Indirekt war Dubcek dadurch natürlich schon gewarnt.
Die Truppenbewegungen während ihrer Einreise waren also kaum ein Zufall gewesen, sondern Dubcek und seine Regierung hatte offensichtlich wohl bewußt auf jeden militärischen Widerstand verzichten wollen, um sein Heimatland vor Blutvergießen und Zerstörung zu bewahren.
Indes verbreiteten die Medien der DDR , die tschechische Bevölkerung habe die fremden Truppen als Befreier mit Jubel und mit Blumen begrüßt, obwohl ihre Regierung sie vergeblich zum Widerstand aufgefordert hätte. Nun aber war sie es, die nach Moskau fahren mußte, um die Doktrin anzuerkennen, die Breshnew inzwischen auch schriftlich aufgestellt hatte, nämlich, daß die Souveränität der sozialistischen Staaten des Ostblocks zugunsten der gemeinsamen Ziele beschränkt sei.
Die vorzeitige Heimkehr der Familie verlief also recht zwiespältig.
Zu der großen Freude, wieder zu Hause und in Sicherheit zu sein, kam das Unverständnis über den bedrückenden Zwang, hier die entstellenden Berichte nicht öffentlich korrigieren zu dürfen.
Aber es war sehr wohltuend, daß ihnen noch gut eine Woche Freizeit zur Erholung und zur Verarbeitung der Ferienerlebnisse blieb. Jedoch dieser zwar so kurze , aber doch so eindrucksvolle Urlaubsabschnitt blieb allen unvergeßlich . 21. Kapitel
EINE FOLGENREICHE HOBBY- AUSSTELLUNG Ein interessanter Aufruf Anfang des Jahres 1969 des Unterbreizbacher Kaliwerkes , gemeinsam mit der Kreisleitung des Kulturbundes , in der Presse und auf Handzetteln , fand in der Belegschaft und bei der Bevölkerung unerwartet großenAnklang Jeder Laienkünstler könne sich an einer im Oktober vorgesehenen Ausstellung im Saal des Kulturhauses mit seinen Arbeiten beteiligen . Die besten Exponate würden prämiert. Gleichzeitig wurde um Anmeldung gebeten.. Die Nachfrage war so groß, daß sogleich ein Komitee gebildet wurde, um wegen der erfreulichen Beteiligung eine ebenbürtige Abschlußveranstaltung vorzubereiten, in welches auch Dada als Vertreterin von Kulturbund und Gemeinde berufen wurde. So wurde nun ein kleines Festprogramm geplant, ebenso von örtlichen Laienkünstlern gestaltet .Es meldete sich nach einem zweiten Aufruf eine große Anzahl von Kindern, aber auch passende Betreuerinnen fanden sich. Die Ausstellung verlief äußerst erfolgreich .Es war erstaunlich, wieviel Phantasie und Geschicklichkeit sich in den zahlreichen Exponaten offenbarte. Auch das Programm der Abschlußveranstaltung gelang dann so gut, daß nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Akteure eine Weiterführung wünschten . Besonders die Kinder wollten weiter singen, tanzen und turnen . Da alle Betreuerinnen weiterhin bereit waren, ohne jede Vergütung ihre Arbeit fortzusetzen, wurde nun ein Dorfklub gegründet und die Gruppen damit der Gemeinde unterstellt. Diese konnten jetzt jederzeit kostenlos im Saal des Kulturhauses proben . So entstand ein Laien-Kinder-Ensemble, dessen Name aus den beiden ersten Buchstaben der Namen seiner Träger und seiner Leiterin zusammengesetzt wurde . .
Das K U D O N E - K I N D E R - E N S E M B L E ( 1970-1973 )
K U – lturbund D O – rfklub N E - nnstiel welches in den folgenden Jahren außerhalb der Karnevalzeit zur Belebung zahlreicher Veranstaltungen beitrug.
Die Programme wurden je nach dem Anliegen der Veranstaltungen immer neu zusammengestellt. Lediglich das eigene „Abschiedslied“ wurde nach jedenm Auftritt zum Schluß gesungen. Erstaunlich war immer wieder die freiwillige Disziplin der etwa hundertundzwanzig Kinder. Es gab keine Anwesenheitslisten, doch nie fehlte ein Kind bei Proben oder Auftritten. Erstaunlich und beglückend war auch, daß der stärkste Beifall, den es erlebte, vom NORA-Ensemble kam. Das weitbekannte Ensemble der in Ostdeutschland stationierten sowjetischen Armee war am Vortag für die Kalikumpel aufgetreten , und man hatte ihnen angeboten, sich bis zu ihrer Abfahrt mittags das Programm der Kinder anzuschauen. Die Begeisterung war natürlich besonders groß,, als diese das russische Kinderlied vom „goldenen Bienchen“ in russischer Sprache und in deutscher Übersetzung, wie es später auch vom „Sender Weimar“ am 30.Okt.1971 übertragen wurde, sangen, sowie dann auch zum Schluß, beim „Doswidanja“ des Abschiedsliedes.
DIE BETREUER DES K U D O N E – ENSEMBLES
Es gab sechs Übungsgruppen: Laienspiel HELGA RUDOLPH Akrobatik ANNEMARIE MÄTSCHKE Chor DOROTHEA NENNSTIEL Tanzgruppe I ( Schulkinder Oberstufe ) D.N. Tanzgruppe II ( Schulkinder Unterstufe ) D:N. Tanzgruppe III (Kindergartenkinder ) D.N. Musikalische Begleitung aller Gruppen ARNO NENNSTIEL Kostüme ALINE HUMMEL
Mit einer besonderen Auszeichnung machte die Gemeinde später Arno und Dada eine große Freude. Sie durften zur Aufführung des „Fliegenden Holländers“ im Nationaltheater nach Weimar fahren und ein Wochenende dort kostenlos im „Elephanten Hotel“ verbringen . Allerdings auch ein Wermutstropfen trübte die Freude 1973 etwas .
Gerade vor einer notwendig gewordenen großen Operation verriet der „Buschfunk“ Dada , daß im Lehrerzimmer der Räsaer Oberschule die fehlende „Parteilichkeit“ ihrer Programme bemängelt worden sei. Während der Operation aber brachte sich ihre jüngste Schwester Moni um, und schwere Komplikationen verzögerten anschließend dann lange Zeit die Heilung, sodaß sie viele Wochen alle Tätigkeiten unterbrechen mußte.
Glücklicherweise konnte der Karnevalverein inzwischen seine Nachwuchsarbeit aufbauen und bereits Kindergruppen bilden .
So fanden die „Kudone-Kinder“ schnell und problemlos wieder eine Wirkungsmöglichkeit .
22. Kapitel A B C und GEIGENSPIEL Für die Familie brachte der Herbst 1972 einen großen Aufschwung. Im September kam nun auch als Letzte die dritte Tochter, Antonia , in die Schule. Da ihr Jahrgang besonders zahlreich war, wurden in diesem Jahr zwei erste Klassen gebildet : Eine Klasse als „Hort-Klasse“, in welche die Kinder gingen, die später nach dem Unterricht in den Kinderhort gehen sollten, während Antonia in die andere Klasse kam, in der sie zu ihrer großen Freude auch ihre Freundinnen aus dem Kindergarten wiederfand.
Auch ihre Klassenlehrerin gefiel ihr sehr gut, und so wurde der erste Schultag mit den Nachbarskindern ausgelassen fröhlich und unbekümmert gefeiert, wenn die Zuckertüte nun auch in der Ecke stand, und dafür ihr geliebtes Püppchen Gritli zum Spielen mit nach draußen genommen wurde .
Doch es gab noch einen zweiten Unterrichtsbeginn . Nämlich an der Musikschule Bad Salzungen. Antonia hatte sich dafür als Instrument eine Violine gewünscht. Nun wurde sie jede Woche einmal zum Unterrcht dorthin gefahren, war mit Eifer am Üben und machte gute Fortschritte. Unerwartet aber ergab sich daraus ein Problem: Auch Franzi wollte nun unbedingt Geigespielen lernen. Zwar war sie eine sehr gute Schülerin, schien aber völlig unmusikalisch zu sein, denn beim Familiensingen sang sie zwar begeistert und laut,aber falsch mit. Doch nun wollte sie ausgerechnet auch eine Geige, bei der sie ja zum Saitenstimmen ein ganz genaues Hörvermögen brauchte. Aber zu ihrem großen Kummer, doch zur heimlichen Erleichterung der Eltern. scheiterte der Versuch, auch sie noch zum Unterricht anzumelden , denn sie war nun schon ins dritte Schuljahr gekommen, und die Schule nahm Kinder nur bis zum zweiten Schuljahr auf. Antonias einfühlsamer Geigenlehrer konnte sie allerdings noch mit einer letzten Möglichkeit trösten : Wenn sie es schaffte, im kommenden Jahr das vorgeschriebene Übungs-Soll beider ersten Schuljahre zu beherrschen und die entsprechende Prüfung bestünde, könnte sie als reguläre Schülerin dann auch weiter hier unterrichtet werden.Auch war er bereit, privat den Doppelunterricht zu übernehmen. Jetzt fuhren also beide Kinder zum Geigenunterricht, und zur großen Überraschung und natürlich auch großen Freude de r Eltern - Franziska schaffte es ! Wobei , zugegebener Weise, das Geigeüben zu Hause , wenn es irgend ging, mit dem selbst gut Violine spielenden Vater Arno , für alle drei durchaus nicht immer das reinste Vergnügen war. Aber es brachte später, zu Franzis Konfirmation, einen beeindruckenden Glanzpunkt ins Leben der Familie: Da Franziska zum Prüfungssonntag der Konfirmanden verreist war , hatte sie vom Pfarrer die Aufgabe bekommen, während des Festgottesdienstes in der Kirche ein kleines , geeignetes Musikstück auf der Geige vorzutragen. Um ihr Sicherheit zu geben, begleitete sie Arno dabei auf der Orgel. Es wurde ein unvergeßliches Erlebnis.
Franziska spielte, von der Orgel begleitet, fehlerfrei den ersten Satz von Beethovens Mondscheinsonate. Zusätzlich fielen bei beiden Kindern die Zeugnisse bestens aus, bei Antonia mit einem Sonderlob, da sie bei einem Schul- Crosslauf den ersten Platz erkämpft hatte , Auch Christiane hatte mühelos die Aufnahme auf die Oberschule geschafft. Ein für die ganze Familie beglückend positives Schuljahr war zu Ende gegangen.
23. Kapitel ARBEITSEINSÄTZE IM RENNSTEIGGARTEN
Die Tätigkeit im Kulturbund hatte sich indes bei Dada zunehmend ausgeweitet. Um für die Bewohner des nach drei Seiten durch Stacheldraht abgesperrten Grenzgebietes das Gefühl der Isolation abzumildern, veranstaltete sie regelmäßige Treffen mit Vorträgen über Gesundheit, Erziehung oder Literatur mit anschließendem geselligen Beisammensein. Dadurch wurde sie auch Mitglied der Vortragsgesellschaft „Urania“ und im übrigen Grenzgebiet eingesetzt. Besonders wichtig war es ihr auch, daß sie über die Hausmeisterin der Praxis, Frieda Ahlborn, Kontakt mit der Seniorenbetreuung des Dorfes bekam, und dort weitere aktive Helferinnen, wie Anneliese Eichler oder Elsbeth Erbsmehl kennenlernte. So konnte sie diese bei ihren monatlichen Treffen in der „Alten Schule“ unterstützen. Beliebt waren auch ihre Buchlesungen über bekannte Frauenromane der Weltliteratur, wie „Anna Karenina“ oder „Effi Briest“. Der örtliche Filmvorführer, Lothar Portius , beschaffte im Anschluß daran die entsprechenden Filme, und alle, die sich dafür interessierten, konnten sie sich im Kulturhaus mit anschauen. Seit 1972 jedoch ergab sich eine weitere, sehr willkommene Abwechslung. Der Kulturbund beabsichtigte, in einem Steinbruch des Thüringer Waldes am Rennsteig bei Oberhof einen Botanischen Garten für Gebirgspflanzen anzulegen, und rief alle Ortsgruppen zu Hilfseinsätzen auf, die sogar ab vier Stunden je Person mit einem kleinen Obulus vergütet würden. Arthur Maschinsky, der zweite Vorsitzende der Ortsgruppe Unterbreizbach , der seit Jahren als höherer Angestellter im hiesigen Kaliwerk arbeitete, das seit 1952 aus der russischen Nachkriegsverwaltung zurückgegeben worden war und dann seit 1958 mit den Kalischächten von Merkers und Dorndorf zu einem Kombinat verbunden wurde, wendete sich umgehend mit der Bitte um die kostenfreie Bereitstellung eines großen Busses zur Fahrt nach Oberhof an die Werksleitung. Mit der Feststellung, daß das geplante Unternehmen auch für die Kalikumpel eine beliebte und dazu nahegelegene Erholungs- und Bildungsstätte werden würde, wurde dieser Bitte sofort stattgegeben. Noch im gleichen Jahr wurde der erste von mindestens einem Einsatz jährlich während des Aufbaus, durchgeführt. Da jeder, der helfen wollte, einschließlich seiner Kinder willkommen war, wurde es nie schwer, den Bus voll zu besetzen. Dann fuhren an dem vereinbarten Sonntagmorgen etwa fünfunddreißig Breizbacher zum Pfanntalkopf. Dort wurde zur Kinderbeaufsichtigung ein Erwachsener freigestellt, während die anderen ihre ganze Kraft zur baldigen Fertigstellung der Anlage einsetzten, deren Wachsen sie nun von Jahr zu Jahr verfolgen konnten Da eine besondere Windführung aus dem Pfanntal eine extreme Klimalage bewirkte , konnten sogar Gebirgspflanzen, die sonst nur in tausenden Metern Höhe wuchsen , hier in vierhundert bis vierhundertfünfzig Metern Höhe gedeihen. Meist aus Samen von den Hochgebirgen aus aller Welt herangezogen, konnten sie, erstarkt, erfolgreich auf die entsprechenden Pflanzflächen des Parks ausgepflanzt werden. Nach gut vier Stunden intensiven Schaffens wurde nun von dem ehrlich verdienten Lohn Hunger und Durst bei einer ausgiebigen Bratwurst–Grillparty und Erholungspause gestillt, um anschließend noch eine der beiden Naturbühnen, in Steinbach-Langenbach oder in Fischbach, -beide wurden von den Theatern Meiningen beziehungsweise Eisenach bespielt- , anzufahren, wo schon die bestellten Eintrittskarten für einen Operettenbesuch bereit lagen. Nach diesem vergnüglichen Abschluß in bester Laune, fuhr man dann , fröhlich zu Arnos Akkordeonbegleitung singend und zufrieden mit dem vielseitigen, gemeinsamen Tag, abends zurück ins Heimatdorf Unterbreizbach .
24. Kapitel ERNÜCHTERUNG UND AUFWIND
Leider folgte schon ein Jahr später eine tiefgreifende Änderung, die sich für lange Zeit auswirkte. Das neue Schuljahr hatte begonnen, und Antonia war, wie immer, fröhlich zur Schule gegangen, kam aber, was in allen Jahren bei den Geschwistern noch nie vorkam, laut weinend zurück. Sie schluchzte :“Ich muß jetzt in die Hortklasse gehen!“ Die folgenden Erkundigungen ergaben, daß nach einer neuen Schulordnung ab sofort die Pferdsdorfer Grundschüler nach Unterbreizbach zur Schule gehen mußten. Um aber die Schüler von Antonias Jahrgang nicht auf die beiden Klassen verteilen zu müssen, mußte man in einer Klasse Platz für alle machen. Da sie ja den Breizbacher Schulhort nicht besuchen würden, schied die Hortklasse dafür aus. Es sollten also einige Jungen sowie eine gute und eine schwache Schülerin aus Antonias Klasse umwechseln . Ihre Klassenlehrerin aber lag zu dieser Zeit für mehrere Wochen im Krankenhaus , und die Auswahl dieser Schüler wurde ohne jede Information der Eltern oder Schüler getroffen und durchgeführt. So wurde Antonia am ersten Schultag völlig ahnungslos mit einer zum zweiten Mal nicht versetzten älteren Schülerin, die sie bis dahin kaum kannte, und die nun ihre Banknachbarin wurde, in die Hortklasse geschickt, in der sie zusätzlich auch eine andere Klassenlehrerin bekam. Den Rat anderer Eltern, Einspruch zu erheben, mochte Dada als vormalige Lehrerkollegin nicht befolgen, in der trügerischen Hoffnung, ihre kleine Tochter wäre stark genug, diesen Eingriff zu überwinden.Doch sie ging nur noch widerwillig zur Schule und ihre glänzenden Zensuren verblaßten.
Auch Christiane mußte die Schule wechseln . Um das Abitur machen zu können, mußte sie Vacha verlassen und die letzten beiden Jahre in Bad Salzungen zur Schule gehen, was sie aber recht gerne tat, da hier ja ihre geliebte Patentante Marie wohnte. In dem Haus ihrer verstorbenen Eltern hatte diese Arno und noch drei weitere Waisenkinder ihrer beiden Brüder großgezogen und verdiente sich ihren Lebensunterhalt als gesuchte Schneiderin. Jederzeit bereit zu helfen, nahm sie Christiane gerne bei sich auf, damit sie in der Woche nicht täglich mit der Bahn hin – und wieder zurückfahren mußte. Während Christiane bei ihr einzog , kam auch gerade eine langjährige Kundin zur Anprobe, die in ihr sofort die kleine, widerspenstige Besucherin vergangener Jahre wiedererkannte, die damals, trotz aller Ermahnungen der Pate, unverdrossen auf dem Sofa herumhüpfte. Da sie die Familie kannte und wußte, daß beide Eltern in Jena studierten, wollte sie die Mahnung verstärken: „Wenn du weiter so rumhüpfst, geht das Sofa kaputt und deine Eltern müssen es bezahlen , wo die sowieso kein Geld haben!!“ Doch Klein-Christiane, die ja den kleinen Knipsbeutel, in dem daheim das Kleingeld gesammelt wurde, gut kannte , empörte sich prompt: „ Was? Kein Geld? Die haben soviel Geld, - das „ Kotmannee“ geht schon bald garnicht mehr zu !!“ Das alte Sofa jedoch stand unversehrt noch an gleicher Stelle und Christiane fühlte sich nun gleich wieder hier heimisch. Auch in der Schule gefiel es ihr gut. Sie fand schnell eine nette Freundin, Daisy , mit der sie ihre Freizeit zumeist in dem nicht weit entfernten Reitstützpunkt an der Werramühle verbrachte, in dem sich die beiden leidenschaftlich dem Reitsport widmeten. Einmal aber, an einem Wochenende zu Hause, zeigte Christiane den Eltern ein hübsches Schaukästchen , in dem ein wunderschöner, etwa handtellergroßer, kobaltblau glänzender tropischer Schillerfalter ausgestellt war, und erzählte den Eltern, daß sie beim Herumstromern auf dem gegenüberliegenden Berghang ein schönes Waldhüttchen entdeckt hätten, dessen Fenster eingeschlagen waren, und das sichtlich unbewohnt war. Durch die Fensterhöhlen konnte man in den offenbar durchstöberten Innenraum schauen und darin eine Schmetterlingssammlung erkennen. Da seien Daisy und sie durch eines der zerstörten Fenster in den Raum geklettert, um sich diese anzuschauen, und hätten diesen herrlichen Falter mitgenommen, damit er nicht auch noch ,wie manches in diesem Raum . zerschlagen würde. Ehe die Eltern reagieren konnten, bekamen sie schon eine Vorladung zur Polizei . Daisys Mutter hatte umgehend das Bad Salzunger Polizeiamt informiert. Die Befragung durch die Polizei verlief dann aber recht unspektakulär .
Jetzt erst erfuhren sie, daß das Häuschen einem alleinstehenden Salzunger Bürger gehörte, der sich schon seit einiger Zeit wegen eines Spionageverdachts in Untersuchungshaft befand. Als sich nun herausstellte, daß die Kinder das Häuschen nur zufällig gefunden hatten, an den Zerstörungen keinen Anteil hatten und den mitgenommenen Gegenstand nur vor Schaden bewahren wollten und ihn umgehend bei der Polizei gemeldet und abgegeben hatten, wurde die ganze Angelegenheit für sie zu den Akten gelegt. Wie zum Ausgleich aber bekamen die Eltern im Anschluß an diese Aufregungen auch eine freudige amtliche Nachricht: Sie konnten mit dem Bau eines Eigenheims beginnen! Zu Beginn des Jahres war allen kinderreichen Familien der DDR ab drei Kindern die Möglichkeit eingeräumt worden, mithilfe eines zinsfreien, je nach Kinderzahl hohen Kredits, sich ein Eigenheim zu bauen. Sofort stellten sie einen Antrag und Bürgermeister Heinz Welsch behob ihre Schwierigkeit, am Ort einen geeigneten Bauplatz zu finden: Die Gemeinde stellte ihnen aus ihrem Besitz die erlaubten 600 Quadratmeter eines Wiesenhanges am Ortsrand zur Verfügung, mit der Option , noch mehr Fläche des Hanges pachten zu können.
Dada machte nun nach den Wunschvorstellungen der Familie eine Vor-Bauzeichnung, fuhr damit zum Kreis - Bauamt, wo der Vorsitzende nach kurzer Überprüfung ohne Diskussionen mit dem für sie so wichtigen und folgenreichen Satz: Genehmigt , wenn von der örtlichen Behörde gestattet. - unterschrieb, und seinen Stempel darunter setzte. Von dort war nun die endgültige, amtliche Zustimmung gekommen. Ab sofort konnte jetzt also, noch vor Wintereinbruch, durch die örtliche Baufirma Wittich, welche Arno inzwischen auch als ihren Betriebsarzt eingestellt hatte, schon mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen werden.
25. Kapitel CHRISTIANES STUDIUM UND HOCHZEIT
Die beiden letzten Schuljahre von Christiane waren unspektakulär zu Ende gegangen, und nach dem sehr guten Abitur war jetzt die große Frage: Was nun ? Ihr sehnlichster Wunsch war immer gewesen und geblieben, einmal in einem Zoo arbeiten zu dürfen. Daher faßte Dada den damals fast abenteuerlichen Entschluß, mit dieser Bitte an den Direktor des Berliner Zoos, Professor Dathe, zu schreiben. Da mit großer Wahrscheinlichkeit doch eine Studienbewerbung notwendig würde, schickte sie diesen Brief noch vor ihrer Urlaubsreise, für drei Wochen mit Familie Dr.Hanf an die Ostsee , nach Berlin . Die riesige Freude, als sie bei ihrer Rückkehr zu ihrer Überraschung einen Antwortbrief, sogar mit einem Gesprächstermin, vorfanden, schlug in schieres Entsetzen um - der Termin war bereits überschritten! Ein sofortiger Entschuldigungsbrief blieb verständlicherweise unbeantwortet. Nach langen Diskussionen bewarb sich Christiane schließlich in Jena um ein Medizinstudium, und da die „soziale Herkunft“ inzwischen der „untere“ Elternteil bestimmte und Krankenschwestern zur Arbeiterklasse zählten, Christiane also kein „Intelligenz“- sondern Arbeiterkind war, bekam sie ohne Schwierigkeiten umgehend ihre Studienzulassung Sie war ja in medizinischem Umfeld aufgewachsen , daher begann sie ihr Studium mit viel Elan sowie vorallem auch mit großem Interesse und verschmerzte so mit der Zeit ihren vertanen ursprünglichen Berufswunsch.
Vor Beginn des Studiums allerdings überraschte sie die Eltern damit, daß sie möglichst bald heiraten wolle. Sie war seit ihrer Schulzeit in Vacha mit einem ihrer Klassenkameraden, einem netten, sportlichen Blondschopf , Fridolin genannt, eng befreundet, der jetzt einen Einberufungsbefehl erhalten hatte, und beide waren der Meinung, daß die nun kommende Zeit der Trennung besser als offizielles Ehepaar zu ertragen sei. Jedoch das , was bisher für sie keinerlei Bedeutung gehabt hatte, erwies sich nun für die Trauung als problematisch: Fridolins Vater war in seinem Betrieb Parteisekretär, während Christiane evangelisch getauft und auch konfirmiert wurde. Auf eine kirchliche Hochzeit mußte somit verzichtet werden. Daher wurde nach der nüchternen standesamtlichen Trauung die darauf folgende Feier auf dem Altenstein mit einem kleinen bunten Programm eröffnet, zu dessen Beginn Dada bei einer kurzen Begrüßung betonte, daß beide, nun im Familienkreis vertretenen Uberzeugungen , ja das gleiche Ziel hätten, nämlich die Menschheit vor Not und Elend zu bewahren. Für beide Überzeugungen haben unzählige Menschen ihr Leben geopfert, andere jedoch sie nur für ihre persönlichen Vorteile mißbraucht. Möge das junge Ehepaar also nun die ganze große Kraft ihrer Liebe dafür einsetzen, um eine Familie zu gründen., die durch Toleranz und Menschlichkeit ihnen selbst, aber auch ihren Mitmenschen , ein friedliches und lebenswertes Miteinander ermöglicht. Es folgte ein wunderschönes und ungetrübt harmonisches Hochzeitsfest, welches aber eine Entfremdung und dann die Trennung schon bald nach dem Ende der Militärzeit nicht verhindern konnte.
26. Kapitel GRUBENBEBEN UND UMZUG Der Juli 1975 war schon bald vorbei. Am 23. aber, um 14oo Uhr , für die Familie die übliche Mittagszeit , war Antonia schon aus dem Kindergarten zurück, Arno hatte bereits einen Hausbesuch gemacht und Franziska gleich von der Schule abgeholt, Dada hatte in dieser Zeit das Mittagessen vorbereitet und gerade hatten sich nun alle an den Tisch gesetzt und ließen sich die ersten Bissen schmecken, als plötzlich über ihnen ein heftiges, ruckelndes Grollen und Getöse einsetzte, dann ein Zittern der Decke, das sich auf das ganze Haus übertrug Ehe Dada noch ihre vage Vermutung aussprechen konnte, ob die über ihnen wohnenden Hausmeister eventuell schwere Möbel verrücken würden, hatte Arno schon den fast unglaublichen Verdacht: „ Erdbeben ! Schnell raus!!“ Schon hatte er die Kleine auf dem Arm und in kürzester Zeit standen alle auf dem Bürgersteig vor dem Haus und sahen mit Schrecken, wie der Boden auf einmal kleine Wellen zu schlagen schien. Dann fing die Werkssirene an zu heulen , und über dem Schacht sah man weißen Qualm aufsteigen. Aus der Schachtröhre schien Gas auszuströmen. Da klingelte im Haus das Telefon : Im Kindergarten sei es einem Kind übel geworden , ob Arno nicht vorsichtshalber mal nach ihm schauen könnte? Wegen der Gefahr einer Gasausbreitung im Ulstertal fuhr Arno die Familie schnell zur Sünnaer Höhe, dann zum Kindergarten, zuletzt zum Werk, wo es sich bestätigte, daß es ein Grubenbeben nach der täglichen Sprengung war. Da aber im Ort keine größeren Schäden entstanden waren, legte sich die große Aufregung bald wieder . Auch der Neubau in der Glaam stand noch unverändert, und so konnten die Arbeiten dort unvermindert weitergehen, denn für Oktober war schon der Umzug geplant. Endlich war dann auch der letzte große Einsatz bei herrlichem Herbstwetter mit vielen Helfern zum Wochende gekommen. Kurz vor der Frühstückspause fuhren Arno und Dada dann aber in aller Eile, wenn auch in ihren staubigen Arbeitsklamotten, ins Dorf, um beim Fleischer die schon bestellten Gehacktesbrötchen abzuholen. Dada stieg vor dem Geschäft schnell aus, während Arno schon das Auto wendete, wurde aber schon auf der Treppe von der kleinen Tochter einer Patientin, die heute hier als Verkäuferin arbeitete, recht aggressiv empfangen, und während sie Dada mißbilligend von oben bis unten musterte, entspann sich folgendes Zwiegespräch : „Hast du denn da eben beim Dokter vorne im Auto gesessen?“ „Ja , klar!“ „Bist du denn auch dem seine Frau ??“ „Ja sicher . bin ich !“ Die kleine Daniela, die Dada nur aus der Praxis kannte, nachdenklich und fassungslos: „ Sooo ? Da hat der Dokter wohl zwei Frauen ??“ Das folgende Wochenende aber konnte ,wie geplant, pünktlich der große Umzug mit Sack und Pack, Kindern, Hund und Katze problemlos erfolgen, nur der Transport des Schlafzimmers mit den von den Töchtern zerhüpften Federkernmatratzen sorgte natülich für Heiterkeit. Aber als abends dann sämtliche Möbel an ihrem Platz standen , zum Abschluß alle fleißigen Helfer draußen am brennenden Kamin saßen und Arno sein Akkordeon erklingen ließ, waren alle fröhlich und dankbar für dieses neue, schöne zu Hause in der Hoffnung, daß es viele glückliche Stunden erleben würde .
27. Kapitel DIE STUTE EUREKA Franziska und Antonia hatten inzwischen auch den Salzunger Reitstall für sich entdeckt. Da sie aber nicht, wie Christiane, dort zur Schule gingen, sondern jedesmal erst dorthin fahren mußten, war die Belastung recht groß, zumal ein Zug erst von Vacha aus nach Salzungen fuhr und die Busse nach Vacha meist keinen direkten Anschluß hatten. So war es jetzt ziemlich vorbei mit den gemütlichen Sonntagsmorgenden, weil die beiden schon recht früh zum Bahnhof gebracht werden mußten. Das Geigeüben wurde nun immer unbeliebter, bis schließlich der Unterricht abgebrochen wurde. Selbst ein Sturz vom Pferd mit einem Schlüsselbein- bruch konnte Franziskas Begeisterung nicht dämpfen, im Gegenteil, „Jetzt bin ich erst eine richtige Reiterin !“ . war ihre erste Reaktion. Andererseits hatten aber auch die Eltern Freude und Interesse an diesem Sport und begleiteten ihre Kinder nach Möglichkeit zu denTurnieren.Dabei konnte sich Dada sogar als Stadionsprecherin erproben, und dadurch trafen sie in Marksuhl ihr geschätztes ehemaliges Pfarrerehepaar Jäger wieder, das vor Jahren nach hier verzogen war , die gegenwärtige Veranstaltung besucht hatte und dort die Stimme der Sprecherin wiedererkannte. So gab es hier zum Abschluß noch ein freudig- herzliches Wiedersehen . Besonders aber liebten die beiden Töchter die junge Stute EUREKA . Als Eureka dann noch einen kleinen, gesunden Hengst zur Welt brachte . wären sie am liebsten garnicht mehr nach Hause gekommen, sondern hätten sich im Stall einquartiert. Doch dann wich das große Glück einem noch größeren Kummer : Bei Eureka wurde Hufkrebs festgestellt und sie wurde als unheilbar krank aus der Leipziger Tierklinik zurückgebracht . Sie mußte also getötet werden und sollte nun mit dem nächsten Tiertransport der Eisenbahn zum Schlachten nach Italien geschickt werden. Die Kinder waren außer sich, und um dem armen Tier dieses qualvolle Ende zu ersparen und um die beiden Mädchen etwas zu beruhigen , beschlossen die Eltern, Eureka zu kaufen und sie dann einschläfern zu lassen. Doch nun stellte sich heraus, daß das Pferd einer LPG gehörte, welche einen Vertrag abgeschlossen hatte, alle ihre Tiere zum Schlachten nach Italien zu liefern, und diesen Vertrag einhalten müsse. Der Kauf war nicht möglich und Eureka mußte zum Abtransport zum Bad Salzunger Güterbahnhof gebracht werden . Das Kapitel „Reiten“ war für die ganze Familie damit endgültig beendet . 28. Kapitel EINE ABRIß-BRACHE WIRD „ ROSEN – ECK“ Wieder einmal war ein Arbeitseinsatz im Rennsteiggarten, der einunddreißigte, am 15.März 1977 sehr fröhlich zu Ende gegangen . Doch am eigenen Ort, mitten im Dorf, gab es seit langer Zeit eine häßliche Abrißfläche. Da stellte sich die Frage, ob der große Hilfswille nicht auch dazu reichen würde, aus diesem Schandfleck einen kleinen, blühenden Dorfmittelpunkt zu machen. Also wurde für den 4. Juni zu einem nächsten Arbeitseinsatz in der Dorfmitte aufgerufen, und welch freudige Überraschung: Pünktlich, mit Schaufeln, Pickeln und anderen Geräten trafen über zwanzig Helfer ein. Es war garnicht so einfach, festzulegen, wo und wie man beginnen solle, aber einig war man sich darüber, daß heute hier, mitten im Dorf, eine kleine Parkanalage als zentraler Treffpunkt entstehen sollte. Zur Straße hin, die ja damals nur noch zur Grenze führte und kaum befahren wurde, sollte sie durch Blumenrabatten begrenzt werden, am besten mit Rosen, und könnte dann „Rosen-Eck“ heißen ! - Schon fingen die ersten an , mit ihren Pickeln den festen Schutthaufen in der Platzmitte aufzuhacken und gerade wollte man einen Helfer losschicken, um eine Schubkarre aufzutreiben , da hielt der nebenan wohnende Garagenmeister Hans Pforr mit seinem Traktor und Anhänger bei ihnen an der Straße an : Er wolle ein wenig mitmachen ! Nun lief alles wie am Schürchen: Der Schutt wurde gleich weggefahren, und der Traktor half auch noch beim Einebnen des Platzes. Bereits nach fünf Stunden war eine saubere Fläche entstanden, und man freute sich schon auf die Rasenaussaat am nächsten Wochenende. Auch die Rabatten waren angelegt worden, und als im Dezember die bestellten Rosen eintrafen, wurden an der Rückseite Kletterrosen , und in die Rabatten vierzig Rosenstöckchen umgehend eingepflanzt und gleich sorgfältig winterfest abgedeckt. Den Winter hatte hatte die ganze Anlage dann ohne jeden Schaden Überstanden, und so konnten im Frühjahr die Pflegearbeiten beginnen . Rings um die nun erfreulich fsete Grünfläche wurden neun Sitzbänke aufgestellt und in der Mitte ein kleines Plattenpodest angelegt . Nun konnte das Roseneck seinen Zweck erfüllen, und zu seiner feierlichen Einweihung wurde ein erstes Frühlingsfest mit einem Kinderumzug vom Kulturhaus zum Roseneck geplant , wo dann der Winter vertrieben werden sollte .
28. Kapitel EINE ABRISS-BRACHE WIRD „ ROSEN – ECK“
Wieder einmal war ein Arbeitseinsatz im Rennsteiggarten, der einunddreißigte, am 15.März 1977 sehr fröhlich zu Ende gegangen . Doch am eigenen Ort, mitten im Dorf, gab es seit langer Zeit eine häßliche Abrißfläche. Da stellte sich die Frage, ob der große Hilfswille nicht auch dazu reichen würde, aus diesem Schandfleck einen kleinen, blühenden Dorfmittelpunkt zu machen. Also wurde für den 4. Juni zu einem nächsten Arbeitseinsatz in der Dorfmitte aufgerufen, und welch freudige Überraschung: Pünktlich, mit Schaufeln, Pickeln und anderen Geräten, trafen über zwanzig Helfer ein. Es war garnicht so einfach, festzulegen, wo und wie man beginnen solle, aber einig war man sich darüber, daß heute hier, mitten im Dorf, eine kleine Parkanalage als zentraler Treffpunkt entstehen sollte. Zur Straße hin, die ja damals nur noch zur Grenze führte und kaum befahren wurde, sollte sie durch Blumenrabatten begrenzt werden, am besten mit Rosen, und könnte dann „Rosen-Eck“ heißen ! - Schon fingen die ersten an , mit ihren Pickeln den festen Schutthaufen in der Platzmitte aufzuhacken und gerade wollte man einen Helfer losschicken, um eine Schubkarre aufzutreiben , da hielt der nebenan wohnende Garagenmeister Hans Pforr mit seinem Traktor und Anhänger bei ihnen an der Straße an : Er wolle ein wenig mitmachen ! Nun lief alles wie am Schnürchen: Der Schutt wurde gleich weggefahren, und der Traktor half auch noch beim Einebnen des Platzes. Bereits nach fünf Stunden war eine saubere Fläche entstanden, und man freute sich schon auf die Rasenaussaat am nächsten Wochenende. Auch die Rabatten waren angelegt worden, und als im Dezember die bestellten Rosen eintrafen, wurden an der Rückseite Kletterrosen , und in die Rabatten vierzig Rosenstöckchen umgehend eingepflanzt und gleich sorgfältig winterfest abgedeckt. Den Winter hatte hatte die ganze Anlage dann ohne jeden Schaden überstanden, und so konnten im Frühjahr die Pflegearbeiten beginnen . Rings um die nun erfreulich feste Grünfläche wurden neun Sitzbänke aufgestellt und in der Mitte ein kleines Plattenpodest angelegt . Nun konnte das Roseneck seinen Zweck erfüllen, und zu seiner feierlichen Einweihung wurde ein erstes Frühlingsfest mit einem Kinderumzug vom Kulturhaus zum Roseneck geplant , wo dann der Winter vertrieben werden sollte .
29. Kapitel „ HALB UND HALB „ Doch das Jahr 1977 hielt noch eine andere Aufgabe und ein neues , interessantes Betätigungsfeld für Dada bereit : Adolf Heyer, seit 1967 der Gründer und Leiter der gefeierten „Hofsänger“ , der männlichen Gesangsgruppe des K C U , der bis dahin alle Auftritte dieser Gruppe ausgearbeitet und einstudiert hatte, bat sie aus gesundheitlichen Gründen,. diese Tätigkeit möglichst ab sofort zu übernehmen . Schon zur Veranstaltung zum 11. 11. dem traditionellen Termin der „Hofsänger“ , einen Rückblick auf das aktuelle Geschehen des vergangenen Jahres zu bringen, sollte ihr erstes Programm vorgetragen werden. .Aus diesem Debüt-Programm eine kleine Kostprobe: Zur Erklärung: 1977 gingen die meisten Qualitätsprodukte der DDR in den Export und fehlten oft im eigenen Verkauf Die Verkäufer dieser begehrten Mangelwaren nutzten das natürlich für manche kleine Nebeneinnahme.. Das damals bekannteste und sicherste Mittel, solche „ Bückware „ zu bekommen, war : „ Halb und halb „ zu bezahlen , nämlich : Halb mit Ost - , und halb mit West – Geld . Aus Dadas Debüt-Programm für die „Hofsänger des KCU“ zum 11.11.1977 , gesungen nach der damals aktuellen Melodie der Schlümpfe. H A L B U N D H A L B DORFBEWOHNER KÄUFERGRUPPE Sagt uns , wo kommt ihr denn her ? Aus der Kreisstadt ! Bitte sehr . Sagt, was tatet ihr dort tun? Fragen! - Ohne auszuruhn ! Nach was tatet ihr denn fragen ? Nach nem Auspuff für den Wagen. Wenn das gar so schwierig ist, greift doch mal zu einer List : gemeinsam - La la lalalala VERKÄUFER KÄUFERGRUPPE Bitte schön, was darf’s denn sein? Eime Bohrmaschine fein . Nicht um alles in der Welt !! Wir zahln auch halb und halb das Geld! Ich guck mal nach ! Nen Augenblick ! - - - Wirklich! - Sie ham großes Clück !! ( Kommt mit Bohrmaschine von hinten) Sie sind ein Schatz!! Wir zahln auch klar jetzt halb mit Scheck,und halb in bar! -Lalalala
30. Kapitel EINWEIHUNG vom „ROSEN- ECK “ 1978 mit ERSTEM WINTER-AUSTREIBEN
Die Einweihung des neuen Platzes als „Roseneck“ wurde nun für den 15.April festgesetzt und sollte mit einem zünftigen Fest für die Kinder des Ortes , dem „Winter Austreiben“ , für das Dada inzwischen schon ein kleines Szenarium geschrieben hatte, gefeiert werden. Schon liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren: In der Klasse 5 fand man mühelos vier Jungen, die als Vasallen des Winters - , und vier Mädchen, die als Blumenkinder der Frühlingsfee mitwirken wollten.Auch „Winter“ und die Frühlingsfee, die von der Salzunger Patentante ein wunderschönes , goldgelb glänzendes Kleid genäht bekam, wurden schnell erwählt . Als zu guter Letzt Lothar Brandt anbot, die Frühlingsgruppe mit seiner Pony-Kutsche vom üblichen Treffpunkt vor dem Kulturhaus zum neuen Festplatz zu fahren, und Fleischer Jacob im Anschluß ausreichend Bratwürste anbieten wollte, konnte man dem Fest beruhigt und in froher Erwartung entgegen sehen. Es wurde eine gelungene Veranstaltung : Von vielen Kindern begleitet brachte die Pony-Kutsche die Frühlingsfee mit ihren vier Blumenkindern zum Roseneck . Die kleine Aufführung gelang bestens , und nachdem der Winter und seine vier Vasallen verjagt - , und ihre weißen Fahnen verbrannt waren , konnte Schneeglöckchen mit seinem laut schallenden Glöckchen den Frühling einläuten, während die fröhliche Kinderschaar zu Arnos Akkordeon – Begleitung gemeinsam und voller Überzeugung „Winter Adee !!“ sang .
31. Kapitel „ Land unter “ am 4. Juni 1981
Der Tag war drückend schwül geworden, die ersten heißen Sommertage des Jahres hatten den Boden schon ausgedörrt, doch man schien vergeblich auf den angekündigten Gewitterregen und auf Abkühlung zu warten. Dann aber überzog ein bleischwarzer Wolkenteppich in kürzester Zeit den Himmel, das erste Donnergrollen wurde lauter, und plötzlich prasselten, wie auf einen Startschuß, rauschende Regenmassen vom Himmel. Der Hof hinter dem Haus verwandelte sich in einen See, der sich umgehend einen Abfluß durch die Kellerfenster ins Haus suchte. Hagel und schier unübersehbare Wassermassen ergossen sich reißend in Straßen und Gassen und setzten den gesamten Ort unter Wasser. Während in der Ferne noch dumpf der Donner grollte, der Himmel aber schon wieder aufhellte, klingelte das Telefon beim Arzt des Dorfes : Ein junges Mädchen in der Räsa hatte einen , dem Arzt gut bekannten, ihrer schweren Asthma –Anfälle und rang nach Luft. Ihr Elternhaus aber stand nun mitten im Hochwasser. Arno wußte sofort, wie dringend er jetzt gebraucht wurde, denn ohne Injektion drohte das Mädchen zu ersticken. Aber wie?? Die Straßen waren unpassierbar, das Auto konnte er nicht nehmen! - Doch über den Berghang müßte man zum Kaliwerk laufen können?! Gedacht,- getan: Praxistasche geschnappt und losgelaufen ! Im Werk angekommen, lief plötzlich alles wie am Schnürchen, als wäre es schon -zichmal geprobt worden. In einer Lok der Werksbahn fuhr er über die Eisenbahnbrücke hoch über den plötzlichen See zum Güterbahnhof. Dort Umstieg in eine Lok der Reichsbahn,die sonst Kali den Sünnaer Berg entlang , an der Räsa vorbei nach Vacha brachte, Dort auf halber Strecke ausgestiegen , hier von einem Grenzer mit Krad erwartet und zum Uferrand des Hochwassers gefahren, wo schon ein Schlauchboot wartend schaukelte: Jetzt nur schnell vom schwankenden Boot umsteigen und nicht die dünnen Venen verfehlen! Gerettet!
32. Kapitel DER TRAGISCHE TOD VON PETER R:
Es war ein Montag, - der 6.Juli 1981. Der damalige Ortsparteivorsitzende der SED ( die Sozialist. Einheitspartei der DDR) des Ortes Unterbreizbach war schon am frühen Morgen , vor der Öffnungszeit des Amtes , in seinem Dienstzimmer im Gemeindeamt , um einige Schriftsachen ungestört erledigen zu können, Er hörte, daß vorm Haus ein Auto hielt, sah nun, daß es ein Polizeifahrzeug war und daß zwei Verkehrspolizisten ausstiegen und ins Haus kamen. Dann klingelte es . Da er noch allein im Amt war, öffnete er und erfuhr nun von den Polizisten, daß sie auf der Suche seien, um die Identität eines unbekannten .Toten zu klären. Der Polizei wäre kurz nach Mitternacht von einem Grenzoffizier, wohnhaft in Pferdsdorf, Dienststandort in Buttlar,der mit einem Motorrad in Richtung Vacha unterwegs gewesen sei, gemeldet worden, daß er auf der etwa fünfhundert Meter langen, geraden und übersichtlichen Verkehrsstraße, kurz vor Schacht 2 und Sünna, einen bewußtlosen Jugendlichen quer auf der Straße liegen sah. Im Gegenverkehr habe sich gerade ein Motorrad genähert , während er im Rückspiegel gesehen habe, daß sich von hinten ein PKW mit ziemlicher Geschwindigkeit näherte.. Daher wäre er links an dem Liegenden vorbei gefahren, habe gewendet und dem PKW entgegen als Warnsignal, auf dem Motorrad sitzend, auf- und abgeblendet. Das Auto habe daraufhin zwar abgeblendet, verminderte aber seine Geschwindigkeit kaum. Da es dadurch nicht rechtzeitig zum Halten gebracht werden konnte, überrollte es das Unfallopfer und fuhr, ohne anzuhalten, weiter und davon. - Es wäre ein heller Trabant gewesen . - Da der Jugendliche aus Unterbreizbach stammen könnte, zeigte einer der Polizisten nun Günter Rudolph ein Foto des Unfallopfers : ¬¬Er erkannte seinen eigenen, jüngsten Sohn Peter. Mit zwei Freunden fuhr G.Rudolph umgehend zur Unfallstelle .Sie fanden im Abstand von wenigen Metern dort zwei Blutlachen auf dem Asphalt. Lag er schon verletzt auf der Straße? - Vor ihnen hatte die Spurensicherung schon die Plastesplitter eines Nebelscheinwerfergehäuses sichergestellt . Man suchte und fand jetzt schnell einen dunkelgrünen Skoda, und konnte dessen Fahrer der Fahrerflucht überführen. Es war ein zweiundzwanzig Jahre junger Mann aus Vacha, der mit dem Auto seines Vaters eine Tanzveranstaltung in Kranlucken besucht hatte. Es folgte die Reproduktion des Unfalls, zu welcher der als Zeuge geladene Grenzoffizier Klose aber nicht erschienen war, sondern dann erst aus Pferdsdorf geholt werden mußte . Er wurde am nächsten Tag nach Erfurt versetzt . Am 11.Sept.1981 fand in Bad Salzungen die Gerichtsverhandlung gegen den Unfallverursacher statt. Die Familie Rudolph hatte die mit ihnen befreundete D.Nennstiel mit der Pflichtverteidigung betraut. Sie begann ihr Plädoyer wie folgt : In der Nacht vom 6. zum 7. Juli dieses Jahres wurde ein junger Bürger unserer Gemeinde aus seinem hoffnungsvollen Leben gerissen, wurde das Glück seiner Familie für immer tiefgreifend getört . Peter Rudolph stand als Auswahltorwart der Fußballjugend und als DRK – Helfer mitten im gesellschaftlichen Leben. - Ich selber habe ihn als hilfsbereit und zuverlässig schätzen gelernt, ob es nun um die Übernahme einer Theaterrolle , oder um Kohlenhereinschippen ging. Aber nicht nur die Fassungslosigkeit über seinen Tod, sondern die Skrupellosigkeit, der Peter zum Opfer fiel, bewegt und erregt die Menschen unseres Ortes , und sicher nicht nur diese . - - - Folgendes Unfallgeschehen vom 6.Juli 1981 wurde ermittelt: Der 17-jährige Peter Rudolph verabschiedete sich gegen 23.30 Uhr an der Bushaltestelle in Borsch nach einer Tanzveranstaltung von seiner Freundin Anneliese, um nach Unterbreizbach nach Hause zu laufen , in der Hoffnung als Anhalter irgendwann mitgenommen zu werden . Ein erster angehaltener Grenzsoldat durfte ihn auf Dienstfahrt nicht mitnehmen, aber dann nahm ihn ein Mopedfahrer bis nach Buttlar mit. Beide sagten aus, daß Peter nicht betrunken und gesund gewesen sei und unaufdringlich gewunken habe. Kurz vor Mitternacht wurde er dann von Offizier Klose , bewußtlos auf der Straße liegend, gefunden, während sich aus Richtung Vacha ein zweites Motorrad mit dem Mitarbeiter des Kraftverkehrs, Marr, näherte, den Unfall verfolgte und der später allerdings aussagte, Klose habe am Straßenrand gegenüber,bei abgestelltem Motor, neben seinem Krad stehend, geblinkt. Ein nachfolgender Pkw , der auf das Blinken zwar abgeblendet, aber kaum die Geschwindigkeit verringert hatte, und daher, trotz der festgestellten 6,1 m langen Blockier- , und 6,o m langen Schleuderspur nicht rechtzeitig zum Anhalten gebracht werden konnte. überrollte nun den Bewußtlosen, der etwa eineinhalb Meter durch die Luft zur Seite geschleudert wurde. Klose verließ jetzt den Unfallort, wo nun Marr verblieb , und fuhr selbst, um den Unfall zu melden . Aber nicht zu dem in Sichtweite liegenden Schacht 2 , sondern zu seinem Standort in Buttlar, von wo er erst nach ungefähr zwanzig Minuten zurückkehrte.Der geflüchtete Fahrer war nach Hause gefahren, wechselte den beschädigten Scheinwerfer aus und fuhr zum Tanz nach Kranlucken zurück, zweimal vorbei am Unfallort ,wo er anhielt , nicht etwa, um sich zu stellen , sondern wo er sich nach dem dort Geschehenen erkundigte. Am nächsten Morgen am Arbeitsplatz äußerte er bei Diskussionen: „Das Schwein müßte man aufhängen !“ Die Autopsie ergab , daß durch die schwere Gehirnzerstörung der Tod sofort eingetreten sei. Die Straftat „Unterlassene Hilfeleistung“ entfiel damit. Doch warum lag Peter bewußtlos auf der Straße? Schockmerkmale, welche im Blut festgestellt wurden, können sich nicht erst nach dem Tod gebildet haben . Es war aber nicht nachzuweisen, ob die Zertrümmerung des Schädels durch nur einen oder eventuell zwei Unfälle verursacht wurde. Andere Verletzungen aber konnten nicht nachgewiesen werden. Peter könnte von einem Fahrzeug abgerutscht und hinterrücks auf die Fahrbahn geschlagen sein ? Kam Offizier Klose eventuell nicht zufällig am Unfallort vorbei, sondern war er dort vorher bereits Zeuge eines Unfalls? Diese Frage an ihn konnte nicht gestellt werden, denn auch zur Gerichtsverhandlung fehlte er unentschuldigt. Ein Besucher hatte ihn allerdings im Erdgeschoß des Gerichts gesehen, wie er nach Erfurt zurückgeschickt wurde, weil er nicht benötigt würde. Sein Wissen war offenbar nicht gefragt. Auch kam die zweite Blutlache garnicht zur Sprache. Die Urteilsverkündung wurde vertagt , das spätereUrteil dann zur Bewährung ausgesetzt. Eine von Familie Rudolph beantragte Kassation wurde abgelehnt.
P E T E R 13.04.1964 - 06.07.1981 Die Sinne fassen’s nicht . Wenn sie’s auch unerbittlich wissen , daß , kaum uns neu geschenkt , Du nun für immer fort von uns gerissen ! Dein Abschied, flüchtig nur, für kurze Zeit, ein Gruß im Gehen , wurd‘ jäh für Ewigkeit ! Ein letzter Abschied ohne Wiedersehen . Die Zeit mag Wunden heil’n , - Doch nie wird sie vertreiben Dein Bild ! So. wie Du gingst , froh, strahlend jung, so wirst Du bei uns bleiben !
Zum 5. / 6. Juli 1981 In tiefer Anteilnahme und Verbundenheit (DND)
33. Kapitel EIN WOCHENENDE IN KRAKAU am 26.4.1986
Ende April 1986 war eine kurze Wochenendfahrt mit Ehepaar Dr Hanf in die Tschechei geplant, wo Herbert die Stätten seiner Kindheit, die er 1945 mit seinen Eltern verlassen mußte, wiedersehen und sie ihnen zeigen wollte. Doch dort war inzwischen alles verändert, und auch die Menschen, die jetzt hier wohnten, waren ihm unbekannt. So fuhren sie ohne großen Aufenthalt weiter nach Krakau , wo Margot schon Hotelzimmer gebucht hatte, da sie sich am nächsten Tag das Interessanteste dieser altehrwürdigen Universitäts - und Königsstadt anschauen wollten. Auch die Reihenfolge dieser Besichtigungen hatte sie schon festgelegt, und um diese alle schaffen zu können, trafen sich die beiden Paare am nächsten Morgen schon recht früh im Restaurant des Hotels wieder. Die Frühstückstische waren schon gedeckt, nur die Kaffeesahne fehlte noch. Waren sie doch etwas zu früh? Doch auf die Nachfrage bei der Kellnerin erhielten sie die etwas zögernde Antwort: „ Nein, - heute nicht da .“ Seltsam allerdings war es, daß es dann auch in der Stadt nur Kaffee ohne Milch gab, doch ohne daß es jemanden zu wundern oder zu stören schien. Aber eine angespannte Unsicherheit schien auf den Menschen zu lasten, die sie jedoch bei ihrer Rückkehr in die DDR auch hier bei den Menschen zu verspüren schienen. Die Erklärung erfolgte erst zu Hause, als sie das Westfernsehen einschalteten: In der Nacht zum Sonntag dem 26. April war in Tschernobyl ein Reaktor des Kernkraftwerkes explodiert. 120.000 Menschen im Umfeld mußten umgehend Haus und Hof verlassen, tausende Ersthelfer verloren durch Verstrahlung ihr Leben. Eine radioaktive Wolke von Caesium 137 war westwärts gen Europa gezogen, und ihr Regen hatte weithin die Erde verseucht. Selbst das 1.300 km entfernte Südthüingen war betroffen. Doch erst Ende April wurden in der DDR Berichte über die nukleare Katastrophe veröffentlicht, in der Suhler Presse dann am 2.Mai, gleich mit der Versicherung, dass in der DDR niemand gefährdet sei.
34. Kapitel FAHRT zum 50. GEBURTSTAG von BRUDER FRANZ
Mit einer ganz besonderen Familienfeier begann das Jahr 1987 für Eugenie und Dada , nämlich verbunden mit einer „Westfahrt“ an die Nordsee, gleich zu Beginn des Jahres zum 5o.Geburtstag ihres Bruders . Franz hatte nämlich inzwischen sein Arbeitsfeld von Westberlin nach Neuharlingersiel in ein riesiges Wasserschloß verlegt. Nachdem er als Kinderarzt eine Zusatzausbildung zum Allergologen abgeschlossen hatte, hatte er hier begonnen, eine Klinik für an Neurodemitis erkrankte Kinder aufzubauen . Zu seiner Behandlung gehörte unter anderem auch eine Spezialernährung, möglich geworden durch die Herstellungstechnik der Kosmonautennahrung. Ilse, seine Frau, hatte die Anweisungen dafür schon in einem Kochbuch zusammengefaßt. Um den kleinen Patienten die belastenden Trennungen zu ersparen, waren neben der Klinik zahlreiche , mit Fußbodenheizung ausgestattete Kleinbungalows errichtet worden, in denen sie mit einem Angehörigen während der Behandlung wohnen konnten. Nun hatte er auch seine Verwandten aus der DDR zu seinem Geburtstag einladen können, denn seit 1964 durften, anfangs nur die Rentner , inzwischen aber auch die Familienangehörigen ersten Grades, zu besonderen Familienfeiern für kurze Zeit nach Westdeutschland reisen. Und so hatten sich die beiden Schwestern, zwar mit gedämpfter Freude, denn die Anträge ihrer Ehemänner waren , wie jedesmal bisher, wieder abgelehnt worden, ihre Ausreisedokumente auf dem Polizeiamt in Bad Salzungen abgeholt. Schon ihre erste gemeinsame Westreise , 1975 zu Hella und Dicks Silberner Hochzeit nach Mainz , die besonders erlebnisreich wurde, mußten sie ohne ihre Begleitung antreten. Nach der Feier hatte Franz nämlich darauf gedrungen , daß sich die beiden seine Wohnung und Praxis in Westberlin anschauten . So waren sie dann vom Frankfurter Flugplatz aus nach Berlin geflogen. Dada erinnerte sich nur noch ungern an die Angst, die sie empfand, als das Flugzeug enorm an Höhe verlor. Sie erfuhr erst später, daß die Fugzeuge über der DDR eine wesentlich niedrigere Flughöhe einhalten mußten . Als sie dann aber eine weithin kahle Kraterlandschaft überflogen und das Geräusch der Motoren sich merkwürdig dumpf veränderte, fürchtete sie schon, sich auf einem Flug ins Nichts zu befinden, wie man es vom Bermuda-Dreieck erzählte.Es war aber der riesige Miitärübungsplatz bei Ohrdruf und sie kamen bestens in Berlin an . Dort erlebten sie eine herrliche und interssante, wenn auch sehr kurze Zeit. Den Rückflug hatten dann Friedel und Pepe so arrangiert, daß sie den beiden Ostbesucherinnen noch ihr neugebautes Haus in Wolfsburg zeigen konnten . Da aber gleichfalls der Neubau in Unterbreizbach fertig werden sollte, hatte Dada nochmal eine dringende Bitte an die beiden, denn die hatten ihnen schon die Kippscharniere für die Fenster besorgt. Aber sie hatte für die Hausvorderwand ein großes Glassteinfenster mit einem bunten Blumenmotiv entworfen, die begehrten bunten Glasbbausteine auch, wie erforderlich, auf dem Bauamt beantragt,und sogar genehmigt bekommen. Doch jetzt waren diese Bausteine einfach nicht da! Sie konnte ihre Heimfahrt tatsächlich mit zwölf großen, bunten Glasbausteinen im Koffer antreten! Lustiger Abschluß der Fahrt war dann auf dem Bahnsteig in Eisenach, als Arno ihr glückstrahlend entgegeneilte und ihr den Koffer flugs abnehmen wollte, und er völlig überrascht in die Kniee ging. Doch sogar, als dann 1988 Arnos Patenkind Ole in Wolfsburg konfirmiert wurde, mußte er zu Hause bleiben ! So auch dieses Mal ! Nach zwölf Jahren, standen sie wieder hier auf dem Bahnsteig und Eugenie und Dada mußten sich von ihren Männern verabschieden. Aber anders als damals war es jetzt tiefer Winter, und es hatte sogar schon eine Unwetterwarnung gegeben. Jedoch sie verließen sich auf die Zuverlässigkeit der Westzüge. Auch wenn sie die letzte Strecke in einen Regionalzug umsteigen mußten, - nachmittags würden sie am Ziel sein! Dann der bitter-süße Abschied, und es ging los ! Im Zug die Paß- und Gepäckkontrolle, später in Herleshausen die üblichen Grenzformalitäten, und nun konnte man es sich erst mal bequem machen! Doch da quietschten plötzlich die Räder! Langer Halt und Umleitung wegen Hochwasser! Aber auch die Weiterfahrt verlief nur stockend: Sturm und Schneeverwehungen verursachten immer wieder Unterbrechungen. In eisiger Dunkelheit, weit nach Mitternacht, fuhr der Zug endlich in ihren Umsteige- Bahnhof ein, wo der Anschlußzug natürlich schon längst weg war ! Plötzlich dröhnten wie Geisterstimmen ihre Namen aus dem Lautsprecher : Sie möchten bitte aussteigen, ein Auto stünde für sie zur Weirerfahrt bereit ! Befreites Aufatmen !! Da sich nach vielen Jahren zwischen alten Briefen zufällig jetzt ( 1922 ) Dada s Tischrede für das Geburtstagskind gefunden hat, geschrieben erst nach ihrer Ankunft dort, auf einem Briefbogen des vormaligen Hotels, - den Abschluß dieser Fahrt nun in Versen :
ZUM 50. GEBURTSTAG VON FRANZ Am 06.01.1987 in Neuharlingersiel Durch Hochwasser und hohen Schnee die Herfahrt wurd‘ zur Odyssee. Die Reise wurde lang und länger, und die Gemüter bang und bänger , denn neu war uns Neuharlingersiel , - auch von Friesland wußten wir nicht viel. Ein Ehepaar aus Wilhelmshafen bot uns schon an, bei ihm zu schlafen, doch Fortuna tat sich freundlich zeigen, ließ uns am richt‘gen Ort aussteigen:. Das Stellwerk war schon informiert, der ganze Bahnhof alarmiert, der Lautsprecher rief laut es aus : Die „Ossis“ müssen jetzt hier raus!“ Clemens und Günter Dieke harrten schon auf die Frost- und Schreckerstarrten , und haben sie in tiefer Nacht trotz Glatteis sicher hergebracht, hier, zu dem neuen Arbeitsfeld , was Franz nun in den Händen hält . Ein „Knusperhäuschen“ nahm sie auf . Bald nahm der Festtag seinen Lauf. Heute nun Ost und Westen, Dorf und Stadt , sich fröhlich hier versammelt hat.. Auch die Familie, eng verbunden , hat sich vollzählig eingefunden, um fünfzig Jahre zu begießen , die Franz zum Manne reifen ließen , . der sich, in seines Schaffens Blüte , mit Schöpferkraft durchs Leben mühte . Das Glück stellte seine Weichen dann , als Ilse er für sich gewann. In schweren und in frohen Tagen sie nun Last und Lust gemeinsam tragen . Beruf und Familie eng verbunden , so habt Ihr zweifaches Glück gefunden , ein Glück voll segensreicher Kraft, was Gutes nur weit im Umfeld schafft !. Bleibe lange noch Eure Kraft erhalten um vereint das Leben zu gestalten , ein Leben, inhaltsreich und schön ! wünscht Euch ganz lieb Dada aus der Rhön ! (DND)
35. Kapitel ROSENECK-SINGEN und schon bald die 600 – JAHRFEIER
Schon im folgenden Jahr wurde das Winteraustreiben für ein Jahrzehnt der Auftakt für das sommerliche Roseneck-Singen, zu dem sich , wenn es das Wetter erlaubte , an freien Sonnabenden jeder , der Lust daran hatte, abends zum gemeinsamen Singen einfinden konnte.Zur Freude von Groß und Klein betrachtete es Arno nie als Belastung, und wurde nicht müde, die fröhlichen Sänger durch seine aufmunternde Akkordeonbegleitung und seinen schier unerschöpflichen Liedervorrat mit auf seine musikalischen Reisen zu nehmen. So fand sich dann zwanglos Jung und Alt hier ein, viele alte Völkslieder wurden wieder ins Gedächtnis gerufen, und zum Abschluß gab es leckere Bratwürste der Fleischerei Jacob, die dann auch gebührend mit ihrem Lied , welches die Hofsänger bei ihrem Vortrag von den Berufen im Dorf nach der Melodie der „Salzburger Nockerln“ auf der Bühne mit ihnen gesungen hatten, gelobt wurden: Thüringer Bratwürscht, Thüringer Bratwürscht schmecken so herrlich, und duften so fein. Thüringer Bratwürscht, Thüringer Bratwürscht sollen von Jacobs nur sein! Wie schmackhaft und prall die der Karl machen kann, wie freundlich das Gretchen sie uns bietet an ! Thüringer Bratwürscht, Thüringer Bratwürscht , nirgendwo schmecken sie sooo ! Thüringer Bratwürscht, Thüringer Bratwürscht sind Spitze ! Sind Weltniveau !! (DND) Doch hatte man sich hier auch schon Gedanken über die Gestaltung eines in den kommenden Jahren bevorstehenden großen Ereignisses gemacht, nämlich das sechshunderjährige Bestehen des Dorfes. Dada hatte im Dorf schon mal gehört, daß ein alleinstehender Lehrer aus Unterbreizbach , Valentin Pforr (1911 – 1950 ) , nach dem Krieg todkrank , bis zu seinem Tod schwer leidend in seinem Elternhaus bei seinem Bruder Johannes gelebt habe, und sich in dieser kurzen Zeit bis zuletzt bemühte , die noch vorhandenen Fakten für eine Chronik zusammenzutragen. Sie war glücklich, aber auch überrascht, daß sie diesen wertvollen Hefter sofort, ohne großes „wenn – und aber“- , von seiner Schwägerin, Elfriede Heerdegen, ausgehändigt bekam, sie diesen kopieren-, und die Kopie der Gemeinde zur Einsicht überlassen durfte. Sie konnte sich nun von der Übereinstimmung der Fakten im amtlichen Registraturbild des Gemeindeamtes mit seinen Angaben überzeugen. Er hatte diese aber wahrscheinlich daraus übernommen. Als Ersterwähnung wurde eine Urkunde des damals zuständigen Amtes Vacha genannt, die besagte, daß Unterbreizbach, ein Gutshof der Adelsfamilie Breizbach, im Jahr 1406 vom „Amt Vach“, das zu Sachsen-Weimar gehörte, an Hessen verpfändet wurde . Von hier übernommen hatte er wohl auch, daß der Ort bis auf eine kurze Zeit nach 1920 nie ein eigenes Wappen führte, und daß dieses Wappen, welches auf Anordnung der Obrigkeit erstellt wurde, durch einen Wasserkrug auf die mühsame Wasserversorgung des Ortes -, und durch drei Fischreusen auf den Fischreichtum der Ulster hinweisen würde. Er ergänzte diese Fakten durch das Wissen vcn Pfarrer Dahinten, daß es nach dem ersten Weltkrieg, als aus dem Königreich Deutschland eine Republik wurde und eine neue Verwaltung aufgebaut werden mußte, es Bezirksdirektor (Landrat) Baron von Gross war ,der allen Gemeinden vorschlug, ein Wappen zu führen, welche aber durch die Naziherrschaft 1930 wieder ungültig wurden.
36. Kapitel ALS DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN BEBTE
Inzwischen aber hatte sich in der DDR seit 1985 , als Michael Gorbatschow in der UdSSR , der Besatzungemacht von Ostdeutschland, die Herrschaft übernommen hatte und im Januar 1987 seine Absicht nochmal bekräftigte , durch Offenheit und Umbau den kalten Krieg weltweit beenden zu wollen, eine spürbar spannungegeladene Stimmung ausgebreitet. Denn völlig entgegen der bisherigen Haltung hatte Honnecker diesem Reformkurs sofort im Februar eine Absage erteilt, und Chefideologe Kurt Hager erklärte im März, der Tapetenwechsel eines Nachbarn müsse nicht unbedingt nachgeahmt werden ! Diese Stimmung hatte Dada in die Texte für die Hofsännger zum 11.11.1988 eingebaut. Als sie diese aber im September den Sängern , wie üblich, das erste Mal vorstellte, machte sie schon vorher darauf aufmerksam, daß sie den folgenden Teil bei Bedenken auch streichen würde . : Zum 11.11.1988 Jahr 88 , warst halt ein Schaltjahr du . drum wurde umgeschaltet und manches gewechselt im Nu! Schaltjahr ist’s, und wir schalten alle mit , und die Wende macht uns Spaß,,machen einen Wechselschritt! Solo / Helmuth Rehm (Melodie „Leis das Glöckchen-“) Leis‘ die Hoffnung erwächst auf Frieden auf Erden . Gorbatschow zwingt den Krieg in die Knie ! Läßt Pjerestroika zum Zauberwort werden , das auch dort ändert, wo man wollte es nie! Glasnost nennt er den Weg. der die Welt führt zum Ziele , denn verändern kann nur der, der weiß ! Glasnost wurde zum Albtraum für viele – und den Gestrigen wird der Boden nun heiß ! Solo / Achim Koch (Melodie „Katjuscha“) Aber wir, wir sehn die große Wende voller Achtung, und voll Sympathie. Woll’n den Weg führ’n gemeinsam zu Ende , Atomfriedhof wird unsre Welt dann nie ! Nach ihrem Vortrag betretenes Schweigen. Dada wollte schon streichen. „Nein!“ Heftiger Einspruch:“ Das singen wir,- und genau so, wie du es geschrieben hast! Aber unsre Zahnbürsten bringen wir lieber mit!“ - Sie wurden nicht gebraucht ! VERBOT DES „ SPUTNIK“ Doch schon am 18. November erfolgte ein ungeheuerlicher Affront der DDR gegen Gorbatschow. „ Sputnik“ , die bisher hochgelobte Taschenbuch - Ausgabe einer Sammlung von aktuellen Beiträgen sowjetischer Medien, durfte in der DDR ab sofort nicht mehr verkauft werden !! Doch Dada jubelte: „Nun werden die russischen Panzer nicht mehr, wie am 17.Juni, unsre Regierung retten! - Meinen nächsten runden Geburtstag werden wir im Grenzgebiet mit unseren westdeutschen Verwandten feiern !!“
DOCH WIEDER EIN GRUBENBEBEN
Auch im heimatlichen Umfeld gab es zusätzliche Verunsicherung, Mißtrauen und Befürchtungen . Seit dem Grubenbeben unter Sünna war die Schuldfrage ein ungeklärter Streitfall, ob es durch die minimierten Stützpfeiler oder durch die Laugenverpressung der angrenzenden Westberiebe verursacht wurde . Inzwischen beklagten etliche Rhöngemeinden jedoch,daß sie um die Mittagszeit, wenn im Merkerser Schacht gesprengt würde, zunehmend lautes Grollen hörten, die Wände erzitterten und die Gläser in den Schränken klirrten . Die Bewohner fürchteten natürlich ein zweites Beben und hatten schon etliche Versammlungen erzwungen. Die Vertreter der Kali-Industrie behaupteten allerdings immer wieder, daß keinerlei Gefährdung bestünde. Jedoch am 13.März, Dada war gerade in der Küche beschäftigt, begann das Haus plötzlich wie ein Schiff zu schwanken , - ein Blick auf die Uhr : Aha ! Kurz nach 14oo Uhr! , - während in Völkershausen der Boden um einen Meter in die Tiefe sackte und achtzig Prozent des Dorfes zerstört wurde . Unter ihnen, auf 6,8 Quadratkilometern Abbaufläche , waren 3.200 Stützpfeiler blitzartig zusammengebrochen. Hatte man etwa bewußt falsch informiert und auf Zeit gespielt ??
37. Kapitel IRRTUM VOM AMT UND RÜCKBLICK
Überraschend wurde Anfang 1989 in den Urkunden des Closters Creuzburg ein Revers , bereits aus dem Jahre 1390, an den Abt von Fulda gefunden, welches das „Guth zu Nieder-Breytsbach“ zumVerkauf frei gab. So stand das große Fest plötzlich völlig unerwartet vor der Tür. Bürgermeisterin Christa Draheim berief umgehend ein Festkommitee, und die Vorbereitungen begannen. Manche Pläne mußten aufgegeben oder geändert werden. Auch ergab es sich jetzt, daß die bisherige Deutung des Kurzzeitwappens falsch war. Es beinhaltete stattdessen Wappenteile von zwei Adelsfamilien, die lange Zeit die Besitzer des Gutes waren, nämlich die Weinbutte aus dem Wappen derer von Buttlar , sowie die drei Hifthörner derer von Völkershausen. Daraufhin beschloß man, für die Festtage ein gesondertes, gegenwartsbezogenes Wappen zu gestalten , eine Aufgabe, die Dada gerne übernahm. Sie wählte als Symbolik für das heutige Dorf seine drei wichtigsten Arbeitgeber : die Landwirtschaft, den florierenden Kalischacht, aber auch die Baufirma Otto Wittich, die den Wiederaufbau von Unterbreizbach nach der Brandzerstörung 1945 entscheidend unterstützte und das neue Ortsbild geprägt hat. Die Festwoche wurde in den Monat August 199O gelegt und sollte mit einem großen Umzug durch das Dorf gekrönt werden. Durch beste Möglichkeiten dafür sollte für die Festsitzung auch ein kleiner Film in Kinofilm-Format gedreht werden, der zeigen sollte, wie heute, nach sechshundert Jahren, die Kinder in Unterbreizbach aufwachsen. Der Lehrer Erwin Denner, der einen Foto-Zirkel in der Schule leitete, sowie der Fimvorführer des Ortes , Lothar Portius . der privat in Besitz der dazu benötigten Geräte gekommen war, sagten sofort ihre Mitarbeit zu, ebenso, wie alle der jetzt anstehenden zahlreichen Aufgaben mühelos aufgeteilt werden konnten. Die Freude aber auf dieses gemeinsame Jahrhundertereignis hatte in kürzester Zeit das ganze Dorf erfaßt . Während Dada nun zuerst vorwiegend damit beschäftigt war, für den Film ein kleines Drehbuch zu erarbeiten und auch schon erste Dreharbeiten vorbereitete, wanderten ihre Gedanken unwillkürlich zu den bisherigen Lebenswegen ihrer drei nun schon erwachsenen Töchter, die ihre Kindheit ja auch in Unterbreizbach verlebt hatten : - Christiane, ihre „Große“ , war nach ihrer baldigen Scheidung noch während des Studiums in Jena von einem Studienkollegen der Zahnmedizin heftig umworben worden, als sie sich in der Studentenkneipe „Zur Rose“ an einem Zirkel für „Schreibende Arbeiter“ beteiligte, hatte wieder geheiratet und hieß nun Hering. Das führte zu folgender Begebenheit : Während eines Pflichtkurses für Zivilverteidigung hatte sie eine Gruppenführerin namens Bratfisch. So wurde ihre Meldung zum täglichen Fahnenappell am frühen Morgen zur großen Lachnummer , als Christiane selbigen vorschriftsmäßig eröffnete mit: „ Hering meldet Bratfisch !“ , obwohl die Mädchen dort während der Ausbildung nichts zu Lachen hatten. Später war „Die Rose“ eines Tages verschlossen. Niemand wußte, warum, bis der Westsender „Rias“ meldete, daß dort einige Mitglieder verhaftet wurden . Inzwischen aber arbeitete sie als Frauenärztin im Vogtland, hatte zwei Kinder, und erfuhr später aus ihrer Akte: Ihr Mann war einst ihr erster Stasibeobachter . Auch Franziska , ebenfalls mit glänzendem Abiturzeugnis, - sie hatte sich für ein Technisches Studium in Merseburg entschieden, hatte zu Beginn, trotz Bedenken der Eltern. einen ehemaligen Klassenkamereden geheiratet. Nun war schon ein Kind unterwegs, aber da der junge Mann seine Berufsausbildung bei Kali schon abgeschlossen hatte, wollte er nach der Geburt mit nach Merseburg ziehen, dort arbeiten und sich mit um das Kind kümmern. Jedoch seine Eltern betrieben neben ihrem Beruf eine kleine Landwirtschaft , konnten die schwere Arbeit zwar nicht mehr alleine bewältigen, wollten sie aber auch nicht aufgeben. So blieb Franziska in Merseburg mit dem Kind allein . Sogar mit besten Studienergebnissen, denn sie sollte nach Moskau deligiert werden. Allein weiterhin, auch als ein zweitrs Kind geboren wurde. Zwar wurde es nach einem halben Jahr bedrohlich krank und nun von seiner Oma in Unterbreizbach lange Zeit betreut, wo bereits die früher immer so hilfsbereite Pate, inzwischen jedoch alt, sowie schwer an „Alzheimer“ leidend, in Obhut genommen wurde . Als sich aber eine dritte Schwangerschaft einstellte, gab sie ihr Studium auf. Die kleine Familie zog nun in die Schlafetage über der Wohnetage im Haus. der Schwiegereltern, , doch ohne Toilette und ohne Wasserzu - noch Abfluß. Auch durfte Franzi , die es als Kind zu Hause nie anders gekannt hatte , als daß der Hund als bester Freund inmitten der Familie lebte, ihren Hund nicht mit ins Haus nehmen. Er mußte in einem kleinen Zwinger hinter der Scheune bleiben. Probleme waren also vorprogrammiert . Aber jetzt, im Mai , wurde erstmal wieder mit Spannung und den besten Wünschen das vierte Kindchen erwartet . Als letzte nun hatte auch Nesthäkchen Antonia das Elternhaus verlassen , um einen zehn Jahre älteren Mann zu heiraten, der gerade von seiner Frau und Kind geschieden worden war, später aber wieder zu ihnen zurückkehrte. Tonia war nach dem verhängnisvollen Klassenaustausch nur noch ungern zur Schule gegangen, die einst glänzenden Zensuren verloren ihren Glanz, und obendrein hatte ihr langjähriger Klassenlehrer es in dieser langen Zeit nicht vermocht , laut seiner Beurteilung auf ihrem Abgangszeugnis auch nur ein einziges gutes Haar an ihr zu entdecken . So bekam sie alle ihre Bewerbungen, um sich ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, einmal in einem Gestüt lernen und arbeiten zu dürfen , mit einer Ablehnung zurück. Als schwachen Trost setzte sie nun ihre Tierliebe für Rinder, statt für Pferde ein. Auch sie erwartete noch in diesem Jahr ihr zweites Kind. - Dadas Bilanz war also nicht nur positiv. Folgten die Töchter ihrer Zuneigung zu unkritisch ? Hätten die Eltern doch mehr Einfluß nehmen sollen? Doch sie hatten immer gemeinsam einen Weg gefunden
38. Kapitel KOMMUNALWAHLEN und PODIUM - DISKUSSION
Die Stimmung in der Bevölkerung jedoch wurde immer gereizter. Als aber dann am 2.Mai Ungarn begann, seine Grenzbefestigungen abzubauen und damit der eiserne Sperrgürtel seine ersten sichtbaren Risse bekam, setzte eine riesige Fluchtbewegung ein. Am 7.Mai folgten in der DDR die Kommunalwahlen . die in den kleineren Gemeinden noch einigermaßen übersichtlich verliefen . Dada wurde, wie bereits in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren, wieder für den Kulturbund in den Gemeinderat gewählt. Aber in den Großstädten wagte man sich nun, zu kontrollieren, und konnte dort gewaltige Wahlfälschungen aufdecken. Als dann am am 4. Juni in China hunderttausend Demomstranten einfach niedergewalzt wurden, ohne daß die DDR, wie andere Länder, protestierte, erhob sich ein Sturm der Entrüstung, begleitet von Demonstrationen und danach Verhaftungen. Jetzt organisierte sich der Widerstand: Am 11.Sept. wurde das „Neue Forum“ gegründet , zwar am 21.Sept. abgelehnt, doch schon bald folgten weitere Protestgruppen, und am 7.Okt.die Neugründung der SDP . Als Gorbatschow zum Nationalfeiertag eintraf, warnte er: “Wer zu späi kommt , den bestraft das Leben“, - doch es war bereits zu spät. Angesichts der unübersehbaren Protestmärsche im Land, vorallem aber in Leipzig, verbot Honnecker dort zwar am 13.Okt. den Einsatz von Schußwaffen, aber am 18.Okt. wurde er schon abgesetzt und von Egon Krenz abgelöst. Niemand wußte, wie wird es weitergehen? Die Menschen in der DDR drängten auf Veränderung und die Abschaffung der Bevormundung , der Abgrenzung, sowie der verdeckten „Zweiklassengesellschaft“, nämlich die der „ Freunde und Genosssen “ . Diese Forderungen sollten auch in Unterbreizbach am 6.Nov. im Kulturhaus öffentlich formuliert werden . Auch Dada fühlte sich verpflichtet, ihre Meinung hier einzubringen. Um nichts zu vergessen, hatte sie, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, damals ihre Gedanken vorher aufgeschrieben : Unterbreizbach . 6.November 1989 Liebe Unterbreizbacher , Sein, oder Nichtsein ? Das ist die Frage ! Diese Feststellung Hamlets, auf unseren Staat übertragen, hat uns heute zusammengeführt. Seit die Todesgrenze in Ungarn, und besonders jetzt auch in der CSSR , wie ein Geschwür an der alles erstickenden Zwangsjacke aufgebrochen ist, und das ständige Aussickern unseres Herzblutes, nämlich unserer jungen Generation , den Organismus unseres Staares unaufhörlich dahinsiechen läßt, sind wir vor diese Frage gestellt, wenn wir diese lebensbedrohliche Situation nicht durch einen sofortigen Eingriff zu beherrschen versuchen. Das inzwischen vorgeschlagene Reisegesetz hat den Strom nicht aufhalten können : Die Menschen erwarten keine erzwungenen einzelnen Zugeständnisse, sondern die uneingeschränkte Möglichkeit des Volkes , die Regierungsform des Staates selbst zu bestimmen ! Wie konnte es soweit kommen? Der nach dem Krieg eingeschlagene Weg war sicher notwendig, zumal von der Siegermacht grfordert. Doch was ist aus dem Ansatz eines sozialistischen Staates , in dem die Mehrzahl des Volkes, die Arbeiterklasse, wirksam vertreten ist als Gradmesser der sozialen Gerechtigkeit, geworden? Was aus unserer Arbeiterpartei ? Unsere Regierung und ihre Partei /-en nutzten die zunehmende Sebstständigkeit keineswegs zur Sozialisierung, sondern zur Festigung ihrer eigenen Macht und ihrer Vorteile, während das sogenannte Volk mehr und mehr zum willenlosen Befehlsempfänger degradiert wurde. Die Grundvoraussetzung einer sozialistischen Staatspolitik, die Dialektik, wurde nicht nur negiert und unterdrückt, sondern jede unerwünschte andere Meinung grausam bestraft. Regierung und Regierungspartei haben den Sozialismus bewußt verraten . Konnten erfahrene Kumpel den Rückbau der Sicherheitspfeiler stoppen ? Konnten sie das Bergmannsfest am eigenen Standort erhalten ? Konnten die Bauern ihrem Vieh den Wahnsinn der Offenställe ersparen ? Konnte man Zwangsaussiedlungen verhindern ? Konnte man von Verhafteten ihren Aufenthaltsort oder den Grund erfahren ? Zuletzt überhörte man sogar geflissentlich die warnenden Signale des angeblichen Vorbildes, der Sowjetunion. Durch die nun endlich offenen. Diskussionen weiß man nun auch, warum, denn fast unaufzählbar sind die vielen aufgedeckten Verfehlungen und Privilegien unserer herrschenden Klasse. Ihre Aufforderung . Arbeiten, arbeiten, arbeiten ! Damit es u n s besser geht ! (noch besser!) , hat unsere Jugend nun offenbar satt. Sie will nicht mehr für den Luxus unserer selbsternannten Regierenden arbeiten, sondern fordert den gleichen Wohlstand . Und sie fordert eine Regierung, die sie aus Politikern ihres Vertrauens selbst auswählen kann. Daher fordere ich : Sofortige Vorbereitung freier Wahlen Uneingeschränkte Reisefreiheit Fortfall der Grenzgebietsbeschränkungen Tendenzfreie Bildungspolitik Wiedergutmachung für die zwangsausgesiedelten Bürger Spitzenbehandlung und -Medikamente nicht nur in Regierungskliniken Abschaffung der Privilegien ! - Mit großer Zivilcourage wurden schon vor uns viele konstruktive Diskussionen geführt. Laßt uns durch gute Vorschläge und kluges Handeln unser Land wieder für Alle! lebens- und liebenswert gestalten , die Volksweisheit befolgend : Rechtssicherheit spart Staatssicherheit (C.Wolf) oder Wer heute den Kopf in den Sand steckt, wird morgen mit den Zähnen knirschen!
39. Kapitel JAHRESENDE - ZEITENWENDE
November 1989 - wieder stand die Veranstaltung des Karnevalvereins zum 11.11. unmittelbar bevor . Aber inzwischen hatte keiner der Hofsänger mehr die geringsten Bedenken gehabt, Dadas aggressive Texte zu singen: Nun geht sie los,- des Volkes Macht (Melodie-„ Die friesische Nacht“) 1.) Viel Jugend setzte sich in Trab , und stimmte mit den Füßen ab . Laßt das Land nicht verbluten, darum bleiben wir hier , Falsches muß sich jetzt ändern, das verlangen wir ! Taram tam tam trampeln wir mit dem Schuh, Taram tam tam, das Akkordeon dazu . Taram tam tam, trampeln wir, und es kracht . Nun geht sie los, des Volkes Macht ! Oho. oho, des Volkes Macht ! 2.) „War’n im Urlaub Sie wirklich, Herr Bezirkssekretär , mit Frau in Italien ?!“ , so fragte einst wer . Antwort : „Meine Privatangelegenheit !!“ „Ja, warum nicht auch unsre?? Doch bald ist es soweit !!“ Taram,tam tam - - - Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Am 7.November trat der Ministerrat unter Willi Stoph zurück, und am 8. 11. geschlossen das Politbüro. Dann aber, am 9.November, verkündete Günter Schabowski, in einer Pressekonferenz dazu befragt, unversehens : „Die Grenzen ? ? - die sind geöffnet .“ , doch wie ein Lauffeuer setzte sich unmittelbar danach ein Menschenstrom zwischen Ost und West in Bewegunng, sodaß Dada schon für den Veranstaltungsabend einen dritten Vers hinzufügen konnte: 3.) Unser Land ist nun offen, Drohnen müssen gehn! Freudig können wir hoffen: Jetzt wird’s vorwärts gehen! Ein freies Volk, auf freiem Grund ! Helft, daß immer wirs bleiben ab dieser Stund ! Während dann am Sonntag-Nachmittag das Prgramm für die Kalikumpel nochmal gezeigt wurde, kursierte schon das Gerücht , daß an der Vachaer Brücke bereits die Betonmauern abgebrochen würden, was aber die meisten anzweifelten. Als aber Arno und Dada am Abend ziemlich abgekämpft wieder zu Hause waren und den Fernseher anstellten, wurde hier gerade übertragen,wie sich auf der Brücke zwischen Philppsthal und Vacha die Menschen begeistert und ergriffen in den Armen lagen. Nun war die Müdigkeit verflogen und es gab kein Halten mehr - sie fuhren nach Vacha , erstmal auf den Markt. Aber von dort zur Brücke war noch alles zugemauert. Sie mußten also durch die westlichen Gartenanlagen bis zur Werra - , und am Ufer entlang zur Brücke laufen . Bald waren sie in der jubelnden Menschenmenge untergetauchtt und mit ihr über die Brücke geschoben worden, wo auf der anderen Seite aus einer nicht endenden Autoschlange ebenso völlig aufgelöste Insassen winkten und grüßten. Während sie noch tief beeindruckt verharrten, kam das Breizbacher Prinzenpaar mit seinem Gefolge über die Brücke auf sie zu, ausgelassenes Erkennen und gemeinsamer Jubel folgten, sodaß ein danebenstehender, recht schwergewichtiger Wessi , der sich mit ihnen freute, schließlich belustigt neckte: „Guttche, äi mocht jo meen Kroch , bi där gonz Triebel zusomme!“, und Arno, in bester Laune , äffte gleich zurück:“ Unne ban deu nich gläich stille bis , kriste ne Spritze !!“ - „Do biste wu nen Dukter ??“ „Na klar ! Direktemang üüß Unnerbritzbich ! - Der nächste Tag verlief weiter, wie in einem Freudenrausch, Das Telefon klingelte unentwegt, Verwandte und Bekannte, sogar Vaters Schwester aus Frankreich und ihre Töchter gratulierten und kündigten ihr baldiges Kommen an, Da konnten sie also auch schon Arnos baldigen sechzigsten Geburtstag . gemeinsam im Grenzgebiet feiern! Doch auch bereits heute war den ganzen Tag die Wohnung voller Besuch. Als erste kamen die Kameraden vom Deutschen Roten Kreuz aus dem Nachbarort Ransbach. Mitten im fröhlichen Geplauder klingelte es an der Haustür Sturm . Draußen ein Unbekannter: „Bin ich recht bein Dukter von där Vächer Brückcn?“ Es war der gewichtige und lustige Bekannte von der nächtlichen Jubelfeier. Beim Hereinkommen sah er auf einem Abstelltischchen das Vorbereitungsheft von Dada liegen, die letzte Seite noch aufgeschlagen, stutzte , und deklamierte dann pathetisch, laut , - und in bestem Hochdeutsch : „Ein freies Land, auf freiem Grund ! - Helft, daß wir’s immer bleiben ab dieser Stund !“ Doch man hörte, daß seine Stimme ein kleinwenig zitterte .
Bemerkung des Webmasters: Der komplette Text wird noch in Form gebracht, auch kommen Fotos in die einzelnen Kapitel.
Meine Eltern Magda und Dr. Günther Deilmann
In Merkers in Merkers - Die Nennstiele
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Ehrenbürger Kreyenberggemeinde
Der 4. Mai 1945 in Osthessen News am 6.7.2008
Günther Deilmann in "Freiheit und Demokratie
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